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Der Heilige Stuhl und die Finanzen

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,.Niemand kann in' dieser Welt leben, ohne sich überhaupt um Geld zu kümmern." Diese banale Wahrheit diente auch dem Bankier des Papstes, Erz-bischof Marcinkus, um sich gegen ein Gerede zu wehren, in das er und die Vatikan-Finanzen jüngst weltweit geraten sind.

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,.Niemand kann in' dieser Welt leben, ohne sich überhaupt um Geld zu kümmern." Diese banale Wahrheit diente auch dem Bankier des Papstes, Erz-bischof Marcinkus, um sich gegen ein Gerede zu wehren, in das er und die Vatikan-Finanzen jüngst weltweit geraten sind.

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Johannes Paul II. selbst hat jetzt versucht, den Gerüchten ein Ende zu machen. Er ließ den Schleier traditioneller Geheimnistuerei lüften und wagte vor dem gesamten Kardinalskollegium, ja zum ersten Mal in der Kirchengeschichte vor den Augen des ganzen „Gottesvolkes" einen pauschalen Kassensturz.

Was zum Vorschein kam, zerstört Legenden und ist doch peinlich genug. Es bewog den Papst, seine Gläubigen noch mehr zum Klingelbeutel zu bitten, auch um naive Prälaten seines Hauses künftig vor der Versuchung gewagter Spekulationen zu bewahren.

Begonnen hatte alles mit dem Schreck, den die Pleite und der mysteriöse Tod des Mailänder Bankiers Calvi auslösten. An seinem „Banco Ambrosiano" war, wenn auch mit kaum zwei Prozent, jenes vatikanische „Istituto per le Opere Religiöse" (IOR) beteiligt, das seirien frommen Namen den Geldeinlagen verdankt, die für „religiöse Werke", alsokirchliche und karitative Zwecke bestimmt sind. Ist aber dieses IOR deshalb, wie Staatssekretär Casa-roli seine Kardinalskollegen aus aller Welt belehrte, „keine Bank im üblichen Sinne des Wortes"?

Vielleicht, weil das Institut seine Gewinne nur religiösen Zwek-ken zuwenden darf und weil das Kapital, das ihm anvertraut ist, nur aus kirchennahen Kassen stammen soll, vom Ordensvermögen bis zum Spendenkonto seiner Heiligkeit (Nr. 1616).

Nicht „Vatikan-üblich" ist es, daß - wie in diesem Fall 1942 festgelegt wurde — ein solches Geldinstitut mitten im Vatikan ohne wirksame Aufsicht und ganz unabhängig sowohl von der päpstlichen Vermögensverwaltung wie von allen Ämtern des Heiligen Stuhls operiert. Und ganz gewiß nicht bankenüblich ist, -daß die Leitung bei einem Manne liegt, der nicht Priester geworden wäre, wenn er sich zugetraut hätte, besser mit Gläubigern als mit Gläubigen umzugehen.

So überließ der Amerikaner Marcinkus — mit hemdsärmeligen Umgangsformen auch in der Soutane — dem gerissenen Calvi Pa-tronatsbriefe, mit denen dieser erfolgreich hausieren ging Und Millionenkredite organisierte. Wer wollte auch einem Mann mißtrauen, der offenkundig das Vertrauen „des" Vatikans besaß? Genauere Erkundigungen einzuziehen, schien weder nötig noch möglich, da hier das Bankgeheimnis wie das Beichtgeheimnis gewahrt zu werden schien.

Mit einer Weltfremdheit, die Priestern sehr gut, Bankiers freilich fatal zu Gesicht steht, hat sich die Vatikan-Bank — so Casaroli — „ohne eigenes Wissen zur Verwirklichung eines verborgenen Plans" benutzen lassen. Plötzlich sah sich Marcinkus und mit ihm die ahnungslose römische Kurie in Milliardenschulden von meist dubiosen Briefkastenfirmen verwickelt, an denen IOR formaljuristisch beteiligt worden war, doch meist ohne informiert zu werden.

Nach Calvis Pleite glaubte nun der italienische Staat, den Vatikan zur Kasse bitten zu können, denn immerhin gab es ja jene „Pa-tronatsbriefe". Sind sie nur als unverbindliche Empfehlungen zu werten oder als einklagbare Bürgschaftsgarantien? Der Vatikan hat sich durch drei angesehene internationale Bankexperten, zu denen jüngst noch der 81jähri-ge Hermann Abs gebeten wurde, bestätigen lassen, daß der IOR „weder vom Ambrosiano Konsortium noch von Roberto Calvi irgendeinen Betrag erhalten hat und folglich auch nichts zurückzuzahlen hat". y

Im übrigen seien die fragwürdigen Transaktionen schon vor dem Datum erfolgt, das auf den freundlichen Briefen des Monsi-gnore Marcinkus vermerkt war.

Um diese „Wahrheit festzustellen" (und nicht etwa, um über einen Schuldenkompromiß mit sich reden zu lassen), haf; sich vder Papst jetzt zu einer „italienischvatikanischen Verständigung" bereiterklärt.

Woher sollte er auch das Geld nehmen? Gewiß nicht von seiner Bank, die seit dem Mailänder Reinfall ohnehin in den roten Zahlen stecken dürfte. Ihre Bilanz ließ der Papst allerdings nicht veröffentlichen, wohl aber die Gesamtbilanz des Heiligen Stuhles von 1981, einschließlich jener der Vatikanischen Staatsverwaltung.

Sie zeigt, gemessen an der Mär vom „Reichtum der Päpste" ein ernüchterndes Bild: die Einnahmen von 99,3 Milliarden Lire (1,22 Milliarden Schilling) und Ausgaben von 94,6 Milliarden Lire (1,15 Milliarden Schilling) betragen weniger als ein Drittel dessen, was etwa allein die Diözese Köln 1961 „umsetzte" (4,73 Milliarden Schilling). !

Zieht man von den Gesamteinnahmen das ab, was der Papst aus aller Welt an Spenden erhält, womit er also nicht wie etwa mit Kapitalerlösen oder dem Briefmarkenverkauf sicher rechnen kann, dann verwandelt sich der Uberschuß von 4,7 Milliarden Lire in ein Defizit von 23,9 Milliarden Lire — das sind 300 Millionen Schilling. Es droht sich um so mehr zu vergrößern, als 58 Prozent der Vatikanausgaben durch inflationär steigende Personalkosten (für 3395 Gehalts- und Lohnempfänger sowie für 1567 Pensionisten) bedingt sind; über manche Ausgaben ist im Gestrüpp einer jahrhundertealten Bürokratie die Ubersicht ohnehin verlorengegangen.

Die Kardinäle, vor allem die finanzkundigen amerikanischen und deutschen, legten da den Finger auf manche schwärende Wunde. Bei dem polnischen Papst, dem „kapitalistisches" Gebaren ebenso fremd und zuwider ist wie feudales, fanden sie dabei mehr Gehör als erwartet.

Als ein „nicht-typischer Staat" bedürfe der Heilige Stuhl keiner wirtschaftlichen Aktivität, schon gar nicht „der Bereicherung aus Renditen", sagte er. Die Hauptbasis seines Unterhalts müsse aus „freiwilligen Gaben der Katholiken aller Welt und vielleicht auch anderer Menschen guten Willens" bestehen.

Gegenüber spendierfreudigen Gläubigen sieht der Papst aber auch Pflichten der Vatikan-Bürokratie: mehr Effizienz, keine Verschwendung, keine „ungerechtfertigten Privilegien" — sprich: keine Vetternwirtschaft. Die Kirche soll sich nach der Decke strek-ken.

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