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Der Kreml mischt noch immer mit

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Am 21. März beendete die weiße Regierung unter Ministerpräsident Ian Smith ihre Tätigkeit, und die dem internen Ubereinkommen entsprechende Ubergangsregierung trat ihr Amt an. Die vier Mitglieder des Exekutivrates - es sind dies die Unterzeichner des Vertrages Premierminister Smith, Bischof Muzorewa, Pfarrer Si-thole und Senator Häuptling Chirau -wurden vor einem schwarzen Bischof vereidigt. Der Vorsitz in diesem Gremium wird nach einem vorausbestimmten Turnus gewechselt. Die einzelnen Ressorts werden von je einem weißen und schwarzen Minister gemeinsam geführt.

In der Ubergangsphase, die bis zum 31. Dezember dauern soll, bleibt das bisherige Parlament zwar bestehen, kann aber keine wichtigen Beschlüsse mehr fassen. Außerdem hat Smith dafür gesorgt, daß ihm die Kontrolle über die Verteidigung, die öffentliche Ordnung und die Finanzen nicht entgleitet. Die bedeutendste Bestimmung des Abkommens ist aber in der Festsetzung der Zahl der weißen Abgeordneten im zukünftigen Parlament zu erblicken: Von den 100 zu vergebenden Sitzen sind 28 für Weiße reserviert,

wobei hervorgehoben werden muß, daß schon 23 Stimmen als Sperrminorität jeden mißliebigen Antrag verhindern können, zumindest in den nächsten zehn Jahren.

Für die nächste Zukunft ist ein Referendum unter den weißen Rhodesiern vorgesehen, das aller Wahrscheinlichkeit nach zustimmend ausfallen wird; danach soll der Exekutivrat eine detaillierte Verfassung ausarbeiten und allgemeine Wahlen vorbereiten.

Die große Frage bleibt, ob diese Lösung praktikabel sein wird oder ob die von außen wirkenden Kräfte stärker sein werden. Denn das Rhodesienproblem ist schon weitgehend internationalisiert worden. Das entscheidende Wort sollte Großbritannien als ehemalige Kolonialmacht sprechen. Da die Londoner Regierung sich jedoch aller

Gefahren bewußt ist, die durch die möglichen Verwicklungen heraufbeschworen werden können, agiert sie entsprechend vorsichtig.

Die meisten schwarzafrikanischen Staaten lehnen den Rhodesienvertrag ab. Vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durften zwar die militanten Führer der Patriotischen Front, Jo-suah Nkomo und Robert Mugabe, die das Vertragswerk bekämpfen, sprechen, nicht aber Abel Muzorewa und Ndabanigi Sithole, die Mitunterzeichner des Abkommens. Der Sicherheitsrat verwarf sodann die „interne Lösung“ als gesetzwidrig und unannehmbar. Die wesentlichen Mitglieder des Sicherheitsrates enthielten sich der Stimme, anstatt in irgend einer Weise Entschlossenheit zu demonstrieren.

US-Präsident Carter sprach sich für eine neuerliche Konferenz aller am Rhodesienkonflikt beteiligten Parteien aus, da eine Regelung, mit der nicht alle Teile zufrieden seien, keinen Bestand haben könne. Man muß sich fragen, welchen Sinn eine solche Anregung hat, ist doch sattsam bekannt, daß Nkomo und Mugabe ausdrücklich

die ganze Macht für sich reklamieren und keine Kompromisse schließen wollen.

Angesichts der zögernden Haltung der Vereinigten Staaten wagt die britische Regierung nicht, für die gemäßigte Rhodesienlösung einzutreten. Es wäre für Großbritannien zu riskant, ohne Rückendeckung durch die USA in einen internationalen Konflikt verwickelt zu werden. Es geht dabei nicht um die Patriotische Front, mit ihr werden die Rhodesier allein fertig. Es geht vielmehr um die Frage, ob Sowjets und Kubaner eines Tages in die Kämpfe eingreifen werden wie sie es in Angola und Äthiopien bereits getan haben.

In Rhodesien halten sich Gerüchte, Nkomo werde zuletzt doch noch nachgeben und versuchen, bei den bevorstehenden Wahlen mitzumischen. Ist das Wunschdenken? Tatsache ist, daß es nie ein echtes Einverständnis zwischen ihm und Mugabe gab. Ein reines Zweckbündnis hält sie zusammen. Die Hoffnung auf ein Einlenken Nkomos kann sich erfüllen, wenn die Sowjets ihn fallen lassen: Den Schlüssel zum Ausgang des Rhodesienkonflikts hält demnach der Kreml in den Händen.

Je ängstlicher sich die Westmächte gebärden, desto weniger ist zu erwarten, daß Moskau auf die Chance, seinen Einflußbereich zu erweitern, verzichtet. Amerika, vom Vietnamtrauma permanent gelähmt, tritt nicht mehr als „Garant der Freiheit“ auf. So sehen sich die weißen und die gemäßigten schwarzen Rhodesier allein gelassen.

Dieser bitteren Erkenntnis gab der rhodesische Außenminister van der Byl in einem Interview Ausdruck, in dem er sagte: „Briten und Amerikaner leiden unter einer beinahe panischen Furcht vor einer Konfrontation mit den Sowjets. Deshalb sind sie bereit, fast jeden Preis zu bezahlen, um einer solchen Konfrontation ausweichen zu können. Wir können nicht mehr auf Briten und Amerikaner zählen, um die Freiheit zu verteidigen.“

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