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Der Bund mit dem Teufel

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Eine Selbstmordserie im steiri-schen Mürztal hat das Thema Satanismus in Österreich aktuell gemacht: Einen Tag vor dem Heili­gen Abend 1989 ließ sich ein 21jäh-riger Schlosser aus Wartberg vom Zug überrollen. „Er war der letzte Selbstmörder aus einer Clique jun­ger Burschen von Hard-Rock- und Heavy-Metal-Anhängern und mög­licherweise Sympathisanten einer Art ,Anti-Christ-Bewegung'..." be­richtet die „Kleine Zeitung" (vom 12.1.1990). Seit Oktober 1987 hat­ten sich drei seiner Freunde auf ähnliche Weise getötet.

Eine heftige Debatte entspann sich darauf in der Steiermark. Das Spektrum der Äußerungen reichte von „Wir haben immer schon vor dem Teufel gewarnt" bis zu „Alles nur Hirngespinste". Letztere Meinung dürfte heute überwiegen, leben wir doch in einer Ära, die seit langem „Abschied vom Teufel" genommen hat. So lautet jedenfalls der Titel des Buches, das der Tübinger katholische Theologe Herbert Haag 1972 veröffentlicht hat. In ihm wird die in der Bibel bezeugte Macht des Satans „weg-theologisiert".

Viele können sich auch heute dieser Ansicht nicht anschließen. Um die zerstörerische Existenz Satans eindrücklich nachzuweisen, geraten sie in Versuchung, überall satanischen Einfluß zu wittern, und werden unglaubwürdig. Wie kann man da angemessen vorgehen? Ich versuche im folgenden, einen kur­zen Überblick über eine unsyste­matische Sammlung von Informa­tionen zu geben:

Gesprächsweise erzählt meine Tochter, daß zahlreiche Mitschü­lerinnen Erfahrungen mit „Ti­scherlrücken" haben. Was zunächst als harmloses Spinnen verwöhnter Töchter erschien, entpuppt sich in Deutschland als Massenphänomen:

Bei einer Befragung katholischen Religionsprofessoren über die Er­fahrungen ihrer Schüler mit ok­kulten Praktiken antworteten rund 25 Prozent. 85 Prozent dieser Leh­rer hatten im Unterricht schon über Okkultismus gesprochen, meistens auf Initiative ihrer Schüler.

Am häufigsten hatten diese „Ti­scherl gerückt" und gependelt -meist in Gruppen. Viele Schüler meinen, dabei persönliche Bot­schaften zu empfangen. Die Fol­gen: „Rückzug von Alltagsaufgi-ben mit Schul- und Lernschwierig­keiten, sich vermehrende Ängste, ein unbewußter Erfüllungszwang von .Geisterbotschaften', Depres­sionen, Selbst- oder Fremdschädi­gungen oder psychoseähnliche Fehlverarbeitungen von Erlebnis­sen." (Frankfurter Allgemeine Zei­tung vom 9. 3.1988)

Die Attraktivität des Okkulten hat sicher durch eine um sich grei­fende Sinnentleerung des Lebens und durch Überbetonung des Ra­tionalen gewonnen. Sie wird aber zum Teil auch geschürt. Da ist zunächst einmal das Medienange­bot. Typisch das Schaufenster ei­ner Wiener Videothek. Horror, Teufel, Dämonen waren da die Renner:« „Tanz der Teufel II" (Untertitel: Mit schrecklich schö­nen Bildern), „The Lost Boys" (Untertitel: Tagsüber schlafen. Nachts auf Tour. Niemals alt wer­den. Niemals sterben. Es macht Spaß, Vampir zu sein), „Dämonen" (Untertitel: Wenn das Tor zur Hölle verschlossen ist, kehrt das Böse zur Erde zurück), „Spookies - die Kil­lermonsters"...

Noch kräftiger ist die Dosis in der Rock-Szene. Da tritt die „Erfolgs­mischung" Sex, Crime and Satan in verschiedensten Mischungen auf. In diesem Umfeld wird zunehmend alles möglich. Es muß nicht gleich der Teufel ausdrücklich bemüht ■ werden, auch wenn vom Bösen viel die Rede ist. Ich zitiere den „Renn­bahn-Express", eine Jugendzeit­schrift, die wohl nicht im Verdacht steht, die „Szene" schlecht zu ma­chen:

„Licensed to kill" ist ein Erfolgs­hit der „Beastie Boys", „die schon jetzt zum Alptraum aller Moral-Apostel avancieren. Ihre Rap-Rhythmen, versetzt mit beinharten Rock-Riffs und Sixties-Beatj ist die ideale Basis für die ruppigen Sprechgesänge, die vor keiner sprachlichen Schweinerei, keiner Anzüglichkeit und keiner Brutali­tät Halt machen." (R-E 4/1987)

Und: „In der Bühnenshow des Trios fehlt es unter Garantie nicht an Gewalt, Sex und Gottlosigkeit. Barbusige Frauen tanzen ausgelas­sen zur wilden Rap'n Roll-Musik, Männer schlagen ihre Köpfe anein­ander, Mike D und MCA schütten Wasserkübel ins kreischende Audi­torium, während Ad Rock per Mi-kro .heiratsfähige Busen' sucht, um dann ein Dutzend Busen in den vorderen Reihen mit seinem eng­lischen ,Ale'-Bier zu beschmie­ren." (R-E 6/1987)

Oder über Alice Cooper in Wien: „Die Show war eine einzige Abfol­ge von Horrorfilmszenen. Skelette hängen in einem Gerüst, ein abge­rissener Baum baumelt am Bühnenrand, ein blutender Kopf, in dem Nägel stecken, schaukelt unter ei­nem Tisch... Dann kommt Alice... läßt seine Blutoper Revue passie­ren: einer Nutte wird der Hals durchtrennt, nachdem sie ihn aus­gepeitscht hat. Einer weiblichen Schaufensterpuppe wird mit einem Beil zwischen die Beine geschlagen. Einer Spinne werden einzeln die Tentakel abgerissen. Dazu höllen­lauter Hardrock..." (R-E 5/1988)

Stichwort höllenlauter Hardrock: Manche Bands aus der „Heavy Metal"-Szene halten es ganz aus­drücklich mit dem Satan. Ende der 60er Jahre kamen die Rolling Sto-nes mit dem Titel „Sympathy for theDevil" auf den Markt. 1980 wur­de der Titel „Hell Beils" von AC/DC ein Welterfolg. 1982 landen Iron Maiden mit „The Number of the Beast" einen Welthit. Mötley Crüe, Mass, Crossf ire, Venom, Judas Priest sind weitere Gruppen, die sich mit Teuflischem hervortun.

Seit 1970 ist „Black Sabbath" konsequent auf der satanischen Linie. In ihren Liedern werden eher depressive, selbstzerstörerische Tendenzen verstärkt, Satan lyrisch verherrlicht. In ihren Bühnenshows bauten Black Sabbath schwarze Messen und Teufelsbeschwörungen ein. Auf einer ihrer Plattenhüllen stand zu lesen: „Nimm dir ein Le­ben, es wird billig; töte jemanden, niemand wird weinen. Die Freiheit ist dein, tu nur deine Pflicht, wir wollen bloß deine Seele."

Und so wiederholen Millionen von Jugendlichen auf der ganzen Welt Texte, die sie mehr oder weniger verstehen, in denen sie jedenfalls Satan - meist unbewußt - Ehre erweisen (siehe Kasten). Solches kann nur eine geistig grenzenlos naive Zeit bagatellisieren.

Diese Naivität äußert sich auch darin, daß immer wieder deklarier­ten Satanisten im Fernsehen Auf­tritte ermöglicht werden: 1984 trat die Satanistin Ulla von Bernus im deutschen, 1985 im österreichischen Fernsehen auf. Sie behauptete, Menschen durch magische Rituale töten zu können, und erkärte, auch Erfahrungen mit schwarzen Mes­sen zu haben. Auch Ela Hard, eine Frau, die sich als Hexe (die auch magisches Töten zu beherrschen vorgibt) bezeichnete, flimmerte über Österreichs Bildschirme. Zuletzt durfte „Gabira", eine hübsche dunkle Teufelsanbeterin, im letz­ten Oktober 20 Minuten lang Österreichs Jugend ihren Glauben an Satan als gleichwertige Alternative zum Glauben an Christus verkau­fen - an einem Sonntag, um 17 Uhr!

Sich ein Bild vom tatsächlichen Umfang des Satanskultes zu ma­chen, ist schwierig. Wer in diese Szene gerät, schweigt im allgemei­nen aus Angst, ist meist verstrickt in Schrecklichkeiten und Verbre­chen. Auch dazu nur Schlaglichter:

„In vielen Städten des deutschen Sprachraums werden Schwarze Messen abgehalten. Die 1984 im deutschen Fernsehen gezeigte Form, bei der eine junge Frau dem Satan als Hexe geweiht wurde - man sah unter anderem, wie sie nackt einer rituellen Geißelung unterzogen wurde -, mag noch eine von den weit verbreiteten harmloseren gewesen zu sein. Es ist freilich auch schon vorgekommen, daß bei sol­chen Zeremonien dem Teufel Men­schen geopfert wurden - im Jahr 1986 konnte ein solcher an zwei Mädchen in Dortmund geplanter Ritualmord von der Polizei gerade noch verhindert werden", zitiert Bernhard Wenisch in seinem Buch „Satanismus" einen Zeitungsbe­richt.

Über ähnliche Erscheinungen be­richtet „30 Giorni" (1/1989) aus den USA, Frankreich, Italien und England. Insbesondere London wird als Weltzentrum des Okkultismus bezeichnet. Dieser sei häufig der Deckmantel für Kinderprostitution und -mißbrauch. Anfang des Jahres wurden in Nottingham bei einem der schauerlichsten Prozesse von Kindesmißbrauch (26 Kinder - auch unter zehn Jahren - waren bei sata­nischen Orgien zu Inzest und Sodo­mie gezwungen worden) zehn in Satanskulthandlungen verstrickte Personen verurteilt. Der Unterhaus-Abgeordnete Geoffrey Dicken, hat in Zusammenarbeit mit „Child-watch", einer englischen Wohl­fahrtseinrichtung, einschlägige Fälle gesammelt, um das Parlament mit diesen Mißständen zu befassen.

Weltweit bekannt wurde der Fall des Charles Manson, der sich für Satan und Christus zugleich hielt und meinte, er und seine Anhänger würden das Endgericht herbeifüh­ren. Bei ihren Kultorgien wurden Tiere und Menschen geopfert. Die Gruppe schwärmte aber auch aus, um in der Umwelt Opfer für Satan zu suchen'. Auf diese Weise kam es zum scheußlichen Ritualmord an der bekannten Schauspielerin Sha­ron Täte und ihren Gästen.

Nicht nur Manson bezeichnet Aleister Crowley (1875-1947) und seine Lehren als seine Inspiration. Crowley hat das schrankenlose Ausleben des Lebensdranges pro­pagiert: „Tue, was du willst, das ist das Gesetz", und er betrachtete sich als Inkarnation Satans.

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch noch eine andere Entwick­lung: die Wiederbelebung der He­xen. Ausgehend von England macht sich der Wicca-Kult breit. Er ver­steht sich als uralte Religion, die schon seit 10.000 Jahren besteht. Verehrt wird die „Große Göttin". Dem Kult haben sich vor allem Frauen verschrieben, die sich in Grupen zu maximal 13 Personen versammeln. Dabei wird vorwie­gend Magie betrieben. Sexuelle Praktiken bilden Teil des Rituals. Es gibt Berührungspunkte zum Satanismus, wenngleich - wie die Anhängerinnen betonen - keine Rede von Satanismus sein könne.

Hexen sind auch Leitfiguren in Strömungen der Frauenbewegung, wie folgendes Zitat illustriert:

„Die schöne dunkle Hexe ,Star-hawk' schlägt die Trommel und schreitet mit wiegenden Hüften um das Feuer im Kupferkessel. Wir folgen ihr Hand in Hand, kreisen in einer riesigen Spirale um die Flam­men und singen: ,Alte Mutter, ich hör' dein Rufen, alte Mutter, ich hör' deinen Ton. Alte Mutter, ich hör' dein Lachen, alte Mutter, ich hör' deinen Schmerz.' Die Trommelschläge werden lauter, unsere Stimmen steigern sich, wir recken die Arme empor und knien dann schweigend nieder...", berichtet Helga Leeb in „Brigitte" (15/1985) über ein Wochenendseminar. Es sei wichtig, sich trotzig und frech als Hexe zu bezeichnen. Denn: „Hexen waren immer die Vermittlerinnen zwischen der Realität und dem Übersinnlichen, die Wissenden, die Starken, die mit den Naturkräften umgehen konnten und deshalb von den Männer gehaßt und verfolgt wurden."

Im „Frauenhandlexikon" wird der Bezug zur Hexe als „Drohung und Verheißung" bezeichnet. Denn die Frauen würden nun „die durch den Hexenwahn tabuisierten Hand­lungsfelder und Identitäten" wie­dergewinnen und damit auch „das Recht auf Kontrolle des eigenen Körpers, auf weibliche Gesellig­keit..., den Anspruch auf die Macht, auf eigenständige sexuelle Lüste und luziferische Wißbegierden" (München 1983, S.133).

Soweit einige Schlaglichter auf eine vielfältige Szene. Es ist müßig herauszudestillieren, wie intensiv der Teufel im Einzelfall gesucht wird oder was er im einzelnen be­wirkt. Wozu dann dieser Überblick? Um zu zeigen, daß heute das Okkul­te wieder für viele anziehend wirkt, daß sich viele Menschen in seinen Bann ziehen lassen oder leichtfer­tig in seinen Einfluß begeben.

Das aber ist die Voraussetzung für die Wirksamkeit Satans, von dem die Christen beruhigt wissen, daß er von Jesus Christus längst besiegt ist. Der evangelische Theo­loge Karl Barth hat davon gespro­chen, daß das Böse nunmehr an der Leine Gottes sei. Es kommt darauf an, sich nicht in den Einflußbereich des Bösen zu begeben.

Diese Vorsicht wird heute allzu leichtfertig über Bord geworfen von all jenen, die übersehen, daß es keine geistige Neutralität gibt. Der große Theologe Romano Guardini hat vor dieser gefährlichen Harmlosigkeit gewarnt. Man solle wohl von der Existenz Satans wissen, mit ihm sich aber weiter nicht beschäftigen.

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