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Der Kreml in Afrika

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Afrika ist nach den osteuropäischen Satellitenstaaten der größte Markt für die sowjetische Waffenindustrie. Gorbatschow geht neue Wege in der Afrika-Politik.

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Afrika ist nach den osteuropäischen Satellitenstaaten der größte Markt für die sowjetische Waffenindustrie. Gorbatschow geht neue Wege in der Afrika-Politik.

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Der dritte Teil der Rede Michail Gorbatschows anläßlich der Siebzig-Jahr-Feiern der Oktoberrevolution war der internationalen Politik gewidmet. Die Dritte Welt bezeichnete Gorbatschow dabei als Opfer des Neokolonialismus des Westens. Der sowjetische Generalsekretär bezichtigte diese Länder des „Raubes“ der Rohstoffreserven der Dritten Welt und unterstrich deren politische und ökonomische Rolle. ,

Man kann sich vorstellen, wieviel Kraft der Kreml für die Dritte Welt aufwendet: dies beweist zum Beispiel Afrika. Von Josef Stalin bis Konstantin Tschernenko haben sich die Hausherren des Kreml nicht bemüht, Afrika außerhalb der Ost-West-Rivalität zu verstehen. In dieser Optik be-< fand sich Moskau ohne vorherige Vorbereitung. Moskaus Anwesenheit in Afrika war bisher fast immer das Ergebnis innerer politischer Vorgänge in den betreffenden Ländern.

Seit 1957 hat die UdSSR keine Anstrengung mehr unternommen, um diesen Kontinent über kurzfristige Interessenlagen im Ost-West-Konflikt hinaus zu sehen. Seit diesem Datum hat die Sowjetunion nur wenig mehr als 100 Milliarden Dollar für Afrika ausgegeben. Heute ist Afrika einer der größten Märkte für sowjetische Waffen. Die afrikanische Schuld gegenüber der Sowjetunion beträgt derzeit etwa zehn Milliarden Dollar.

Ein großes Hindernis für Moskau in diesen dreißig Jahren seiner Zusammenarbeit mit Afrika war seine Unfähigkeit, mehr wirtschaftliche und finanzielle Hilfe zu geben. Seine Anwesenheit war immer durch politische und militärische Präsenz dominiert.

Seit Beginn dieses Jahrzehnts sind die afrikanischen Staaten vollends enttäuscht. Denn das Desinteresse der Sowjets an echter Hilfe trat offen zutage. Ab 1982 hat die Sowjetunion ihre Importe aus allen afrikanischen Ländern, mit Ausnahme Libyens, drastisch verringert. Laut OECD blieb die sowjetische Entwicklungshilfe 1982 bei 0,14 Prozent des Bruttona-tionalprodukts der UdSSR (etwas mehr als zwei Milliarden Dollar) stehen. Der afrikanische Anteil wurde noch mehr verringert.

Deshalb halten die Afrikaner den Sowjets das Sinken des Handels und Mangel an Hilfestellungen vor. In allen „pro-sowjeti-schen Ländern“ Afrikas ist der Kreml heute in der Defensive. Ganz offensichtlich hatte Afrika bis 1985 für Moskau keine andere

Bedeutung, als daß es seine dortigen „Dominosteine“ um jeden Preis behalten wollte.

In seinem ersten Jahr an der Macht hat Gorbatschow mehr Interesse für Afrika bekundet, als alle seine Vorgänger zusammen. Er empfing fünf afrikanische Präsidenten. Zwanzig Wirtschaftsdelegationen aus der UdSSR besuchten in diesem Zeitraum Afrika.

In seiner Rede vom 2. November 1987 nahm Gorbatschow die Idee eines UNO-Entwicklungsfonds — gespeist aus Einsparungen durch den Abrüstungsprozeß - wieder auf. Moskau gibt sich jetzt um Entwicklüngsprobleme sehr besorgt. „Abrüstung zum Nutzen der Entwicklung“ ist das Motto.

Hinter den Kulissen des 27. Parteitages, der 1986 in die neue Ära hinüberleitete, sprach man schon von folgenden sechs Punkten des

Gorbatschow-Planes für Afrika:

• Aktive Präsenz auf politischem und ideologischem Gebiet in einer Periode, in der sowohl die USA als auch der Islam ihre Aktivitäten intensivieren;

• Dem Westen die Naturschätze streitig machen; .

• Verstärken der bilateralen Beziehungen und Verträge auf allen Gebieten und mit allen Ländern ungeachtet ihrer politischen Orientierung;

• Schaffung von sozialen und intellektuellen Grundlagen, um wieder zu begünstigten Beziehungen mit Afrika zu kommen;

• Gegenwärtig sein in Ländern, die offiziell mit dem Westen verbunden sind, Infiltration in intellektuelle und bürokratische Kreise;

• Und schließlich „Marxisieren“ der Regierungsmacht und „Kapitalisieren“ der Wirtschaft.

Moskau ermutigt seine afrikanischen Verbündeten, sich dem Westen zu öffnen.

Es ist aber unwahrscheinlich, daß sich der Kommunismus als politisch-ökonomisches System in Afrika halten kann. Denn für seinen Erfolg braucht er eine lang andauernde ökonomische Unterstützung ohne Bruch. Bis dato haben die UdSSR und ihre Satelliten eine solche Unterstützung aber nicht verwirklichen können.

Dreißig Jahre der Zusammenarbeit zwischen Moskau und Afrika waren von großen Hoffnungen und noch größeren Enttäuschungen geprägt. Wird jetzt Gorbatschow mit Afrika mehr Erfolg haben?

„Perestrojka“ und „Glasnost“ bedeuten nicht Aufgabe der kommunistischen Ideale. Auch unter diesem Aspekt ist Afrika für den „Gorbatschowismus“ ein wichtiger Faktor. Moskau wird seine Afrika-Politik aber nur dann konsolidieren können, wenn es begreift, daß allein der wirtschaftliche Faktor für den Erfolg der sowjetischen Aktionen in Afrika ausschlaggebend ist.

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