6837468-1975_23_06.jpg
Digital In Arbeit

Der Fuchs aus Tripoli

Werbung
Werbung
Werbung

Nach nur dreitägiger Amtszeit ak zeptierte der libanesische Staatsprä sident Suleiman Frandschiej die De mission der achtköpfigen Militär regierung unter Brigadegenera Nureddin er-Rifai. Der Rücktrit war unumgänglich geworden, nach, dem die gesamte muse4mams€h< Führerschaft des kleinen Levantelandes gegen die Manipulation de: politischen Mehrheitsverhältnissi protestiert und die Bürgerkriegsstimmung rapide zugenommen hatte Das Faß zum Überlaufen brachtet nach libanesischer Ansicht jedocl die ungewöhnlich heftigen israelischen Angriffe auf den Südlibanon Beiruter christliche Politiker resümieren jetzt bitter, Jerusalem habt sich selbst und den politischen Verhältnissen in seinem nördlicher Nachbarland einen denkbar sohlechten Dienst erwiesen.

Israelische Panzer- und Artillerieverbände hatten den seit Monater stärksten Angriff auf ein libanesisches Grenzdorf vorgetragen. Dei Angriff richtete nach amtlichen libanesischen Angaben schwere Schäder an. Zum erstenmal seit längeren wurden dabei die Israelis in direkt&#171; Kämpfe mit libanesischen Armeeeinheiten verwickelt. Beiruter Kenner der Verhältnisse behaupten, dei Überfall habe mit großer Sicherheil ein politisches Ziel gehabt. Die Christen im Libanon, die Streikräfte unc die Militärregierung hätten durch ihn ermutigt werden sollen, den Widerstand der Palästinenser endgültig niederzuringen.

Sieht man davon ab, so ist die ra-

sche Demission des Militärkabinettes im Libanon vor allem darauf zurückzuführen, daß die Armeeführung unter dem maronitischen Generalslabschef Iskander Ghanim ihrer Truppen nicht mehr sicher sein konnte. Muselmanische Soldaten &#171;&#171;sollen- sich - offen- - geweigert &#9632; haben,

auf muiseJmanisohe Demonstranten oder Palästinenser zu schießen.

Staatspräsident Frandschiej empfing nach dem Rücktritt des Militärkabinettes den Moslempolitiker Raschid Kerami. Der mehrfache frühere Regierungschef, der die größte und als gemäßigt geltende Moslempartei anführt, hatte sich schon vor der Ernennung der Regierung er-Rifai geweigert, die politische Verantwortung für die Beilegung der innerpolitischen Auseinandersetzungen ohne weitreichende Vollmachten zu übernehmen. Es wird behauptet, Keraimi strebe den Posten des Staatschefs und die Einführung einer Präsidialdemokratie ohne Rücksichtnahme auf die komplizierten religiösen Mehreits- und Minderheitsverhältnisse an.

Die Öffentlichkeit wurde unterdessen vom Mob regiert. Viele Reiche besorgten sich Flugtickets für das Ausland. Mittelstandsfamilien flohen in die benachbarten Bergdörfer. Ihre leerstehenden Behausungen waren ein Opfer der Plünderer. Die Straßenschluchten Beiruts, in denen

jedes normale Leben erstorben war, hallten wider vom Geräusch der Artillerie-, Maschinengewehr-, Panzer-, Granatwerfer- und Raketensalven. Bemerkenswerterweise funktionierten aber noch immer die öffentlichen Versorgungseinrichtungen, mit -Ausnahme der Postzustel-

lung. Auch der Weg zum internationalen Flugplatz war frei für alle, die Heckenschützen und Barrikaden nicht fürchteten.

Im christlichen Lager machte sich unterdessen die Vorstellung breit, daß es nicht länger um die Verteidigung wirtschaftlicher und sozialer Privilegien unter dem Vorwand der Religionsfreiheit gehen könne, sondern um eine grundsätzliche Neuordnung der innerpolitischen Verhältnisse unter Beiseitelassung religiöser Gegensätze. In dieser Situation kann nur noch ein Zuamraen-stehen von muselmanischem und christlichem Mittelstand das absolute Chaos verhindern. Schon kämpfen auf den Straßen keineswegs mehr Christen gegen Moslems oder Libanesen gegen Palästinenser, sondern Christen gegen Christen und Moslems gegen Moslems.. Das beweist eindringlich, daß es hierzulande um einen sozialen, nicht um einen religiösen Konflikt geht. Ihn zu lösen, traut man nur noch dem 54jäh-rigen „Fuchs aus Tripoli“, Raschid Kerami, zu.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung