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Der Hoffnung eine Chance

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Der Prophet gilt nichts im eigenen Land, sagt man. Man sagt es nicht nur, es scheint Tatsache. Denn wieder einmal erreicht uns aus dem Ausland, und noch dazu aus zweiter Hand, was hierzulande schon längst eigene Erfahrung sein könnte. Es ist der Versuch Joseph B. Fabrys von der kalifornischen Universität in Berkley, in seinem nun deutsch vorliegenden Buch „Das Ringen um Sinn“, Viktor E. Frankl und die Logotherapie dem Laien nahezubringen.

So wie Freud seinen unvergleichlichen Siegeszug zu einem nicht unbeträchtlichen Teü dem amerikanischen Engagement, allerdings auch den amerikanischen Mißverständnissen verdankte, mußte der Österreicher Frankl anscheinend darauf warten, als Importware zum Ausgangspunkt zurückzukehren.

Den von der Analyse Enttäuschten, ihrer Uberdrüssigkeit, bot sich die Alternative schon vor Jahrzehnten an. Aber man bannte Freud, unendlich dankbar für die Befreiung aus der Sexualheuchelei, ohne zu ahnen, daß sie gleichzeitig eine Entlassung aus allen Gewißheiten bedeutete, ohne zu bedenken, daß die Analyse nur eine von vielen Möglichkeiten darstellt Und im allgemeinen schlief man ruhig weiter.

Fabry hat in den USA, wo die Bücher Frankls Millionenauflagen erreichten, natürlich leichtes Spiel; im deutschen Sprachraum ist sein Buch eher ein Wagnis, ein in der Breite wahrscheinlich noch gar nicht vorhandenes Publikum anzusprechen. Es ist bedauerlich, daß die Diskussionsbasis erst gefunden werden muß, betrifft doch die behandelte Problematik wahrhaftig keine Randerscheinungen.

Die Empfindung der existentiellen Leere, der Sinnlosigkeit des Daseins, die steigenden Selbstmordraten stellen eine weltweit zunehmende Erscheinung dar. Drogensucht, Alkoholismus, Gewalttätigkeit: warum? Was aber viel wichtiger erscheint: Wie gegen die Hoffnungslosigkeit und um seinen Standort in der Welt kämpfen? — Hier wird eine Antwort versucht.

Populärwissenschaftlichen Formulierungen haftet meist der Mangel an, mehr populär denn wissenschaft-

lich zu sein. Frankls Vorstellungen, von vornherein frei von jedem Wissenschaftfetischismus, haben den Mann von der Straße jedoch nie ausgeklammert — ganz im Gegenteil. Und darum darf der Laie hier wieder hoffen, daß er sich auch selbst helfen kann. Er ist kein Entmündigter, er darf erwarten, daß er seine Angelegenheiten auch selbst begreift.

Fabrys engagiertes Buch, in erster Linie allerdings auf amerikanische Verhältnisse zugeschnitten, kann Frankls eigene Schriften zu diesem Thema jedoch nicht ersetzen. Als Wegweiser zu Frankl hin erfüllt es aber seinen Zweck. Als Wegweiser zu Frankl hin! Denn allen Einwänden zum Trotz sind die Bücher, die er selbst dem Laien zugedacht hat, einem Nichtfachmann durchaus zugänglich. (Siehe die beiden Paperbacks in der Herder-Bücherei).

Man könnte zur Logotherapie eine kritischere Haltung einnehmen, als dies Fabry tut Die Freiheit der Argumentation bedarf nun einmal der Vielfalt der Standpunkte. Und in wessen Namen ein Mensch dieses kurze, sicherlich nicht einfache Leben meistert, ist letzten Endes bedeutungslos. — Nicht bedeutungslos aber ist es, ob sich dieser Mensch öffnet, lernt von seinen Möglichkeiten erfährt ob er zu der Gewißheit gelangt daß er nicht in der Einsamkeit des Ichs verkümmern muß, daß er jederzeit ansprechendes und angesprochenes Du ist.

Es gibt viele Wege nach Rom. Mit Fabrys Buch über Frankls Werk wird einer aufgezeigt der der Hoffnung eine Chance läßt

DAS RINGEN UM SINN. Logotherapie für den Laien. Von Joseph B. Fabry. Paracelsus-Verlag, Stuttgart 1973. DM 28.—.

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