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Der Glaube im Lernbuch

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Der unlängst von Rom - nur den Bischöfen in aller Welt- vorgelegte Entwurf eines Weltkatechismus wurde und wird heiß diskutiert. Welchen Dienst kann ein solcher Text der Kirche leisten?

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Der unlängst von Rom - nur den Bischöfen in aller Welt- vorgelegte Entwurf eines Weltkatechismus wurde und wird heiß diskutiert. Welchen Dienst kann ein solcher Text der Kirche leisten?

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„Zeitungsnotiz, Lima, März 87: ...Es spricht der Familienvater Porfirio X.: .Heute verdiene ich mir mein Leben, indem ich alle drei Tage 1/41 meines Blutes verkaufe. Mitden 100,-Intis, die sie mir dafür geben, kann ich Milch für meine drei Monate alte Tochter kaufen... Inzwischen habe ich allerdings schwere Symptome von Anämie, und ich weiß nicht, wie lange sie mein Blut noch kaufen werden...'

„Porfirios Abendmahl" •

,Nimm hin,

dies ist mein Blut'-

antiquierte Worte

aus vergessener Kindheit,

die nur noch Achselzucken

und Spott hervorrufen?

Wer glaubt schon an so etwas?

Ich glaube daran, Sein Beispiel ist seither unter uns. Sein Liebesstrom nahm Platz im Herzen des Familienvaters Por- firio

unter seiner blassen Haut, inmitten seines ausgehöhlten Ge- sichtes,

in seinem entschlossenen Lächeln für das Leben. So gestärkt, hat er die Kraft zur all-dreitäglichen Wallfahrt zur Ambulanz...

Ach, würden wir doch alle Ihn ankommen lassen in unser Le- ben,

würden wir doch alle

die antiquierten Worte

Fleisch werden lassen,

würden wir Sein lebendiges Blut

in unsere Welt einfließen lassen,

vielleicht gäbe es dann andere

Überlebenschancen,

als seine Familie

mit dem eigenen Blute zu speisen."

(Cristy Orzechowski, Hoffnungstränen. Meditationstexte aus Lateinamerika, Salzburg 1988,52,51.)

Ist dies katechetische Sprache?

Oder ist das folgende katecheti- sche Sprache?

„ Wenn der Priester über Brot und Weindie Worte Christi spricht: „Das ist mein Leib - das ist mein Blut", werden Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi verwan- delt. Dieser Teil der heiligen Messe heißt die Wandlung. Unter den Ge- stalten von Brot und Wein bringt Christus, unser Hoherpriester, sich durch den Dienst des Priesters dem Vater als Opfer dar und gibt sich uns zur Speise. Durch ihn und mit ihm und in ihm dürfen auch wir uns dem Vater darbringen; ihn dürfen wir als himmlische Speise empfan- gen. Die Feier der heiligen Euchari- stie ist ein sichtbares Opfer, das wir durch Christus darbringen, und ein heiliges Mahl, das Christus uns be- reitet."

(Katholischer Katechismus der Bistümer Deutschlands, Freiburg 1955,147)

In der Reformationszeit wurde es bedeutsam, daß man den Glauben der Reformatoren deutlich festleg- te. Martin Luther formulierte sei- nen Katechismus. Natürlich mußte die römisch-katholische Kirche damit ebenfalls ihren Glauben prä- zisieren und ihre Spezifika ausfor- men. Der „Catechismus Romanus" - vom Konzil von Trient in Auftrag gegeben - ist eine Formulierung der rechtgläubigen katholischen Lehre im Sinne eines theologischen Kom- pendiums in Abgrenzung zur Re- formation.

Er formuliert den Glauben im Sinne eines Fürwahrhaltens positi- ver Sätze. Dieser Katechismus hat- te allgemeine Gültigkeit für die gesamte damalige Kirche. Eine ähnliche Grundtendenz verfolgt der derzeit in Auftrag befindliche „Weltkatechismus", der die positi- ven Lehrsätze des römisch-katho- lischen Glaubens für alle Regionen der Weltkirche festlegen will.

