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Der Kongreß pflanzt

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Journalisten können Bäume aufstellen - das konnte man beim XV. UCIP-Weltkongreß in Ruhpolding in Oberbayern im wahren und übertragenen Sinn des Wortes feststellen (siehe Seite 2).

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Journalisten können Bäume aufstellen - das konnte man beim XV. UCIP-Weltkongreß in Ruhpolding in Oberbayern im wahren und übertragenen Sinn des Wortes feststellen (siehe Seite 2).

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Kreativität und Verantwortung k im Spannungsfeld neuer Pressetechnologie“ lautete das Thema, das von 16. bis 22. Oktober in Ruhpolding in Oberbayern fast 600 katholische Journalistinnen und Journalisten aus 78 Ländern zum XV. Weltkongreß der UCIP (Union Catholique Internationale de la Presse/Katholische Weltunion der Presse) vereinte.

Die Worte kirchlicher Amtsträger an die Versammlung waren teils < mahnend, teils ermutigend. In einer Grußbotschaft sprach Papst Johannes Paul II. den Journalisten

sein Vertrauen aus und wies darauf hin, daß verantwortlicher katholischer Journalismus christliche Kultur und ethische Werte vermittle.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, trat in seinem Grußwort für kritischen Journalismus ein: „Loyalität und Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft brauchen den Blick nicht dafür zu trüben, wo Störungen sind und wo Kritikwürdiges ans Tageslicht gebracht werden muß... auch der katholische Journalist ist bei aller Bindung an die Kirche nicht der verlängerte Arm des Amtes.“

Der Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, predigte beim Festgottesdienst: „Ohne Ethik verkommt der Mensch und das, was er tut, auch der Journalismus.“ Wetter bekannte sich zur Freiheit der Presse, auch der kircheneigenen, und strich die Verantwortung der Journalisten für die geistige Umwelt heraus. Ob ein „Hippokrati-scher Eid für Journalisten“, wie ihn der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair anregte, eine echte Lösung wäre?

Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Instrumente der so-zialeivKqmmunikation, Erzbischof John P. Foley, fiel auf dem Kongreß nicht nur durch sein von Tag zu Tag akzentfreier werdendes freundliches „Grüß Gott“ auf. Foley sprach

sich gegen „Zynismus“ im Medienbetrieb und für Vielfalt in der Kirche („ein Mosaik, kein Monolith“) aus und betonte, die geplante Fortschreibung des kirchlichen Mediendokumentes „Communio et progressio“ werde keine Einschränkung der journalistischen Freiheit, sondern nur eine Berücksichtigung der großen Umwälzungen der letzten 20 Jahre bringen.

Von diesen Umwälzungen war viel die Rede, wobei die Verleger die Kostenersparnis durch Computersatz und Bildschirmumbruch erfreut, die Journalisten aber, angesichts der Übernahme bisheriger Druckereiarbeit durch Redakteure, nur bei entsprechenden Personalaufstockungen die Chance sehen, daß Kreativität und Verantwortung nicht darunter leiden. In der Dritten Welt, darin war man sich ziemlich einig, sollen neue Verfahren nur dort eingeführt werden, wo alle infrastrukturellen Voraussetzungen stimmen.

Die Erste Welt soll der Dritten helfen, wo sie kann. Sie tat es schon, indem sie zum Beispiel vielen Teilnehmern aus Afrika, Asien und Lateinamerika einen Gratisaufenthalt beim Kongreß ermöglichte. Für die Fahrtspesen brachten diese Teilnehmer dann oft noch große eigene Opfer - einer soll seine ganze Fotoausrüstung verkauft haben, um nach Ruhpolding zu kommen.

Schon auf dem Vorkongreß mit 140 Teilnehmern aus 58 Ländern gab das insgesamt bereits 435 Personen umfassende Kontaktnetz von Jungjournalisten innerhalb der UCIP ein kräftiges Lebenszeichen. Und schließlich sorgten die Jungen auf einem Empfang beim Hauptkongreß

mit einer fröhlichen Menschenkette zwischen den Tischreihen dafür, daß man sagen konnte: Der Kongreß tanzt.

Bei der Generalversammlung wurde der unumstrittene Präsident

der UGIP, der Franzose Jean Marie Brunot, ohne Gegenkandidaten mit 116 von 122 Stimmen auf weitere drei Jahre gewählt. Gleichzeitig wurde eine neue Wahlordnung beschlossen, die in Zukunft drei Kandidaten für dieses Amt vorsieht. Der nächste Kongreß soll 1992 in Brasilien stattfinden.

Die auf das 1927 in Brüssel gegründete Internationale Büro katholischer Journalisten zurückgehende UCIP ist in 82 Ländern der Erde präsent. Dir Leitungsgremium, der UCIP-Rat, wird von Vertretern aus sechs Föderationen (Journalisten, Tageszeitungsverleger, Periodikaverleger, Presseagenturen, Kommunikationsforscher, Kirchenpresse) und aus nun sechs, bald sieben Regionen gebildet.

Die Bildung einer eigenen Region Europa (bishergab es die Regionen Lateinamerika, Afrika, Südasien, Südostasien, Ostasien) bedeutet das Ende der europäischen Vorherrschaft. Europa gab in den Föderationen, die es bisher genauso wie die ganze UCIP völlig dominierte, den anderen Kontinenten mehr Einflußmöglichkeiten und zog sich auf die Rolle eines gleichrangigen Partners zurück.

Die Wahl des polyglotten ungarischen Piaristenpaters Laszlo Lu-kacz, Chefredakteur der Monatszeitschrift „Vigilia“ und seit kurzem Pressesprecher der Ungarischen Bischofskonferenz, zum Präsidenten dieser Region hat in dieser historischen Situation Signalcharakter. Nach dem Vorbild Europas stellten schließlich auch die Angloamerikaner - mit Erfolg - den Antrag auf Bildung einer eigenen Region.

Zum Schluß vergab man Preise, zunächst an Jungjournalisten. Der zum zweiten Mal vergebene „Pierre-Chevalier-Preis“ (nach dem früheren UCIP-Generalsekretär) ging an die Zeitschrift „Porantim“, die sich für die Rechte der brasilianischen Indios einsetzt. „Porantim“ bedeutet in der Sprache des Satere-Maue-Volkes, das im Amazonasgebiet lebt, gleichzeitig Waffe, Ruder und Gedächtnis.

Die deutsch vorgetragene Dankrede, verfaßt vom aus Österreich stammenden Bischof Erwin Kräutler, schloß mit dem eindringlichen Appell: „Die Zukunft der Indianervölker hängt auch von Ihrer Solidarität ab. Sich für das Überleben dieser Völker einzusetzen, ist keineswegs Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes. Solidarität mit ethnischen Minderheiten, die man jahrhundertelang verachtet, verfolgt und massakriert hat, darf keine Grenzen und Einschränkungen kennen.“

Am Ende der Woche hieß es: Der Kongreß pflanzt. Jeder Teilnehmei durfte buchstäblich im Wald von Ruhpolding einen Baum aufstellen. Und zumindest dieser, aber hoffentlich viel mehr, sollte über das Ereignis hinaus wachsen und gedeihen.

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