6971829-1985_33_04.jpg
Digital In Arbeit

Der Kongreß hilft — und kontrolliert

19451960198020002020

Nach der „UNRRA-Hilfe” (FURCHE 30/1985) hatten die USA genug von internationalen Hilfsprogrammen. In Zukunft sollte Hilfe allein von den USA geleistet werden.

19451960198020002020

Nach der „UNRRA-Hilfe” (FURCHE 30/1985) hatten die USA genug von internationalen Hilfsprogrammen. In Zukunft sollte Hilfe allein von den USA geleistet werden.

Werbung
Werbung
Werbung

Wirtschaftshilfe im Rahmen einer internationalen Organisation hatte sich in bezug auf die Interessen der USA als nicht zielführend erwiesen. Das internationale UN-RRA-Programm scheiterte Ende 1946 an den unüberbrückbaren Gegensätzen zwischen Ost und West.

Eine von den USA finanzierte Wirtschaftshüfe (wie es die UNRRA-Hilfe zu 73 Prozent war) sollte nur Staaten zugute kommen, die auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht den USA nahestanden. Hilfe an die UdSSR oder ihr nahestehende Länder, wie es unter dem UNRRA-Programm noch geschehen war, war nunmehr undenkbar und wurde auch vom US-Kongreß nicht bewilligt.

Auf dem Hintergrund der Verschärfung des Kalten Krieges entwickelte sich im Herbst 1946 eine neue Wirtschaftshilfestrategie der USA, deren wesentlichste Neuerung folgende war: Wirtschaftshilfe sollte einseitig von den USA und auf bilateraler Basis gegeben werden. Die Devise war: Hände weg von internationalen Hilfsprogrammen.

Auch Österreich wurde als Teilnehmerland an der Kongreßhilfe in das Tauziehen zwischen Ost und West mithineingezogen: das internationale UNRRA-Programm war von allen vier Besatzungsmächten befürwortet worden, die nun einseitig von den USA gegebene und auch verwaltete Kongreßhilfe hingegen war ein Dorn im Auge der russischen Besatzungsmacht. Der Stein des Anstoßes waren die im „bilateralen Abkommen” zwischen den USA und Österreich festgehaltenen „Kontrollbestimmungen”.

So war zum Beispiel festgelegt, daß Vertretern der US-Presse eine freie Berichterstattung über die Verteilung und Verwendung der Hilfsgüter gewährt werden müsse und daß den betreffenden US-Stellen in Österreich (die , .Relief -Mission”—Hilfsmission -war zuständig für die Verwaltung der Kongreßhilfe) prompte Informationen hinsichtlich der Produktion, des Gebrauchs, der Verteilung, des Imports und Exports von Gütern, die die Hilfsbedürfnisse des Landes betreffen, gegeben werden müßten.

Von Seiten der Sowjets wurde angeprangert, daß alle Hilfslieferungen der USA durch die österreichische Bundesregierung unter „direkter Aufsicht und Kontrolle der Vertreter der USA” verteilt werden mußten.

Diese Kontrollbestimmungen hatten in erster Linie den Sinn, dem US-Kongreß die zweckmäßige Verwendung der Gelder zu garantieren. Darüber hinaus sollte damit auch verhindert werden, daß im Rahmen der Kongreßhilfe importierte Güter in die Hände der Sowjets fielen und nicht „zum Wohle Österreichs” verwendet würden.

Man hatte diesbezüglich ja schlechte Erfahrungen mit dem UNRRA-Programm gemacht.

