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Der Caudillo bleibt stark

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Mit einem Generalstreik wollte die chilenische Opposition am 30. Oktober die Militärjunta zu politischen Konzessionen zwingen. Stürzt der Andenstaat erneut ins Chaos?

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Mit einem Generalstreik wollte die chilenische Opposition am 30. Oktober die Militärjunta zu politischen Konzessionen zwingen. Stürzt der Andenstaat erneut ins Chaos?

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Wie stark oder wie schwach ist Chiles Staatschef Augusto Pinochet heute? Noch vor einem halben Jahr wirkte der militärische Caudillo fahl und verschlissen. Inzwischen kehrte er als Stehaufmann zurück.

Zunächst einmal hilft Pinochet die absolute Loyalität der chilenischen Streitkräfte. Darüber hinaus kann der Caudillo, wenn notwendig, ein komplettes repressives Instrumentarium gegen die Opposition einsetzen. Außerdem umhegt Pinochet, der sich in der Hauptstadt Santiago nicht gerade geliebt weiß, geschickt die Provinzbevölkerung, die ihm daher teilweise die Stange hält.

Nicht zuletzt ist es die Zerfahrenheit der Opposition, die über keine dominierende Persönlichkeit verfügt. Nicht einmal Gabriel Valdes, unter dem ehemaligen christdemokratischen Staatspräsidenten Eduardo Frei Außenminister und heute Vorsitzender der Mitte-Links-Opposition „Alian-za Democrätica", schaffte es, in diese Rolle zu schlüpfen. Gewerkschaftsführer Rodolfo Seguel, der vor einem Jahr als „chilenischer Lech Walesa" Profil versprach, ist weit zurückgefallen.

Dabei war die Parteienopposition seit 1983 auf einem vielversprechenden Weg. Wirkungsvoll waren in den beiden letzten Jahren vor allem die „Nationalen Protesttage" der beiden großen Oppositionskoalitionen, sodaß General Pinochet die erste Konzession seit elf Jahren einräumte und den Altpolitiker Sergio Ono-fre Jarpa zum neuen Innenminister ernannte.

Seit Mitte 1983 gab es deswegen in Chile eine bemerkenswerte politische Öffnung: Emigranten kehrten zurück, neue Zeitschriften erschienen, an den Universitäten durfte wieder ohne Aufsicht gewählt werden.

Anfang 1984 fragte man in Santiago offen, ob Staatschef Pinochet bis 1989, dem Ende seiner Präsidentschaft, aushalten würde.

Doch dann kamen die Enttäuschungen des Parteienstreits innerhalb der Opposition. Die Christdemokraten der „Alianza Democrätica" brachten keine Zusammenarbeit mit der linkssozialistischen Parteienkoalition „Mo-vimiento Democrätico Populär" (in der die Kommunisten dominieren) zusammen.

Die Rahmenbündnisse der halblegalen Parteienopposition zerfielen in rund 80 Einzelgruppierungen. Und die „Nationalen Protesttage" wurden immer gewalttätiger.

Anfang September 1984, beim bisher letzten Protesttag, geriet die Hauptstadt Santiago wieder an den Rand eines Bürgerkriegs mit zahlreichen Verletzten und Toten. Dieser Septemberschock brachte Pinochets alte Härte zurück. Sein Ruf nach Ruhe und Ordnung fand im zerrütteten Chile vor allem im Kleinbürgertum ein breites positives Echo.

Innenminister Jarpa hält im Moment das Dialogangebot an die Opposition unter Verschluß. Luftwaffengeneral Fernando Matthei, in der Militärjunta bislang der größte Befürworter einer politischen Verständigung, stellte sich in dieser Situation wieder eindeutig hinter Pinochet.

An Pinochets Präsidentschaft bis 1989, ließ Matthei Ende September in einem Interview wissen, sei auf alle Fälle festzuhalten. Möglich wären lediglich ein Parteiengesetz und eine schrittweise Annäherung an Kongreßwahlen, damit in fünf Jahren die Phase des Ubergangs mit Parteienbeteiligung initiiert werden könne.

Und natürlich, so Matthei, sei jeder Ubergang unvorstellbar ohne den garantiert ehrenvollen Abgang für die Militärs in fünf Jahren.

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