Der Finanzplatz London ist unentbehrlich

London war und ist ein Magnet für ausländische Banken. Blickt man auf die Internationalisierung dieses Bankzentrums in den letzten Jahren zurück, so ist seit etwa 1965 ein jährlicher Zuwachs von durchschnittlich 25 ausländischen Banken zu beobachten gewesen, die in die City zogen. Insgesamt sind am Ende des Jahres 1980 rund 400 Banken durch Repräsentanzen, Filialen oder Tochtergesellschaften in London vertreten. Daß die Londoner Auslandsbankengemeinschaft wirklich international ist, geht aus der Tatsache hervor, daß 67 Länder direkt vertreten sind, wobei über 100 Banken aus Europa stammen, 72 aus Nordamerika und 30 aus Japan. Belegt man die Bedeutung dieses Bankenplatzes mit Ziffern und Statistiken, so sollte die Tatsache nicht unerwähnt bleiben, daß nur etwa 10 der 100 größten Banken der Welt nicht in London vertreten sind.

In den Anfängen des internationalen Bankgeschäftes in London war es vor allem der Zutritt zum Pfund Sterling, der ausländische Banken anzog. Dazu kamen andere Geschäftsaktivitäten, die vom Versicherungswesen bis zur Schiffahrt reichten. Mit dem Entstehen des Euromarktes, der als ein grenzüberschreitender Geld-, Kredit- und Kapitalmarkt umschrieben werden kann, kristallisierte sich London als Zentrum für den entstehenden, vorerst auf US$ konzentrierten, Markt heraus.

Ein erst in jüngster Zeit aufgetretener Aspekt ist das Angebot von Petrodollar, die zu einem beachtlichen Prozentsatz in die Londoner City fließen, was insgesamt eine Eskalation der nach 1973 aufgetrete-

nen Probleme verhinderte. Das Recycling der US$ aus dem Mittleren Osten war nur auf Grund der Vielzahl, Internationalität und Effizienz der in London ansässigen Banken möglich.

All die vorhin genannten Aspekte gemeinsam mit dem vermehrten Auslandsengagement der Girozentrale haben die Bank veranlaßt, den Schritt nach London zu tun, Seit nunmehr einem Jahr ist die Girozentrale in London vertreten und mit der am 3. November erfolgenden Umwandlung in eine Filiale wird die Österreichische Wirtschaft noch enger und unmittelbarer mit einem der wichtigsten Welthandelsplätze verbunden sein. Über das reine Bankgeschäft in Form von Devisenhandel, Beteiligung an Eurokrediten und Euroanleihen hinaus, kommt der Präsenz einer österreichischen Bank in London eine für den Außenhandel Österreichs bedeutende Funktion zu. Es können neue Exportmärkte - sowohl in England als auch in den Commonwealthländern - erschlossen werden, die Verwirklichung eines Anliegens, das als vital für die Prosperität Österreichs angesehen wird. Die intermediäre Funktion der Girozentrale zwischen den inländischen Unternehmen und ihren - neuen - Absatzmärkten im Ausland wird durch die Filiale der GZ in London eine neue Bedeutung gewinnen.

In London willkommen

Schon aufgrund bisheriger Erfahrungen und bei realistischer Beurteilung der Lage ist an eine übermäßig rasche Expansion in London nicht

zu denken. Die GZ macht dort fürs erste Eurokredit, also internationale Finanzierungen, die auf dem Euromarkt refinanziert werden; weiters Devisen- und Depothandel; daneben wird die Marktnähe ermöglichen, die Eurobond-Aktivitäten der GZ auszubauen. Bei der Exportfinanzierung wird von Fall zu Fall entschieden, ob sich das Geschäft dazu eignet, am Londoner Platz gemacht zu werden oder von Wien aus. Die geplante Entwicklung des Geschäftsvolumens ist auf die Prinzipien der Londoner City abgestimmt, soweit nicht ohnedies die Richtlinien der Österreichischen Notenbank berücksichtigt werden müssen. Die Bank of England als oberste Autorität in London begrüßt und fördert das Auftreten neuer Partner. Andererseits sieht sie es aber gerne, wenn Banken nur Schritt für Schritt ihre Aktivitäten ausweiten.

Investoren nach Österreich_

Die Vorteile für den einzelnen Exporteur liegen auf der Hand. Nicht nur der britische Markt rückt in eine auch für den österreichischen Mittelbetrieb administrierbare Nähe, auch die Überseemärkte werden transparenter und verlieren damit viel von ihrem Risiko. Multinationale Unternehmen und Handelshäuser betreuen von London aus ihre Übersee-Märkte und stellen ein noch kaum abzuschätzendes Informationspotential dar.

Der Anteil der Großbritannienexporte am gesamtösterreichischen Export betrug zuletzt knapp 5 Prozent. Dieser Anteil erscheint ausbaufähig; das wäre schon deshalb

wünschenswert, weil die Exporte ohnedies angekurbelt werden müssen. Umso mehr, als sich die Handelsbilanz Österreichs mit den Briten zuletzt nicht gerade günstig entwickelte. Im Vorjahr konnte in den ersten 7 Monaten ein Handelsbilanzüberschuß von fast 1 Milliarde Schilling erwirtschaftet werden; heuer ergab sich ein Minus von ca. 300 Millionen Schilling. Sicherlich ist daran auch die aktuelle britische Wirtschaftsflaute schuld; aber gerade diese Konjunkturanfälligkeit der Exporte kann durch bessere Kontakte wesentlich abgebaut werden.

Aber der Handel ist keine Einbahnstraße. Den ausländischen Unternehmen andererseits, die mit Österreichern Handelsbeziehungen haben, bzw. in Österreich investieren wollen, wird österreichisches Know-how angeboten. Zudem wird beispielsweise in den Londoner Europa-Zentralen von US-Firmen meist entschieden, wo investiert wird. Hier können Kontakte für eine Entscheidung zugunsten Österreichs ausschlaggebend sein. Darüber hinaus sind Informationen über das Ost-West-Geschäft in aller Welt gefragt. Und österreichische Unternehmen genießen als Informationsquelle diesbezüglich einen ausgezeichneten Ruf. So gesehen stellt die Präsenz der Girozentrale auch eine echte Bereicherung des Londoner Platzes dar.

Stark aufgewertet wird dadurch nicht zuletzt die Position der Sparkassen in Österreich. Durch ihren „direkten Draht" nach London über ihr Spitzeninstitut erfolgt zwangsläufig ein Ausbau der internationalen Kontakte, was wiederum der österreichischen Exportwirtschaft und insbesondere den Mittelbetrieben als die wichtigste Kundengruppe der Sparkassen, zugute kommt.

Girozentrale/London