Eine ähnliche Situation sollte nun verhindert werden. Dies war auch die Argumentation von Bundeskanzler Leopold Figl in einem Brief an den sowjetischen Hochkommissar Wladimir Ku-rassow: weil der Bundesregierung auf die durch die USIA betriebenen Unternehmungen kein Einfluß zugestanden werde... „habe sich die Regierung der USA veranlaßt gesehen, Bestimmungen in das Hilfsprogramm mit dem Ziele aufzunehmen, die ausschließliche Verwendung der Hilfsmittel für die österreichische Bevölkerung sicherzustellen. Im übrigen”, so Figl weiter, „stellen die der US-Regierung im Zusammenhang mit dem Hilfsprogramm zugestandenen Informationen keinerlei vertrauliche Mitteilungen dar.”

Auf Seiten der Bundesregierung wie auch der US-Besatzungsmacht war man intensiv bemüht, die russischen Bedenken zu beseitigen und mit den Sowjets zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen.

Nur über eines waren sich die US-Stellen in Österreich im klaren: sollte hinsichtlich der (im bilateralen Abkommen enthaltenen) Uberprüfungsbestimmungen mit der UdSSR kein modus procedendi gefunden werden, würden auch keine aus Geldern der Kongreßhilfe finanzierte Güter in die Ostzone transportiert werden.

Die US-Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung der von der sowjetischen Besatzungsmacht abgelehnten Kontrollartikel fand auch konkrete Auswirkungen: der US-Hochkommissar, General Geoffrey Keyes, lud die drei anderen Hochkommissare ein, Repräsentanten zu bestimmen, die die amerikanischen Uberwachungsbeamten in der jeweiligen Zone begleiten sollten. Darüber hinaus sollte eine „vollständige Kopie” des Berichtes des US-Beobachters über die Hilfstätigkeit in der jeweiligen Zone dem betreffenden Hochkommissar verfügbar gemacht werden.

Dieses Angebot wurde vom britischen und französischen Hochkommissar angenommen und im Laufe der Durchführung der Kongreßhilfe auch angewendet. Kurassow lehnte es hingegen ab und wiederholte seinen schon früher geäußerten und etwas weit hergeholten, Standpunkt, daß durch das bilaterale Abkommen die „Moskauer Erklärung” von 1943 (über die Errichtung eines unabhängigen Österreich) und das „Neue Kontrollabkommen” über Österreich (vom 28. Juni 1946) verletzt werden.

Doch damit waren die Versuche, ganz Österreich an der Kongreßhilfe teilnehmen zu lassen, noch nicht zu Ende. General Keyes schlug noch Mitte August 1947, fast zwei Monate nach Anlaufen der Kongreßhilfe, in einem Telegramm nach Washington eine „Textänderung” bei den von Kurassow beanstandeten Artikeln vor. Wenn dadurch auch keine wesentlichen Inhalte des bilateralen Abkommens geändert worden wären, so zeigt dies doch, daß die russischen Einwände amerikani-scherseits nicht einfach mit einem Achselzucken abgetan wurden.

So überraschend Keyes den Vorschlag einer Textänderung auch gemacht hatte, so schnell zog er diesen aufgrund politischer Überlegungen wieder zurück, denn: sollte das Abkommen geändert werden, so könnte die russische Besatzungsmacht dies für sich in Anspruch nehmen und gleichzeitig darauf verweisen, daß nur durch ihr Betreiben die Unabhängigkeit Österreichs gewahrt geblieben sei.

Gleichzeitig schlug Keyes den zuständigen Stellen in Washington vor, anstelle von Geldern der Kongreßhilfe (auch „State Department-Gelder” genannt, da das US-Außenministerium dafür beim US-Kongreß angesucht hatte und eben diese State Department-Gelder unterlagen den schon erwähnten Kontrollbestimmungen) einfach Gelder des War Department (dies waren Gelder, für die das US-Kriegsministerium beim US-Kongreß angesucht hatte und die nicht denselben Kontrollbestimmungen unterlagen) für die Ostzone zu verwenden.

