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Der „Bundesrock66 des Alois Mock

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Mit einem Parteitag in Linz am 5. und 6. März schließt die große Oppositionspartei ihre Programmarbeit am „Modell Österreich" ab. Ist die ÖVP damit für die nächsten Wahlen gerüstet?

Mit der ebenso schwelenden wie fruchtlosen Personaldiskussion um den Generalsekretär, mit der nimmermüd' erhobenen Forderung nach einem Belastungsstopp und mit dem Ruf nach einem Kurswechsel in der Politik: Vor allem damit ist die ÖVP heute über ihren Mitgliederkreis hinaus im Wählerbewußtsein präsent. Und das ist zuwenig, um einer angeschlagenen Regierungspartei bei den nächsten Nationalratswahlen Wählersympathien und Stimmen abzunehmen.

Warum soll ein Kreisky-Wäh-ler des Jahres 1979 im nächsten Jahr nicht SPÖ, sondern ÖVP wählen? Nur aus Enttäuschung?

Eine verständliche und überzeugende Antwort für Wechselwähler ist die große Oppositionspartei bisher schuldig geblieben. Wie könnte konkret „eine bessere Politik für Österreich" aussehen?

Zwei Jahre nach dem Reformparteitag in Salzburg und ein

Jahr vor der nächsten Nationalratswahl schließt die große Oppositionspartei am 5. und 6. März mit einem außerordentlichen Parteitag in Linz vierzehn Monate Programmarbeit ab: Das „Modell Österreich", der sachpolitische Orientierungsrahmen für die ÖVP-Politik in der nächsten Legislaturperiode, wird beschlossen.

Keine Frage: In dem „Modell" steckt viel Arbeit. Es ist solid und braucht keinen Vergleich mit anderen Aktionsprogrammen zu scheuen. Es ist ein Programm durchaus zum Herzeigen, rund 400 Druckseiten lang.

Aber was macht die Volkspartei mit ihren Vorschlägen? Sie macht wenig daraus.

An Initiativen und Alternativen hat es der Mock-Partei schon bisher nicht gemangelt. In der konzeptiven Arbeit ist die ÖVP

viel besser als ihr Ruf, den sie bei innenpolitischen Kommentatoren hat.

Doch wer spricht von den zwei Eigentumsbildungsgesetzen, die ausgearbeitet wurden, von dem Erfolg, den die Idee der Beteiligungsgesellschaften mit dem Kreisky-Mock-Abkommen vom 10. Dezember gefeiert hat?

Kaum ein ÖVP-Politiker. Die große Oppositionspartei läßt sich noch immer viel zu leicht von tagespolitischen Eintagsfliegen irritieren. Zu einem Kreisky-Brummer überstürzen sich die

Stellungnahmen, eigene Anliegen gehen dabei unter.

Im Rahmen der ÖVP-Erneu-erung wurde das Leitbild vom „selbständigen Menschen" geprägt. Daß dieses Leitbild zwei Jahre später noch immer nicht im Bewußtsein des politischen Normalverbrauchers verankert ist, spricht nicht unbedingt für ein neues Selbstbewußtsein in der Volkspartei.

Ist also der Schwung der Erneuerungsdiskussion 1979 verpufft? Hat sich an dieser ÖVP nichts geändert?

Doch. In der großen Oppositionspartei hat sich mehr geändert

als ihr Zeitungskommentare zubilligen.

Der am 29. Februar 1980 in Salzburg mit 99,6 Prozent gewählte Parteiobmann Alois Mock und seine Führungskompetenz sind innerparteilich unumstritten — wie das seit den Zeiten von Julius Raab nicht mehr der Fall war.

Mock genießt das Vertrauen der Teilorganisationen ebenso wie jenes der Länder. Und er kann, anders als Karl Schleinzer und Josef Taus vor ihm, auch mit der Geduld der Partei rechnen: erst bei der übernächsten Nationalratswahl steht Mock unter absolutem Erfolgszwang.

Aber auch in einem anderen

Bereich hat sich die Reform positiv ausgewirkt: Die parteünterne Entscheidungsfindung ist fraglos besser, die Fraktionierung durch die Teilorganisationen geringer geworden. Wenn es trotzdem noch Sand im Getriebe gibt, dann liegt das an der Eigenbrötelei mancher Landesparteiorganisationen.

Für Mock und die ÖVP spricht auch, daß die große Oppositionspartei eine ganz entscheidende Akzentverschiebung bewältigt hat: Hat sie von 1971 an in ihrer ursprünglichen Domäne Wirtschaftspolitik laufend und deutlich an Kompetenz abgebaut, konnte sie seit 1980 nicht nur Zuständigkeit zurückerobern, sondern darüber hinaus auch ein neues Verständnis.

Heute erschöpft sich die Wirtschaftspolitik der ÖVP nicht mehr in Unternehmer- und Unternehmenspolitik, vielmehr ist die Beschäftigungspolitik der Angelpunkt. Hier ist die Mock-Partei zu einer glaubwürdigen Konkurrenz der SPÖ geworden — unabhängig davon, ob das bereits vom

Wähler registriert wird oder nicht.

In anderen Bereichen vermißt man freilich eine vergleichbare Neuorientierung. Zu sehr läßt sich die OVP mit dem Kleinkram der Regierungspolitik beschäftigen, zuwenig hat sie sich jenen Themen gewidmet, die von der Regierung abseits liegen gelassen wurden.

Aber genau in diesen Punkten erwächst der ÖVP wie allen anderen etablierten Parteien jetzt neue Konkurrenz: Grüne und alternative Bewegungen stoßen in das Vakuum vor.

Doch was hat die Oppositionspartei getan, um diese Opposition für sich zu gewinnen?

Vielleicht, und auch das ist ein schwacher Punkt der letzten beiden Jahre, liegt es daran, daß die Bereitschaft, mit unkonventionellen Ideen zu spielen, • gering war: Aus der Absicht, die ehemalige „Aktion 20" in neuer Form wieder ins Leben zu rufen, ist nichts geworden. Nachdenken in Expertenzirkeln für ein „Modell" können aber dieses Vor-Denken nicht ersetzen.

Ebenso müßten im personellen Bereich schlummernde Reserven mobilisiert werden: an der Spitze hinter Mock ebenso wie im Mittelbau.

Da geht es nicht so sehr, wohl aber auch, um die Person des Generalsekretärs, sondern auch um ein Team rund um Mock und seine Stellvertreter Marga Hubinek, Erhard Busek, Bertram Jäger und Josef Ratzenböck. Das System der Bereichsprecher, mit dem in den siebziger Jahren noch das Auslangen gefunden werden konnte, genügt heute sicher nicht mehr.

Wenn nunmehr immer häufiger Landeshauptleute mit politischen Erklärungen für die Bundespartei in die Bresche springen, so ist das nicht nur ein Zeichen der Geschlossenheit: das ist auch ein Zeichen dieser Schwäche.

Wie aber das ändern, wenn hoffnungsvolle politische Talente in den Ländern einer sicheren Landeskarriere, einem bundespolitischen Engagement mit allem Risiko mehr oder minder offen ablehnend gegenüberstehen?

Diese Volkspartei muß, will sie Erfolg haben, insgesamt kämpferischer und einsatzfreudiger werden. Da gibt es noch allzu viele kommunal- und regionalpolitische „Hemden", die vor dem bundespolitischen „Rock" rangieren, den man für Alois Mock maßgeschneidert hat.

Erst wenn in der OVP auch in diesen Fragen ein Umdenken Platz greift, ist die Parteireform gelungen.

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