Was ist ein Katechismus, was ist katechetische Sprache nach dem heutigen Stand der katechetischen Diskussion? Zur Beantwortung dieser Frage sind folgende drei Aspekte zu bedenken, die als Kon- sens in der katechetischen Dis- kussion angesehen werden können:

1. Ein Katechismus für die Dar- stellung des katholischen Glaubens muß fachtheologisch stimmig die Substanz der Glaubens- und Sit- tenlehre der katholischen Kirche darstellen. Er basiert auf dem An- spruch, daß der Glaube aussagbar sei, daß man darüber jedermann Rechenschaft ablegen können müs-. se. Der Glaube muß einer logischen, theo-logischen Reflexion standhal- ten. So gesehen ist die Behauptung mancher Kreise, daß man verschie- dene Sorten von Engeln oder Na- men von Dämonen zu einem Haupt- gegenstand der religiösen Erzie- hung machen müsse, eine theologi- sche und katechetische Konkursan- meldung.

Halten wir fest: Ohne Frage muß ein Katechismus die Substanz der theologischen Reflexion über den katholischen Glauben beinhalten. Aber dies muß man von einem dogmatischen Kompendium oder einem moraltheologischen Lehr- werk genauso erwarten.

2. Über die theo-logische Refle- xion des Glaubens hinaus sind die Verstehensvoraussetzungen, die elementaren Grundsituationen, die Lebens- und Todeslinien der jewei- ligen Gesellschaft zu berücksichti- gen, in die hinein der katholische Glaube weiter zu sagen ist. „Wenn es beim alten bleiben soll, darf es nicht beim alten bleiben", so for- mulierte der Freiburger Theologe Franz von Baader im letzten Jahr- hundert; damit ist gemeint, daß die überkommenen Glaubensformeln, die in dogmatischer Sprache wei- tertradiert werden, in einen kom- petenten Dialogprozeß mit den gesellschaftlichen Voraussetzungen einzubringen sind, damit der Glau- be in seiner alten Ursprünglichkeit verstehbar wird und neu stimulie- rend vernehmbar bleibt.

Ein Beispiel ist die katechetische Rede über die Krankensalbung, die sich angesichts der Apparatemedi- zin, der Lebensverlängerungsmög- lichkeiten, der Transplantations- zentren nicht nur auf dogmatische Aussagen reduzieren darf.

3. Der dritte wichtige Strang, der einen Katechismus zum Katechis- mus macht, ist die Situation der „Adressaten" des Katechismus. Was zunächst von vorneherein plau- sibel erscheint, daß ein siebenjäh- riges Kind einer anderen kateche- tischen Sprache bedarf, als ein 18jähriger Maturant wird oft miß- achtet. Das Problem ist die mit den verschiedenen Phasen des Lebens- laufes zusammenhängenden Ände- rungen der Wahrnehmungsmög- lichkeiten des Menschen. Die Pu- bertätskrise ist gleichzeitig ein Ablösungsprozeß, bei dem bisher gültige Autoritäten in Frage gestellt werden, neue Argumente erforder- lich sind und der kindliche Glaube transformiert werden muß.

Wenn man einen dieser drei Stränge untergewichtet oder über- gewichtet, dann werden damit Sackgassen produziert. Überge- wichtet man den Strang der theolo- gischen Formulierung im Sinne der traditionellenDogmatik-daßDog- matiker die Determinante Gesell- schaft schon einbeziehen ist nicht die Regel - dann lernen die Schüler Theologiekunde, aber nicht das Leben in der dynamischen Jesus Christus-Beziehung.

