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Der Konsument ist Verlierer

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Er, Kreisky, glaube, daß die Bevölkerung der Ansicht sei, daß im ORF nun endlich Ruhe herrschen und gearbeitet werden sollte. Dann also: „Laßt Kreisky und sein ORF- Team arbeiten.”

Doch es scheint, als habe Doktor Kreisky die Antenne zur Wirklichkeit nun tatsächlich verloren. Denn vom Verfassungsgerichtshof, der Bevölkerung, der unabhängigen öffentlichen Meinung und den Dienstnehmern im Fernsehen und Rundfunk wird diese Forderung als gefährliche Drohung verstanden. Erst traf der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis, daß Teile des von der SPÖ- Mehrheit im Parlament durchgepeitschten Rundfunkgesetzes verfassungswidrig seien, dann wurde Gerd Bacher abgesägt und an seine Stelle der in medien- und kulturpolitischen Fragen unerfahrene Dr. Oberhammer, ein karrenzierter und weisungsgebundener Sektionsrat aus dem Justizministerium, installiert („Kurier”: „Die Stunde des Fallbeils”), bis zuletzt selbst aus Kreisen der Wiener SPÖ Kritik an Person und Qualitäten Dr. Oberhammers laut wurde. Der Wiener Stadtrat und SPÖ-Dele- gierte im ORF-Kuratorium Peter Schieder meinte sogar: „In puncto Präpotenz ist er ein Ober-Bacher.”

Doch nicht genug: In bloß 72 Stunden gelang es Dr. Oberhammer, eine von der sozialistischen Parteizentrale vorbereitete Liste der Kandidaten für höhere ORF-Funktionen zu verkraften. An die so gut wie alles entscheidende Funktion des kaufmännischen Direktors wird Dr. Walter Skala rücken, der, eingeschriebenes SPÖ-Mitglied, vor zehn Jahren von der Geschäftsführung der „Tele- pool” abgehalftert wurde, weil er angeblich seine Arbeit „weder mit der nötigen Sorgfalt noch mit dem notwendigen Einsatz” gemacht hat. Die technische Direktion wird das eingeschriebene SPÖ-Mitglied Wassi- czek beibehalten. Femsehintendant Nr. 1 wird Gerhard Weis; ein Mann, der nun für die SPÖ als Alibi für eine „unparteiische” ORF-Reform herhalten soll; Femsehintendant Nr. 2 wird Franz Kreuzer, der im ORF bisher als Sozialist respektable Unparteilichkeit und hohes Können bewies. Hörfunkintendant wurde schließlich nach einem großen Krach im Kuratorium und gegen übliche Gepflogenheiten durch eine merkwürdige Stichwahlprozedur Wolf In der Maur, den Bundeskanzler Dr. Kreisky schon vor Jahren in die ORF-Kommission berufen hatte.

Von den ganz prominenten Bewerbern für höhere ORF-Positionen schieden aus: Klaus Emmerich, Paul Twaroch, Emil Breisach, Emst Wolfram Marboe, Alexander Vodopivec, Helmut Matiasek, Kurt Bergmann und einige, die nun zum Jung-Pensio- närentum verdammt sind, also: Gerd Bacher, Alfons Dalma, Helmut Len- hardt, Alfred Härtner und Helmut Zilk. Sie paßten, wie ja eigentlich auch Franz Kreuzer nicht ins autoritäre Konzept der SPÖ und der von ihr gestellten Bundesregierung.

Doktor Otto Oberhammer soll nun als provisorischer Generalintendant in den nächsten drei Monaten die ORF-Weichen stellen. Er vertritt die durchaus richtige Ansicht, daß „die Kontrolle des neuen Rundfunks bei der Regierungspartei liege, weil das der Grundkonzeption des Gesetzes entspreche. Er will zuvorderst sein Büro als Generalintendant mit neuen Männern, „die mich in Medienfragen beraten”, auffüllen, und dann, fast im Sinne eines Parteiprogramms, darangehen, „mehr und bessere Sendungen für junge und alte Menschen zu machen”. Da sich in Österreich jeder unter der Gruppe „jung und alt” subsumieren läßt, steht also fest, daß das Programm sowohl des Rundfunks als auch des Fernsehens schon in allernächster Zeit bedeutend besser werden müßte. Doktor Oberhammer will das Rundfunkgesetz dazu benützen, den Parteieneinfluß oder Versuche in dieser Richtung zu unterbinden. In seinem ersten Rundfunk-Interview beschwerte er sich freilich darüber, daß man ihm Fragen stellte, wie das VP-General- sekretär Kohknaier bei Kuratoriensitzungen zu tun pflege. Derlei Unterstellungen lassen fürchten, daß Dr. Oberhammer Versuche des Parteieneinflusses nur einseitig unterbinden will. Das würde sich auch voll und ganz mit seiner Auffassung decken, daß es sich beim neuen Rundfunk um einen Regierungsrundfunk handeln soll. Die Frage ist, o*b es nach einem solchen je ein echtes Bedürfnis gegeben hat.

Noch in ihrer letzten Nummer war die FURCHE bereit, Dr. Oberhammer die Unabhängigkeit eines durchaus eigenwilligen und karriere- bewußten Beamten zu glauben. Nach den ersten Erfahrungen mit ihm gilt es leider, Abstriche von dieser Hoffnung vorzunehmen. Dr. Oberhammer konnte im ORF-Kuratorium kein unabhängiges Mitglied von seinen Fähigkeiten überzeugen, so daß er schließlich nur mit den Stimmen der sozialistischen Fraktion durchgedrückt wurde; kaum aber war er zum neuen Generalintendanten gewählt, mußte er vor der sozialistischen Mehrheit kapitulieren, die Wahlvorschläge der sozialistischen Parteizentrale ausnahmslos akzeptieren, und konnte bestenfalls in zweiter Linie eigene Vorschläge anbieten.

Das alles läßt das Schlimmste für die Zukunft des einst unabhängigen Fernsehens und Rundfunks in Österreich befürchten. Am 18. Oktober wird im Anschluß an eine „dringliche Anfrage” der Volkspartei im Parlament die Situation rund um die Entwicklung des ORF diskutiert, dahinter steckt sicherlich nicht nur Interesse — denn heute weiß man wie der Hase läuft —, sondern vor allem die Absicht, letzte Wahlkampfmunition für die in Vorarlberg und der Steiermark stattfindenden Landtagswahlen einizusetzen. Doch das ist nur ein Anfang: Wahrscheinlich wird jedenfalls bis zu den nächsten Nationalratswahlen der ORF ständig im Mittelpunkt parteipolitischer Auseinandersetzungen stehen. Die Bundesregierung wird nicht immer unglücklich darüber sein, denn schließlich lenkt diese Auseinandersetzung von wichtigen und offenen wirtschaftspolitischen Fragen ab. Doch unabhängig davon: im ORF-Klein- krieg der Parteien wird der Konsument von Rundfunk- und Fernsehsendungen um gute Programme und Informationen für seine Teilnehmergebühr kommen. Er ist der wirkliche Verlierer. Das ist die tiefere Wahrheit der neuen’ Mediensituation in Österreich, da nun „Kreisky und sein ORF-Team arbeiten”.

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