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Der Codex und die Logen

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Zwei Freimaurer gehören der neuen Regierung an: Kanzler Fred Sinowatz und Unterrichtsminister Helmut Zilk. Das ist Anlaß zur Rückblende und Bestandsaufnahme.

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Zwei Freimaurer gehören der neuen Regierung an: Kanzler Fred Sinowatz und Unterrichtsminister Helmut Zilk. Das ist Anlaß zur Rückblende und Bestandsaufnahme.

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Allmählich beginnt sich die Auffassung durchzusetzen, daß die Feindschaft von katholischer Kirche und Freimaurern der Vergangenheit angehört. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts begaben sich Adelige und Bürgerliche, Soldaten, Staatsbeamte und Kleriker verschiedenster christlicher Konfessionen auf die Suche nach einer „natürlichen Religion“. Sie wollten unabhängig von den Offenbarungen des Christentums, jedoch nicht in spezifischer Feindschaft zu seinen Lehren, den Glauben an den Weltenbaumeister bewahren, Sittengesetze und Toleranz beobachten.

In den Vorstadien zur Säkularisation von Klöstern und geistlichen Orden entstand u. a. der geheime Männerbund der „Freemasons“, der Freimaurer. Er drückte seine Ziele und Strukturen mit den Symbolen mittelalterlicher Steinmetze, ihrer Bauhüttenordnungen und ihres Geschichtsverständnisses aus und konnte sie gleichzeitig damit verfremdend verhüllen.

Die „Alten Pflichten“, die ein presbyterianischer Geistlicher aus Schottland 1723 neu formulierte, fordern, daß in der Freimaurerloge keii\Streit über Religion, Nation oder Politik ausbrechen und kein persönlicher Groll aufkommen dürfe. Sie verpflichten den Freimaurer, über die Vorgänge in der Loge strikte zu schweigen und einem echten Bruder in Not zu helfen.

Ambivalente Züge, die dem 18. Jahrhundert eigen sind, kann man auch in den Beziehungen der Staaten und der christlichen Kirchen gegenüber den Freimaurern feststellen. In absolutistischen Staaten war die Existenz von Gruppen, die man nicht kontrollieren konnte, störend. Das Schweigen ihrer Mitglieder weckte Unsicherheiten und Ängste, ließ Vermutungen und Befürchtungen aufkommen. Trotzdem waren gekrönte Häupter und Träger hoher Staatsfunktionen Freimaurer.

Papst Klemens XII. verurteilte 1738 in der Bulle „In eminenti“ die Freimaurerei, weil sie sich gegenüber der geoffenbarten Religion indifferent verhielt, interne Vorgänge in der Loge geheim hielt und die Ruhe des Gemeinwesens durch sie gestört erschien. Da die Freimaurer als Ketzer verdächtigt wurden und aus „anderen Uns bekannten Ursachen“, die bis heute unerforscht im Archiv des Heiligen Offiziums auf ihre Enthüllung warten, verfielen sie der Exkommunikation.

Klemens XII. und sämtliche Päpste des 18. und 19. Jahrhunderts, die die Exkommunikation wiederholten, befürchteten das Abgleiten der Katholiken in einen religiösen Synkretismus, der zweifellos die Freimaurerei prägt. Sie sahen in ihr eine große Gefahr für die Reinerhaltung des Glaubens.

Um 1745 entstand der Topos und die Theorie von der Verschwörung der Freimaurer. Unter dem Schlagwort der „natürlichen Religion“ würden sie Sekten organisieren und eine „conspiration generale contre la religion“ erzeugen. Zur selben Zeit gab es in Europa Geistliche und Mönche, die Logenbrüder waren; der Abt eines österreichischen Benediktinerstiftes soll um 1770 mit dem Maurerschurz unter der Kutte begraben worden sein.

Reflexionen, die der Exjesuit Augustin Barruel 1799 über den Ausbruch der Französischen Revolution niederschrieb, bestimmten die kirchliche Einstellung zur Freimaurerei bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg: die Freimaurer würden Throne stürzen, die bürgerliche Gesellschaft zerstören und die Kirche ruinieren.

Identisch mit Revolutionären, mit Häretikern und Juden — so die Ansicht im fin de siede — wären sie Bundesgenossen des Satans — was dann auch Marcel Lefebvre und seine Anhänger in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wiederholten.

Mit den Lateran-Verträgen von 1928 setzte ein Klimawechsel in den Beziehungen von katholischer Kirche und Freimaurerei ein. Während Jesuitenprofessoren im freimaurerischen Schrifttum Werte der Humanität und Ethik entdeckten, strebten Mitglieder der Freimaurerei danach, sich vom Klischee des Satansbündnisses zu befreien.

Diese Gesprächsphase in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts fand nach dem Zweiten Weltkrieg eine Fortsetzuhg. Jetzt versuchten die Freimaurer, die Kirchenstrafe der Exkommunikation von ihren katholischen Logenbrüdern abzuwenden. Man öffnete Logenarchive und Bibliotheken katholischen Forschern und Priestern, und schlięfilich stellten über 20 Bischofskonferenzen aus aller Welt nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Frage an die Glaubenskongregation, wie der Freimaurerkanon 2335 im alten Codex Iuris Canonici zu verstehen und anzuwenden sei.

Die Interpretation, die am 19. Juli 1974 Kardinal Seper gabi findet sich trotz gegenläufiger Ten denzen innerhalb der katholischen Kirche im neuen Codex Iuris Canonici, Canon 1374, bestätigt.

Die Deutsche Bischofskonferenz hatte am 12. Mai 1980 erklärt, daß eine gleichzeitige Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und zur Freimaurerei ausgeschlossen sei. Ähnlich hatte die Glaubenskongregation reagiert, die am 17. Februar 1981 das Reskript von Kardinal Seper zurücknahm. Das heftige Presseecho auf diese Erklärungen bewirkte eine offiziell autorisierte Interpretation des alten Canons 2335 durch den berühmten italienischen Jesuįten Giovanni Caprile in der „Civitä cattolica“. Caprile dokumentierte, daß der Heilige Stuhl seine Position gegenüber den Freimaurern nicht verschärft hätte.

Dem entspricht der Canon 1374 des neuen Codex, der im Advent 1983 in Kraft treten wird. Dort heißt es, daß nur solche Mitglieder von Geheimgesellschaften einer Kirchenstrafe verfielen, die gegen die Kirche arbeiteten. Jene Personen, die diese antikirchlichen Gesellschaften ins Leben rufen oder leiten, sind eo ipso exkommuniziert.

Diese weitere Formulierung versucht, den vielfältigen und verschiedenen Formen der Freimaurerei von heute, die sich nach wie vor in Geheimnisse hüllt und undurchsichtig bleibt, gerecht zu werden.

Univ.-Dozentin Elisabeth Koväcs ist am Institut für Kirchengeschichte an der Katholisch-theologischen und am Institut für Geschichte an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien tätig.

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