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Der Kampf um die Medien-Macht

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Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes über das Rundfunkmonopol ist die Medienlandschaft in Aufruhr.

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Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes über das Rundfunkmonopol ist die Medienlandschaft in Aufruhr.

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Drohgebärden sind angesagt: Vorsichtshalber ließ der Hälfte-Eigentümer der „Kronen-Zeitung”, Hans Dichand, sofort beim Handelsgericht eine Privatfernsehgesellschaft „Tele eins” eintragen. Und auch die „News”-Brü-der Wolfgang und Helmuth Fellner bekundeten eiligst ihr Interesse an der - privaten - Mattscheibe.

Der Medientiger reagierte nervös: ORF-Monopolverwalter Gerd Bacher wird nicht müde, vor den politischen Gefahren eines zweiten Monopols (jenem der großen Print-Me-dienkonzerne als potentielle Privat-TV-Betreiber) zu warnen.

Im FliRCHE-Gespräch erörtert der Medienrechtler Heinz Wittmann die möglichen Konsequenzen des Straßburger Urteils auf die heimische Medienlandschaft (siehe Grafik): „Wenn sich die Politik die nächste Blamage - eine Aufhebung der derzeitigen Gesetze durch den Verfassungsgerichtshof oder eine neuerliche Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof - ersparen will, sollte sie rasch handeln.” Wittmann ortet einen mehrfachen Handlungsbedarf: beim terrestrisch abgestrahlten TV, beim Satelliten-TV („Es ist eine Schande, daß es österreichischen Privatfirmen bisher untersagt war, in diesem internationalen Markt mitzumischen”), beim Kabel-TV und beim Regionalradiogesetz, das noch gar nicht in Kraft ist.

Derzeit sieht es freilich nicht so. aus, als ob der Gesetzgeber (also die Regierungsparteien im Parlament) rasch initiativ werden wollen: Vor der Nationalratswahl im Herbst 1994 sei ohnehin nichts mehr möglich, heißt es in der Koalition. Und nach der Wahl müsse man zunächst die Koalitionsverhandlungen und die Konstituierung des neuen Nationalrates abwarten. Eine Gesetzesvorlage ist daher nicht vor Frühjahr 1995 zu erwarten. Und selbst wenn ein potentieller TV- oder Radiobetreiber den Verfassungsgerichtshof anruft, ist angesichts des Fristenlaufes nicht mit einer baldigen Entscheidung zu rechnen.

Keine guten Zensuren erhalten die verantwortlichen Medienpolitiker von Franz Ferdinand Wolf, Verantwortlicher des Kurier-Konzerns für die elektronischen Medien: „Erstens sind wir wieder einmal zu spät d'ran. Und zweitens wird schon wieder einmal darüber diskutiert, wer aller nicht darf, anstatt darüber zu reden, wer denn etwas machen könnte.” Nur den Kopf schütteln kann Wolf über die Argumentation der ORF-Monopolisten: „Auf der einen Seite, sagt Bacher, die Privaten würden ohnehin nur Musik-Unterhaltung bringen. Andererseits warnt er vor einem riesigen Meinungsmonopl, das entstehen könnte. Er widerspricht sich selbst.” Für den früheren Kurier-Chefredakteur ist die Gefahr, daß „bei einem Kronen-Zeitungs-TV der Staberl die Meinungskommentare verliest” nicht realistisch: „Die Privaten werden sich genauso an Programmrichtlinien halten müssen wie der ORF.”

Kein „Staberl-TV”

Kritik übt Wolf im FURCHE-Ge-spräch auch am Regionalradiogesetz: „Das war eine Verlegenheitslösung angesichts des drohenden Urteils von Straßburg.” Das Gesetz, das 1994 in Kraft tritt, gehe an der „Medienwirklichkeit vorbei.

Auch Wolf sieht eine Fülle von Möglichkeiten nach dem Straßburger Urteil: Angesichts technischer Innovationen wären österreichische Programmfenster in bestehenden Satellitenprogrammen am ehesten zu verwirklichen (Anm. d. Red.: der Kurier kooperiert mit SAT-1, Media-print-Zwilling „Kronen Zeitung” hat sich RTL angelacht); möglich wäre auch der Einstieg Privater beim ORF (ORF 1 & 2, 3-SAT).

Die Chancen für ein privates österreichisches Satellitenprogramm seien, so Wolf, äußerst gering: „Da sind wir zu spät gekommen.' Auch ein flächendeckendes terrestrisches Programm sei angesichts hoher Investitionskosten wenig wahrscheinlich. Gute Erfolgsaussichten räumt er einem „Ballungsraum-TV” ein, vor allem aufgrund der hohen Reichweite der Kabel-TV-Netze.

Eher skeptisch betrachten die großen Bundesländer- Zeitungsverlage die neue elektronische Medienfreiheit. Alfred Grinschgl, im Verlagshaus Styria für den elektronischen Bereich zuständig, malt das Schreckgespenst eines von Deutschland aus gesteuerten „Krone-RTL-TV” auf unterstem Niveau an die Wand: „Als größtes, rein österreichisches Verlagshaus meinen wir, daß der ORF als österreichischer Qualitätssender unbedingt erhalten bleiben sollte.”

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