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Der Himmel in aller Herrlichkeit

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Hermann Bahr rühmte vor einem halben Jahrhundert immer wieder die Großartigkeit des Barocks, das Unsagbares, dem kühnsten Denker kaum ahnungsvoll erreichbar, in Zeichen ausgesprochen habe. Ja, er träumte von einem zweiten Barock, zu dem nach Süden, nach einem „inneren Rom“ orientierten, eines, das nach einem „inneren Byzanz“ gerichtet ist. Heute freilich muß man sagen, daß das Barock eine Kontraposition zur Überrationalität unserer Zeit, zu ihrer seelischen Kargheit darstellt.

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Hermann Bahr rühmte vor einem halben Jahrhundert immer wieder die Großartigkeit des Barocks, das Unsagbares, dem kühnsten Denker kaum ahnungsvoll erreichbar, in Zeichen ausgesprochen habe. Ja, er träumte von einem zweiten Barock, zu dem nach Süden, nach einem „inneren Rom“ orientierten, eines, das nach einem „inneren Byzanz“ gerichtet ist. Heute freilich muß man sagen, daß das Barock eine Kontraposition zur Überrationalität unserer Zeit, zu ihrer seelischen Kargheit darstellt.

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Rückt man uns die Werke dieser Zeitspanne vor Augen, wird einem die innere Leere des heutigen Menschen schlagartig bewußt. Eine notwendige Erkenntnis, um nicht alle Maßstäbe zu verlieren. Eben deshalb kommt dem vor kurzem in Salzburg errichteten Barockmuseum, das sich im ehemaligen Gärtnergebäude der Orangerie im Mirabellgarten befindet, besondere Bedeutung zu, eine Bedeutung, die weit über diese Barockstadt hinausreicht. Es werden da Künstlerentwürfe des 17. und 18. Jahrhunderts für monumentale Bauten Buropas vorgeführt, Sammlungen, die der Kunsthistoriker Kurt Rossacher und seine Frau in jahrzehntelanger Zusammenarbeit aufgebaut haben. Daß es Entwürfe sind — vorwiegend für Deckengemälde und Altarblätter — bildet einen besonderen Vorzug, denn in ihnen wirkt, durch das Spontane des Entstehens, sehr oft ungleich mehr vom Kunstessentiellen als in der schließlichen Ausführung.

Nun .bezog Rossacher neueste Mittel der Präsentation ein, das heißt: man sieht nicht nur die Entwürfe — darunter ölskizzen bis zu eineinhalb Meter Höhe —, es werden auch Projektionen, von Musik begleitet, in der Dauer von einer Viertelstunde in kurzen Abständen immer wieder vorgeführt. Es herrscht Dämmer, an den Wänden schimmern die Bilder auf, in der Mitte aber.;erscheinen.auf einer, lotrechten Wand zwischen einem Bildnis von Peter Brandl und einer anmutigen Sandstein-Diana von Giovanni Giuliani die projizierten Entwürfe: Zunächst aus Händeis „Orlando“ Bühnenbildskizzen von Filippo Juvarra für das Privattheater des Kardinals Ottoboni in Rom, vielgegliederte Innenräume mit üppiger Säulenarchitektur. Weiter kosmische Imaginationen von Alto-monte, von Rottmayr, untermischt mit Aufnahmen der NASA, zu sphä-renhafter Musik, die Petr Eben heuer komponierte.

Dann ertönt triumphale Musik von Johann Heinrich Biber, 1670, man sieht auf der Decke die ,,künstlichen Himmel des Barocks“, viele Deckenfresken. Es gab damals noch ein Darüber, nicht nur ein Darunter. In den Schlössern und Klöstern schienen sich die Decken zu öffnen, schwebende, fliegende, auf Wolken lagernde Gestalten bevölkerten diese den Irdischen nahegebrachte Überwelt. Süddeutsche und österreichische Arbeiten sind es, von Rottmayr in der Stiftskirche Melk ausgeführt, von Troger im Benediktinerstift Göttweig, von Tiepolo im Kaisersaal der Würzburger Residenz, von MauZ-bertsch in der Schloßkapelle Ebenfurth, im ehemaligen Barnabiten-kloster Mistelbach.

Im Barock ist alles Bewegung. Die großartige „Vision des heiligen Ilde-fonso“ von Luca Giordano zeigt wie Maria aus himmlischen Höhen herbeischwebt und rings sich flügelnd und flatternd die Heerschar der Engel drängt. Ein Modell für das Deckenfresko in Schloß Bensberg bei Düsseldorf von Gianantonio Pellegrini stellt den Sturz des Phaeton dar, des Helios-Sohns, der die Rosse des Sonnenwagens nicht zügeln konnte. Auf dem Modell für ein Altarblatt von Franz Anton Maulbertsch werden die Dargestellten von Gottvater in himmlischer Helle überragt, aus dem Dunkel um die Irdischen knallen vor allem erregt die Hände, ja, Finger ausdruckstark heraus. Ins Geheimnisvolle verinnerlicht wirkt bei Januarius Zicfc eine „Grablegung“, ein skizzenhaftes Gemälde von besonderer Tiefe, der Tod entrückt in eine andere Dimension. Farben glühen irreal in einer „Legende des Papstes Stephanus“ von Johann Wolfgang Baumgartner auf. Wie sich zeigt, sind es durchaus nicht immer nur die Spitzennamen, von denen die eindrucksvollsten Entwürfe stammen.

Von Rtibens gibt es eine Madonna mit Heiligen in einem merkwürdigen Eigelb, aus dem sich ein Rot, ein Braun herausheben. Durch den scharfen Gegensatz von Licht und Schatten in den Figuren bietet ein Bild mit der heiligen Katharina von Siena von Francesco Solimena einen nahezu theatralischen Effekt. Wird die Überwelt manchmal in aller Deutlichkeit dargeboten, so besteht sie bei Honore Fragonard in dem Bild „Die Schöpfung“ aus einer Lichtflut, die sich nur am Rand vage zu Gestalten formt. Ein seltsamer Vorwurf aus der Legende des heiligen Kajetan: der „Einsturz der Kar-tause“ mit einem Wirrwarr von Balken und den mitstürzenden weißgekleideten Mönchen. Schließlich eine großartige nichtreligiöse, zeitgeschichtliche Darstellung, eine „Bataille von Schärding 1742“ von Joh. Ignaz Mildorfer, dem Lehrer Maulbertschs.

Die Reliefs können nicht plastisch genug wirken, die Figuren treten weitgehend aus der Fläche. Das ist bei einem Terrakottamodell „Anbetung der Hirten“ nach Art des Antonio Raggi der Fall. Sprudelnde Lebendigkeit kennzeichnet auch eine Tonskizze „Loth und seine Töchter“ von Georg Raphael Donner, ebenso Egid Quirin Asams „Mariae Himmelfahrt“. Seltsames Gefühl beim Verblassen der Ausstellung, nachdem einen diese Zeit seelischen Aufschwungs umfing und wir wieder der Gegenwart überantwortet sind.

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