Übergewichtet man die Konstan- te „Gesellschaft" - die selbstver- ständlich immer im Fluß ist und alle fünf bis zehn Jahre neu verge- wissert werden muß - dann führt dies zu einem Konzept von religiö- ser Erziehung im Sinne von Sozial- kunde mit den üblichen, mit der Zeit überdrüssig machenden The- men Gastarbeiter, Rauschgift, Sexualität, Entwicklungshilfe und anderen, wobei diese Themen sehr wohl theologische Grundlagen hätten.

Übergewichtet man den Strang „Adressat", dann führt dies dazu, daß die Verstehensvoraussetzungen von vierzehnjährigen Jugendlichen, ihr Interesse und ihre Neigungen Themen wie „Trinität" in der Regel verhindern. Eine solche Art von „schülerorientiertem Religionsun- terricht" ist pure Anpassung, da ein spiralförmig weiterführendes Dazulemen ausgeschlossen wird, ja gar nicht vorgesehen ist.

Der katholische Glaube basiert auf der freien, von Gott kommen- den Offenbarung und Zuwendung, die menschlicher Verfügung und Machbarkeit entzogen ist und die man sich nicht nur durch entdek- kendes Lernen „erarbeiten" kann.

Ein Katechismus ist nach wis- senschaftlichen Kriterien der Ka- techetik nur dann ein Katechismus, wenn er diese drei Stränge „Fach- wissenschaft Theologie", „Gesell- schaft" und „Adressat" aufeinan- der bezieht und bündelt. Die Ziele und Inhalte des Katechismus sind also die Konvergenz zwischen die- sen drei Determinanten. Man kann dies vergleichen mit drei Flüssen, deren Wasser drei verschiedene Farben haben und die zu einem großen Strom werden. Jede dieser drei Determinanten gibt dem Fluß Farbe. Keine dieser Farben ist unwichtig, wenn religiöse Erzie- hung sowohl begrifflich stimmig sein soll, wie auch die existentielle Hingabe an Jesus Christus für ganz konkrete Menschen in verschiede- nen Lebensphasen in einer konkre- ten Gesellschaft intendieren will.

Daraus resultiert, daß ein Welt- katechismus nicht die in den ver- schiedenen Weltregionen anders vorkommenden gesellschaftlichen Plausibilitäten („Gesellschaft" und „Adressat") schon integrieren kann. Die Grenze liegt ja gerade in die- sem Mißverständnis, daß manche Gruppen dann in den Hoch-Anden, in Westeuropa und auf den Philip- pinen schlichtweg nach diesem Weltkatechismus katechetisieren, ohne ihn zu enkulturieren.

Ein lateinamerikanischer Bischof - spezialisiert in seiner Bischofs- konferenz auf Katechese - sagte mir: „Du wirst sehen, dieser Welt- katechetismus führt zu großem Streit bei uns, weil manche Grup- pen dann nur noch katechetische Materialien approbieren, die alle Einzelheiten des Weltkatechismus beinhalten. Von der Hierarchie veritatum halten sie nichts. Wird er aber ein dogmatisches und moral- theologisches Kompendium, aus dem wir unserer prekären Situa- tion entsprechend Katechese gestal- ten können, ist ein Weltkatechis- mus ein hilfreicher Bezugsrahmen."

Inhaltlich kann ich zum derzeit vorliegenden Entwurf nicht Stel- lung nehmen, da ich ihn nicht im Original kenne.

Unter katechetischen Gesichts- punkten wird es nach obiger Argu- mentation entscheidend sein, wel- che Funktion man einem Weltkate- chismus zuweist und wie er rezi- piert wird: als Bezugsrahmen oder als Detailraster für bis in Klein- lichkeiten hinein anzustrebende Vollständigkeit. Rom wird hier Entscheidendes dazu beizutragen haben, ob der Weltkatechismus eher eine einheitsstiftende oder zu un- fruchtbarem Streit führende Funk- tion erfüllen kann.

Der Autor ist Ordinarius für Katechetik und Religionspädagogik ander Universität Salzburg.

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