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Der Grabenkrieg hat nun begonnen

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Der Wahlkampf hat in Niederösterreich schon vor Wochen begonnen. Jetzt wurde die dazugehörige Landtagswahl vorverlegt. Von ursprünglich 8. April 1984 auf nunmehr 16. Oktober 1983.

Mit Mehrheit beschlossen hat die Wahlvorverlegung die blaugelbe ÖVP. Sie war im nun aufgelösten Landtag mit 29 Mandaten vertreten. Offizieller Vorverlegungsgrund: die Vorverlegung der Arbeiterkammerwahlen von Juni 1984 auf den ursprünglichen Landtägswahltermin. Der bundesweit geführte Arbeiterkammer-Wahlkampf hätte die Landesprobleme überlagert. Heißt es in der ÖVP.

Gegen die Wahl Vorverlegung hat sich die SPÖ (bisher 27 Man-

date) ausgesprochen. Ihr Argument: es gebe noch viel Arbeit für den Landtag. Auch das Arbeitsklima zwischen ÖVP und SPÖ sei „geradezu freundschaftlich“.

Mitten in der Vorverlegungsdiskussion hat nun die SPÖ selbst dieses „geradezu freundschaftliche“ Klima radikal unterkühlt. Sie hat der ÖVP unterstellt, sie zahle dem in die WBO-Affäre verwickelten ehemaligen VP- Landesparteisekretär Walter Zimper „Schweigegeld“. Und stellte damit in den Raum, daß Landeshauptmann Siegfried Ludwig mehr über Zimpers finanzielle Transaktionen aus dem Imperium von WBO-Chef Ernst

Rauchwarter wisse, als die Gerichte erfahren dürften. Diesen Schlag unter Ludwigs Gürtellinie führte ein Blatt, das die SPÖ nur in Wahlkampfzeiten herauszugeben pflegt.

Dieser Angriff hat zweifellos den Entschluß der ÖVP beschleunigt. Denn Zimpers Berufungsverfahren gegen das Eisenstädter Landesgericht, das ihn in erster Instanz zu drei Jahren Gefängnis verdonnerte, könnte gerade im Frühjahr 1984 ins entscheidende Stadium treten. Neuer Ballast also für die blau-gelbe ÖVP, der die Nationalratswahlen einen klaren Stimmenvorsprung vor der SPÖ bescheinigt hatten.

Inzwischen hat allerdings auch SPÖ-Landesobmann Leopold Grünzweig zugegeben, daß seine Partei schon heimlich mit der Wahlvorverlegung gerechnet hatte. Er hat inzwischen auch schon sein Wahlziel genannt: „Die SPÖ soll stärkste Kraft im Land werden.“

Überraschenderweise erhob Grünzweig, derzeit 2. Landeshauptmannstellvertreter, keinen persönlichen Anspruch auf Ludwigs „Thron“. Seine Erklärung dafür: „Namen sind Markenzeichen für bestimmte Gesinnungsgemeinschaften. Der Name Ludwig zum Beispiel steht für ein bestimmtes politisches System.“

Womit Grünzweig wiederum auf den WBO-Prozeß anspielte. In Eisenstadt verschanzte sich nämlich Walter Zimper immer wieder hinter dem „politischen System“, dem er als Spitzenfunktionär gedient hatte.

Siegfried Ludwig seinerseits hofft auf den Gewinn eines 30. Mandates. Die ÖVP hat es bei den Landtagswahlen 1979 nur um knapp 10.000 Stimmen verfehlt. Die verlor sie vor allem an den ÖVP-Abweichler Dr. Kurt Wedel. Der aber ist jetzt Chef der von Ludwig ins Leben gerufenen „Umweltschutz-Akademie“ des Landes. Ludwigs Hoffnung ist also berechtigt.

Genauso berechtigt ist allerdings auch Grünzweigs Hoffnung. Bei den letzten Landtagswahlen betrug der Vorsprung der ÖVP nur noch 36.000 Stimmen. Grünzweig rechnet nun vor allem mit den etwa 160.000 Zweitwohnsit- zern in Niederösterreich. Der SP- Parteiapparat wird alles dranset zen, möglichst vielen von ihnen klar zu machen, daß ihre Wahlbeteiligung erwünscht ist…

Obwohl die SPÖ ihren Wahlkampf offiziell erst mit einem Landesparteitag am 3. September in Baden starten will, hat der Grabenkrieg gegen die ÖVP schon heftig begonnen. Und auch schon merkwürdige Blüten getrieben.

Bei einer Pressekonferenz des SPÖ-Landtagsklubs zog Grünzweig nämlich vernichtende Bilanz unter die Legislaturperiode. Die ÖVP habe „mit einem Großaufwand Geschäftigkeit vorgetäuscht“. Und SP-Klubobmann Hermann Lechner bezeichnete zwei von der VP eingebrachte Landesgesetze — das Jugendförderungsgesetz und das Familiengesetz — als „leere Hülsen“.

Im Bestreben, die ersten Jahre der Ära Ludwig unmöglich zu machen, merkte man offenbar gar nicht, daß man sich ein Eigentor schoß. Denn die Landesverfassung fordert in Niederösterreich die Zusammenarbeit aller im Landtag vertretenen Parteien. Die SPÖ ist also keineswegs Oppositionspartei. Und überdies hat sie bei der Verabschiedung der beiden „leeren Hülsen“ brav mit der ÖVP mitgestimmt.

Der Herbst dürfte Niederösterreich vermutlich den bisher härtesten Landtagswahlkampf bescheren. Mit manchem Foul. Nur der Katholikentag wird einen kurzen „Waffenstillstand“ bringen.

Übrigens: Wenn die Legislaturperiode wirklich, so mies war, warum ist die SP der VP nicht für die Wahl vor Verlegung dankbar?

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