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Der Gott Jesu Christi

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Der Gottesbegriff des Alten Testaments ist in den einzelnen Schichten der alttestamentlichen Tradition nicht einheitlich. Für die Patriarchenzeit (etwa erste Hälfte bis Mitte des 2. Jahrtausends vor Chr.) ist der „Gott der Väter” belegt: Der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs. Der Vätergott war der Gott einer wandernden Beduinensippe, die in der biblischen Zeit meist schon am Übergang zu festsiedelnden Lebensformen im palästinensischen Kulturland war. Daher finden wir sehr bald Identifikationen des Vatergottes mit dem obersten Gott der Kanaanäer, El. Es sollen nur zwei Beispiele genannt werden: Genesis 14, 17-24 wird Abraham im Namen des höchsten El, der Himmel und Erde geschaffen hat, von Melchi- sedek gesegnet. Das bedeutet die Übernahme der Eigenschaften des kanaanäischen Weltschöpfergottes durch den Gott der Patriarchensippe Abrahams. In der Jakobstradition findet sich die Übernahme eines kanaanäischen El-Heiligtums motiviert durch die Geschichte von der Himmelsleiter (Genesis 28, 10-19).

Von den in Ägypten verknechteten protoisraelitischen Sippen wurde nun der Gott der Väter, sehr wahrscheinlich infolge des religiösen Erlebnisses des Mose, mit dem Gott Jahve gleichgesetzt, der höchstwahrscheinlich bis dahin ein Gott kenitischer Sippen auf der Sinai-Halbinsel und in benachbarten Gebieten war. Dieser Gott Jahve wurde von Israel als geschichtsmächtiger Gott empfunden, der die Geschicke seines Volkes zum Heil zu lenken imstande ist. So wurde das Erlebnis des Auszugs aus Ägypten und des Durchzugs trockenen Fußes durch das Schilfmeer, in dem dann eine ägyptische Reiterabteilung untergegangen ist, als heilsgeschichtliche Großtat dieses Gottes Jahve verstanden, der im Laufe einer weiteren Entwicklung als der Bundesgott schlechthin empfunden wurde.

Nach der Landnahme in Kanaan, dem Land der Verheißung, galt Jahve als der Gott dieses Landes und seine Kultstätte auf dem Zionsberg als die Mitte des Kosmos. Durch die Theologie der großen Geschichtswerke des Alten Testaments und insbesondere durch die Theologie der Propheten wurde Jahve nicht nur zum einzigen Gott seines Volkes, sondern auch zum Herrn über die Geschicke der Nachbarvölker, die der Gott Is raels auf reizt, we.nn sein Volk sündigt, die er aber im Bann hält, wenn es ihm die Treue hält.

Die Vorstellung von der Geschichtsmächtigkeit Jahves führte dazu, daß unter den Voraussetzungen des Babylonischen Exils seit dem 6. Jahrhundert vor Christus der Gott Jahve als der einzige Gott galt, dem auch die anderen Völker verpflichtet wären. Israel, das sich nunmehr im Exil bekehrt hat, wird nach Jesaja 44, 28-45, 4, vom persischen König Kyros befreit. Kyros kam nach dieser Vorstellung zur Macht um der Befreiung Israels willen. Er selbst muß den Gott Israels gar nicht erkennen. Er ist Werkzeug der Heilsfügung Gottes.

Erst vom 6. Jahrhundert an können wir also von einem reinen Monotheismus sprechen. Jetzt gilt Jahve nicht mehr nur als der einzige Gott Israels und der Herr des Landes Israel, sondern als der einzige Gott überhaupt, der die ganze Welt geschaffen hat und auf den daher alle verpflichtet werden. Jedoch nur Israel weiß um diese Verpflichtung. Religionsgeschichtlich wurden somit die Diener des einzig wahren Gottes zu den einzig wahren Dienern Gottes, wodurch eine Entmy- thologisierung der heidnischen Götter einsetzte, die Ohren haben und nicht hören, und Augen haben und nicht sehen.

Zur Zeit Jesu war dieser monotheistische Gottesbegriff im Judentum von allen Schichten und religionspolitischen Gruppen allgemein anerkannt. Der Gott Israels galt als Bundesgott, der im selben Maß sein Volk schützt, wie er es in Dienst nimmt und im Fall des Ungehorsams bestraft.

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