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Der Kampf gegen die Verkalkung beginnt

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Uber 50 Prozent aller Krankheitsund Todesursachen in den hochentwickelten Ländern sind auf Erkrankungen der Gefäße und des Herz- Kreislaufes zurückzuführen, also weit mehr als der gefürchtete Krebs. Trotzdem weiß man besonders über die Atherosklerose viel zu wenig, um rechtzeitig wirkungsvoll eingreifen zu können. In Wien trafen kürzlich Fachleute aus aller Welt zusammen, um hier die zukünftigen Schwerpunkte in der Grundlagenforschung festzulegen.

Prof. Wilhelm Auerswald, Vorstand des Physiologischen Institutes , der Universität Wien und Präsident des Kongresses, betonte: „Was wir brauchen, um diese Krankheit bekämpfen zu können, ist die Prophylaxe. Die ist aber nur dann möglich, wenn wir auch die Entstehung und den Mechanismus kennen. Derzeit arbeitet jeder der verschiedenen Wissenszweige ohne Kontakt zum anderen vor sich hin, es kommt zu keiner Zusammenarbeit.“ Die „österreichische Arbeitsgemeinschaft für morphologische und funktioneile Atheroskleroseforschung“, die diesen Kongreß veranstaltete, hat es sich zum Ziel gemacht, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aller jener Forscher herbeizuführen, die in Österreich an der einschlägigen Grundlagenforschung arbeiten. Darüber hinaus wollte der Kongreß weltweit die Weichen für die zukünftigen Forschungsschwerpunkte stellen.

Atherosklerose ist die Bezeichnung für die häufigste und wichtigste Erkrankung der Arterien. Sie tritt vor allem ab dem vierten und fünften Lebensjahrzehnt gehäuft auf und zeigt sich durch Ablagerungen von Kalk - man spricht nicht umsonst von Verkalkung -, Eiweiß- oder Fettstoffen. Natürlich kennen die Mediziner gewisse Risikofaktoren. Rauchen gehört dazu und fettes Essen, aber die genaue

Entstehung und was letztlich dann wirklich dafür verantwortlich gemacht werden kann, wissen sie nicht. Derzeit werden verschiedene Einflüsse in Erwägung gezogen, wie mechanische Abnützung, das Altem der Gefäße, Ernährungsstörungen im weitesten Sinn oder Stoffwechselstörungen.

Die Wissenschafter arbeiten in drei Richtungen:

• Der Gesamtstoffwechsel, vor allem der hormongesteuerte Fettstoffwechsel, wird für die .Entstehung von Atherosklerose verantwortlich gemacht,

• dann untersuchen Forscher die Strukturelemente der Gefäßwand, insbesondere die glatten Muskelzellen

• und schließlich soll dem Verhalten der Blutplättchen, also der Thrombozyten bei der Entstehung von Atherosklerose eine Bedeutung zukommen.

Daß allzu fettes Essen Atherosklerose erzeugen kann, bewies Prof. Herbert Christian Stary, der in New Orleans mit Rhesusaffen experimentiert. Den Tieren wird über einen längeren Zeitraum fettreiche Nahrung verabreicht, natürlich bekommen sie Atherosklerose. Nun geht der Wissenschafter aber weiter. Er setzt die Tiere auf Diät. Sie bekommen eine gesunde Nahrung mit wenig Fett. Allein durch die Nahrungsänderung gelingt es bei den Affen, die Verletzungen der Gefäßwände wieder zurückzubilden. Das Fett kann aus den Gefäßen entfernt werden, aber es bleibt nach wie vor eine Art Narbe zurück.

Wer also einmal Atherosklerose hat, der wird nie wieder völlig gesund. Durch eine gesunde und vernünftige Lebensweise aber kann er das Schlimmste verhüten.

Die glatten Muskelzellen sind das Arbeitsgebiet der Morphologin Prof. Daria Haust, London und Ontario. Ihr gelang erst vor wenigen Monaten nachzuweisen, daß sich die Muskelzellen, die man für das Entstehen von Atherosklerose verantwortlich gemacht hat, auch bei der schwangeren Frau in der Gebärmutter ähnüch verhalten wie bei Atherosklerose. Also dürfte sich während der Schwangerschaft ein ähnlicher Mechanismus abspielen - zumindest in der Gebärmutter in bezug auf die glatten Muskelzellen - wie in der Wand der Arterien bei der Bildung von Atherosklerose. Die Forscherin hofft, daß damit ein großer Schritt getan wurde, um das Dunkel etwas zu erhellen, das nach wie vor über dem Mechanismus dieser Krankheit liegt.

Welchen Beitrag kann nun Österreich bei der Atherosklerose-Grundlagenforschung leisten? Dazu Prof. Auerswald: „Bei uns wird in allen drei Richtungen gearbeitet. Aber natürlich sind die finanziellen Mittel wesentlich beschränkter als etwa in Amerika. Trotzdem brauchen wir - und das hat uns der Kongreß gezeigt - nicht verzagen. Auch anderswo wird mit Wasser gekocht und wir sind apparativ gar nicht so schlecht ausgerüstet. Natürlich können wir uns kein großes Atherosklerosezentrum leisten. Wir müssen eher auf den guten Willen der an der Grundlagenforschung beteiligten Disziplinen bauen. Der erste Schritt zu einem Miteinander ist bereits geschehen. Die Arbeitsgemeinschaft für morphologische und funktioneile Atherosklerose-Forschung (AMFA) hat Mitglieder aus allen Wissenschaften, von der pathologischen Anatomie über die Histologie bis zur medizinischen Chemie. Jetzt müssen wir ein handfestes Konzept erstellen, die nötigen finanziellen Mittel auftreiben und dann Weiterarbeiten.“

Die Diagnose „Atherosklerose“ bedeutet für den Patienten: Medikamente, eine Umstellung der Ernährung und der gesamten Lebensweise. Sie kann aber auch bedeuten: Invalidität und früher Tod. Ist diese Krankheit einmal da, dann kann die Medizin nur mehr Symptome behandeln. Die Frühstadien gibt es hier nicht, denn solange sich die Atherosklerose noch am Anfang befindet, gilt der Mensch als gesund.

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