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Der (einzige) Weg der Kirche?

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Die „Aktion Leben" hat kürzlich eine Broschüre „Das lxl der Empfängnisverhütung" herausgebracht. Durch umfassende Information will sie Eheleuten helfen, sich „verantwortlich entscheiden" zu können. Durch bessere Aufklärung über Verhütungsmethoden glaubt sie auch, die Zahl der Abtreibungen zu vermindern. Denn „Verhüten ist besser als Abtreiben". Ihren Standpunkt teilt der Innsbrucker Moraltheologe Hans Rotter, der ein Kapitel „Ethik der Empfängnisregelung" schrieb.

.Aktion Leben" wurde daraufhin offiziell vorgeworfen, sie bringe mit dieser Broschüre deutlicher denn je zum Aus druck, mit dem Anliegen des Lebensschutzes „nicht den Weg der Kirche, sondern einen eigenen Weg" zu gehen. Die Kritik konzentriert sich wohl darauf, daß in der Broschüre auch „künstliche Methoden" nicht als in sich schlecht bezeichnet werden.

Aktion Leben" ist keine kirchliche Einrichtung, wohl aber von engagierten Katholiken gegründet und heute noch getragen. Stehen sie mit ihrer Haltung zur Empfängnisverhütung in der Kirche allein da?

Zum „20-Jahr-Jubiläum" der Enzyklika „Humanae vitae" 1988 war an der Lateran-Universität in Rom ein Moraltheologenkongreß. Es wurde dort-beklagt, daß in weiten Kreisen die Lehre der Enzyklika noch nicht akzeptiert sei. Nach Medienberichten halten sich „80 Prozent der katholischen Ehepaare, an die 70 Prozent der Beichtväter und rund

90 Prozent der Moraltheologen gar nicht oder nicht ausreichend an die gültige Lehre im Bereich der Empfängnisregelung".

Gehen diese auch alle einen eigenen Weg, nicht den der Kirche? Die Mehrheit muß nicht recht haben. Aber man wird den vielen Theologen, Seelsorgern, katholischen Eheleuten in der Kirche, die anders denken, nicht unterstellen dürfen, sie seien nur vom Zeitgeist angekränkelt. Sie wissen sehr viel über die Not, aber auch das so ernste Bemühen vieler Ehepaare, eine vor Gott verantwortbare eheliche Liebe zu leben. Sie haben oft in großer Gewissenhaftigkeit biblische, moraltheologische und humanwissenschaftliche Argumente zusammengetragen, die andere Wege auch als vertretbar erscheinen lassen.

Denkt man hier nicht unwillkürlich an die große Bedeutung, die die Kirche immer schon dem „sensus fidelium", dem „Glau-Denssinn der Gläubigen" beigemessen hat? Gibt es zur Verwirklichung der verantworteten Elternschaft in der Kirche mit absoluter Sicherheit nur „einen" Weg? Könnte es nicht auch sein, daß, wie schon öfter in der Kirche, von besonders Betroffenen neue Wege gesucht, ja beschritten werden, die erst später die offizielle Billigung erhalten?

Die „Aktion Leben" hat sich unschätzbare Verdienste in der Auseinandersetzung um die Abtreibung in Österreich erworben. Bleibt nur zu hoffen, daß eine Rüge jetzt nicht den Anschein erweckt, die Kirche wolle sich von ihr distanzieren.

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