Denn, darüber waren sich Keyes wie auch sein politischer Berater, John G. Erhardt, im klaren: sollte die Ostzone von amerikanischen Hilfslieferungen ausgeschlossen bleiben, könnte dies ernste politische Auswirkungen in der innenpolitischen Szene Österreichs haben, bis hin zum Sturz der Figl/Schärf-Regierung und eventuell einer Spaltung Österreichs. Die Schuld an einer Teilung des Landes könnte dann den USA zugeschoben werden.

Durch diesen „Trick”, den Keyes hiermit vorschlug, erübrigten sich alle diesbezüglichen Überlegungen. Anstelle der „State Department-Gelder” (mittels welcher die Kongreßhilfe finanziert wurde) flössen nun „War Department-Gelder” und -Güter in die

Ostzone. Diese Vorgangsweise wurde selbstverständlich nicht an die große Glocke gehängt, sondern streng geheim gehalten.

Noch eine andere Sache drängte General Keyes, unbedingt mit der russischen Besatzungsmacht zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Am 13. Dezember 1946 war auf energisches Betreiben des amerikanischen Elements im Alliierten Rat ein sogenanntes „food-pooling-agreement” (Ubereinkunft über die Zusammenlegung von Nahrungsmitteln) abgeschlossen worden: laut dieser Ubereinkunft mußten alle Nahrungsmittel, ob einheimisch oder importiert, unter der Obhut der Bundesregierung zusammengelegt und von dieser gemäß den monatlichen Rationierungsplänen in ganz Österreich verteilt werden.

Dieses „food-pooling-agreement” konnte nun jedoch von der US-Besatzungsmacht gar nicht eingehalten werden, sollten sich die Sowjets weigern, die im bilateralen Abkommen festgehaltenen Kontrollbestimmungen in ihrer Zone zuzulassen. Denn im Fall einer Weigerung der Sowjets durften aufgrund dieses Abkommens keine aus Geldern der Kongreßhilfe finanzierte Nahrungsmittel in der Ostzone verteilt werden.

General Keyes wie auch John G. Erhardt waren sich dieser Diskrepanz zwischen dem bilateralen Abkommen und einer von allen Besatzungsmächten gefällten Entscheidung des Alliierten Rates bewußt. So schrieben sowohl Keyes wie auch Erhardt Briefe an bestimmte Kongreß abgeordnete in Washington, in welchen sie sich um eine „Ausnahmegenehmigung” durch den Präsidenten bezüglich der Uberprüfungsbestimmungen bemühten.

Der leichte Vorwurf, daß man bei der Abfassung des bilateralen Abkommens mit Österreich die

„besondere Situation” des Landes zuwenig in Betracht gezogen habe, war wohl nicht zu überhören.

Die angestrebte Ausnahmegenehmigung kam zwar für die Kongreßhilfe nicht mehr zustande, wurde jedoch bei der darauffolgenden ,J.nterimshüfe” (die letzte „kleine” Hilfe vor dem Marshallplan) angewendet: Güter, die im Rahmen der Interimshilfe nach Österreich importiert wurden, durften aufgrund einer im bilateralen Abkommen der Interimshilfe festgehaltenen Ausnahmebestimmung auch in die Ostzone gelangen.

Wichtig war diese Regelung dann vor allem in bezug auf den Marshallplan, da die Sowjets selbstverständlich auch im Rahmen der Durchführung des Marshallplanes keine amerikanischen Beobachter in ihre Zone ließen.

So kam die Kongreßhüfe, als einzige von allen Wirtschaftshilfen, denen Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg teilhaftig wurde, nur den Westzonen zugute, ohne daß dies den Österreichern und vor allem den Sowjets bewußt geworden wäre.

Der Autor ist Assistent am Institut für Geschichte der Universität Wien und dissertierte mit einer Arbeit zum Thema „Von der UN-RRA zum Marshallplan. Die amerikanische Finanz- und Wirtschaftshilfe an Osterreich in den Jahren 1945 bis 1950”. Ein erster Beitrag über das UNRRA-Hilfsprogramm ist in der FURCHE (30/1985) erschienen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung