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Der Gott des Christentums und des Islams

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In der Pfingstwoche ereignete sich an der theologischen Hochschule in St. Gabriel (Mödling bei Wien) ein pfingstliches Sprachenwunder. Etwa 200 Tagungsteilnehmer erlebten in dieser Woche das Nebeneinander von Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch. Sie nahmen teil am Gespräch zweier Religionen über Gott, Offenbarung und Glauben. In großen Lettern stand das Motto „Der Gott des Christentums und des Islams” vor den Augen der Professoren und Studenten.

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In der Pfingstwoche ereignete sich an der theologischen Hochschule in St. Gabriel (Mödling bei Wien) ein pfingstliches Sprachenwunder. Etwa 200 Tagungsteilnehmer erlebten in dieser Woche das Nebeneinander von Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch. Sie nahmen teil am Gespräch zweier Religionen über Gott, Offenbarung und Glauben. In großen Lettern stand das Motto „Der Gott des Christentums und des Islams” vor den Augen der Professoren und Studenten.

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Große Namen aus der Welt der Theologie, wie Karl Rahner, Alois Grillmeier, Gisbert Greshake, Walter Kern, Claus Westermann, Gerhard Lohfink, Claus Schedl, Ludger Bernhard, zogen Interessenten an aus dem nahen Wien, aber auch aus dem weiteren Österreich, der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz, aus Ungarn, Polen, Jugoslawien und der Türkei. Aus Kairo kam’Georges Anawati, Direktor des „Institut Dominicain d’Etudes Orientales” und Professor an der Universität von California, Los Angeles, einer der führenden und weltweit anerkannten Gelehrten unserer Zeit auf dem Gebiet der Islamwissenschaft.

Durch einen weiteren Vertreter aus Kairo erhielt die religionstheologische Tagung gleichsam offiziellen Charakter. Es ist dies Professor Ibrahim Madkour, Präsident der „Acadėmie de Langue Arabe” in Kairo. Das offizielle Interesse an diesem Kongreß kam auch durch die Entsendung eines Vertreters des Vatikanischen Sekretariats für Nichtchristen zum Ausdruck. Ar- chimandrit Abou Mokh ist Sekretär dieses Sekretariats und für das Gespräch mit dem Islam zuständig. Namens der Unione Pontificia Missiona- ria, eines Teilbereichs der Propagandakongregation nahm der indische Priester Justinian Cherupallikat an der Tagung teil.

Eingeladen hatte die theologische Hochschule St. Gabriel, die seit den 90 Jahren ihres Bestehens mehr als 2000 Priester ausgebildet und in alle Erdteile entsandt hat. Der Kontakt mit Religionen ist bei dieser Hochschule von Anfang an gegeben. Sie hat seit jeher anthropologische und linguistische Forschung betrieben und sich um die vergleichende Religionswissenschaft bemüht. Ein Mitglied dieser Hochschule, Anton Vorbichler, betreut den religionswissenschaftlichen Lehrstuhl in Wien.

Das Thema der Tagung war dem Gottefcbegriff des Islams gewidmet. Der Begegnung mit den Religionen kommt in unserer Zeit große Aktualität zu, ferner ist die islamische Präsenz in Europa stark angewachsen. Wie Dr. Ismail Balič mitteilte, leben in Österreich etwa 50.000 Moslems, in der Bundesrepublik Deutschland beträgt die Zahl 1,2 bis 1,5 Millionen (so im Buch des Verlages Styria „Moslem und Christen - Partner?”). Der Kongreß in St. Gabriel widmete sich der Begegnung von Moslems und Christen einzig unter theologischem Aspekt.

Ein Kongreß vermag wohl theologische Positionen aufzuzeigen, aber religiöse Menschen finden sich erst wirklich zusammen, wenn die Begegnung auch im Gebet stattfindet. Die Veranstalter hatten mit Recht von vornherein eine gemeinsame Gebetsstunde eingeplant. Darüber hinaus hat die Gebetsgemeinschaft für uns Christen noch eine Erfahrung gebracht, die Gerhard Lohfink deutlich ausgesprochen hat. Lohfink meinte, die Art, wie Prof. Madkour aus Kairo den Koran zitiere, sei für ihn, den Exegeten, ein tiefes Erlebnis, zumal oft genug zu beobachten sei, wie salopp wir Christen mit der Schrift umgehen.

Die inhaltliche Seite des Kongresses brachte als erstes das Referat des Is- lamspezialisten Georges Anawati. Er zeigte auf, daß seit dem Mittelalter, als der Koran sogar ins Lateinische übersetzt wurde, so etwas wie ein Gespräch mit den Moslems nicht mehr stattgefunden hat. Erst das Vatikanische Konzil hat, nachdem im säkularen Bereich durch die Orientalistik längst wissenschaftliche Beziehungen hergestellt waren, zum Islam als Religion Stellung genommen, freilich ohne den Offenbarungscharakter des Koran anzuerkennen.

Eine Wende in der Beziehung zum Islam stellte die Rede Kardinal Königs an der Azhar-Universität in Kairo, dem traditionellen Herzen der muselmanischen Welt, dar. Das erste Mal in der Geschichte dieser Universität hielt ein katholischer Vertreter einen Vortrag, der sogar ins Arabische übersetzt wurde, um seine Verbreitung im muslimischen Raum zu sichern.

Der Kongreß in St. Gabriel ist ebenfalls aus diesem Hintergrund zu sehen. Er brachte der Reihe nach die Darstel lung des Gottesbildes der christlichen und muslimischen Religion. Das christliche Gottesbild ist wesentlich vom Handeln Gottes am Volk Israel geprägt (Claus Westermann), doch hat sich dieser Gott in Jesus Christus in endgültiger Weise geoffenbart (Gerhard Lohfink). Die theologische Weiterführung zeigt, daß von Gott nur die Rede sein kann, wenn er als trinitari- scher Gott verstanden wird. Wie Karl Rahner (er selbst war krankheitshalber nur durch sein. Referat vertreten, doch sprachen in seinem Namen seine

Ordensbrüder W. Kern und A. Grillmeier) darlegte, stellt die Trinität sogar eine Radikalisierung des Monotheismus dar. Der Wiener Dogmatiker Gisbert Greshake ergänzte die trinita- rische Ausführung Rahners von der anthropologischen Seite her. Christliche Anthropologie ist eigentlich angewandte Trinitätslehre.

Die islamische Seite kann weder die Offenbarung über die inkarnatorische Struktur des Christentums mitvollziehen, noch in trinitätstheologischen Spekulationen einen Sinn sehen. Wohl gibt es auch im Islam verschiedene Schulen bis hin zur Mystik, doch sind für den orthodoxen Muslim, wie Prof. Madkour ausführte, solche theologi sche Fragen eitel und unnütz. Für den Gläubigen gibt es weder eine direkte Schau der Natur Gottes, noch seiner Wesenheit, noch eine Beziehung der Wesenheit Gottes zu seinen Attributen.

Wie die Tagung gezeigt hat, bewegt sich die Begegnung zwischen den beiden Religionsgemeinschaften weitgehend noch im Stadium des Sich-Ken- nenlemens. Es wurde aber offen geredet, mitunter standen die Positionen schroff nebeneinander, vor allem aber wurde jede falsche Verbrüderung vermieden. Die christlichen Theologen brachten zum Ausdruck, daß christliche Theologie ebenso einfach und schlicht den Glauben darzustellen vermag wie es die muslimischen Partner getan haben.

Alles in allem wurde der Wunsch nach weiteren Begegnungen ausgesprochen. Der Vertreter des römischen Sekretariats sah in dem Kongreß sogar ein Modell für solche Veranstaltungen. Die Referate werden in der Reihe „Beiträge zur Religionstheologie” des Verlages St. Gabriel als Band 2 erscheinen.

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