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Der ersehnte Konjunkturimpuls

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Ist der erreichte GATT-Durchbruch zu einem freieren Welthandel groß genug, um den erhofften Impuls fiir eine kräftige Konjunkturbelebung zu geben?

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Ist der erreichte GATT-Durchbruch zu einem freieren Welthandel groß genug, um den erhofften Impuls fiir eine kräftige Konjunkturbelebung zu geben?

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Nach mühevollen, bis zuletzt in-% tensiv, ja nächtelang geführten -L 1 Verhandlungen konnte nun vorige Woche in Genf ein umfangreiches Vertragspaket des GATT, des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, unterzeichnet werden. Ist der damit erreichte Durchbruch zu einem freieren Welthandel groß genug, um den erhofften Impuls für eine kräftige Konjunkturbelebung zu geben?

Wirtschaftsexperten erwarten von dem neuen Abkommen einen Schub von jährlich Zigmilliarden Schilling im Welthandel. Immerhin konnte ein Hauptanliegen erreicht werden, nämlich der weitere, nicht unerhebliche Abbau von Zöllen. Für Osterreich könnte das bessere Exportchancen etwa in Nordamerika oder Japan bedeuten, so für Bekleidung und Lederwaren. Ein leichterer Zugang zu diesen Märkten könnte manche Branchen schon jetzt zu Investitionen und Marketingprojekten veranlassen.

Es ging aber nicht nur um die Verringerung von Zöllen, sondern auch von Subventionen, etwa in der Luftfahrtindustrie, wo Amerikaner und Europäer in einem überaus scharfen Wettbewerb stehen. Oder in der Stahlindustrie, in der jetzt geringere Subventionen vorgesehen sind. Oder in der Film- und Fernseh-industrie, bei der die europäischen Produzenten fürchten, von der Hollywood-Welle überflutet zu werden.

Grosse Solidarität

Das neue GATT-Abkommen wird für die österreichischen Unternehmen freilich nicht nur den Abbau mancher Handelshemmnisse bringen, sondern auch den verstärkten Zwang zu Strukturveränderungen. Die erleichterte Einfuhr von Textilien und Bekleidung aus Schwellenländern wie Indien wird sich zwar erst nach rund sieben Jahren auf die wirklich sensiblen Produkte auswirken, aber das Multifaser-Abkom-men, das diesen Bereich regelt, wird nicht mehr, wie seit mehr als einem Jahrzehnt, vor ungehindertem Eindringen dieser Billigwaren schützen - auch wenn Gegenleistungen, wie der Musterschutz, noch nicht voll gesichert sind.

Erst recht gilt die Strukturproblematik für die Landwirtschaft. Die Franzosen haben ihre eigenen Agrarinteressen weitgehend durchgesetzt, nicht zuletzt dank bemerkenswerter Solidarität innerhalb der Europäischen Union. Die Agrarpolitik der EU ist aber nach wie vor mit durch weiterhin steigende Produktivität anhaltenden Uberangebot an landwirtschaftlichen Produkten bei-zukommen sein wird. Jedenfalls wird sich die europäische Landwirtschaft - auch die österreichische -auf neue Bedingungen auf den internationalen Agrarmärkten einstellen müssen, auf neue Konzepte mit der Nahrungsmittelindustrie und anderen Verar-beitern, auch auf ihre ökologische Funktion.

Für uns ist dieses Problem jedenfalls innerhalb der EU leichter zu bewältigen als außerhalb, weil wir als Mitglied endlich Zugang zum EU-Agrarmarkt haben werden, und weil überdies die im GATT vorgesehene Verringerung der agrarischen Exportstützungen eben nicht für den europäischen Binnenmarkt gilt.

Zunächst drohen unseren Bauern freilich große Einkommenseinbußen, aber der im GATT-Abkommen vorgesehene Subventionsabbau kann ein leichtes Ansteigen der Weltmarktpreise, etwa für Getreide, bewirken und damit den Aufwand für interne

Die Bauern werden ihre Produktion verringern müssen, doch wird man ihnen ihre Leistungen für den Landschafts- und Naturschutz künftig eben aus öffentlichen Mitteln zu bezahlen haben. Weil die Einhaltung notwendiger Umweltnormen, auch im Interesse fairer Wettbewerbsbedingungen, international loch nicht gesichert ist, wollen die Franzosen, daß sich künftig im GATT ein Umweltbeirat diesen Fragen widmet.

In den letzten Wochen waren die GATT-Verhandlungen ganz auf die Auseinandersetzung zwischen Europa und den USA konzentriert. Alle anderen, weit über hundert Länder, waren bis dahin fast nur Zuschauer. Wir Österreicher sind in der glücklichen Lage, daß unsere Interessen vielfach mit denen der anderen europäischen Industriestaaten übereinstimmen, daß wir also im Kielwasser der Zwölfer-Gemeinschaft mitfahren konnten. Das zeigt, wie wichtig unsere geplante Mitgliedschaft für künftige multilaterale Verhandlungen sein kann.

Weil der internationale Handel läriCTst nirht mphr allpin dnrrh Zölle und Einfuhrquoten behindert wird, hat das GATT seine im Gründungsjahr 1947 gezogenen Grenzen zwangsläufig längst überschritten. In der jetzt abgeschlossenen Uruguay-Runde wurden neue Zuständigkeiten in großer Zahl festgelegt oder angepeilt: Landwirtschaft, Subventionen, Entwicklungshilfe, Handelsschiffahrt, Patentrecht, Umweltdumping. In einem eigenen GATT-Abkommen (für „Services”) sind jetzt die im Welthandel immer wichtiger werdenden Dienstleistungen angesprochen: Auslandstätigkeit von Banken und Versicherungen, Werbung, Marketing, Transport-Bereiche also, die nun erst in Ansätzen geregelt werden, die aber keinesfalls unterschätzt werden dürfen. Auch da, wie im reinen Warenverkehr, erwartet die österreichische Wirtschaft von den neuen ' Vereinbarungen mehr Sicherheit für die Planung und Durchführung ihrer Geschäfte. Sie könnte durch die ins Auge gefaßte Umwandlung des GATT in eine Welthandelsorganisation weiter gestärkt werden.

Sozialer Ausgleich?

Die Verhandlungen über das neue Abkommen, das Anfang 1995 in Kraft treten soll, wurden vor über sieben Jahren in Punta del Este (Uruguay) eingeläutet. Sie sollen im kommenden April in Marrakesch (Marokko) feierlich besiegelt werden. Der Hinweis auf die Rolle der Entwicklungsländer im Welthandel ist damit deutlich gegeben. Doch deren wirtschaftliche Anliegen sind sehr unterschiedlich, die lateinamerikanische „Gruppe von Rio” gibt anderen Interessen den Vorrang als die Entwicklungsländer Asiens oder die Afrikas. Wie weit der „soziale Ausgleich” zwischen den Industriestaaten und der Dritten Welt damit tatsächlich gefördert wird, muß sich erst zeigen.

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