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Der „Landeshauptmann-Bonus“

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Die ÖVP-Fahnen bei dieser Kärntner Landtagswahl am vergangenen Sonntag standen auf Sieg. Die Volkspartei konnte jedoch lediglich den Mandatsstand von 1970 halten. Weite Kreise der Öffentlichkeit haben dies als Niederlage gewertet. Dies um so mehr, als Kärnten die Heimat von ÖVP-Obmann Schleinzer ist.

Viele Überlegungen wurden seit dem Sonntag in der ÖVP darüber angestellt, was wohl der Grund für diesen Wahlausgang sei, der geradezu eine Versteinerung der politischen Verhältnisse im südlichsten Bundesland darstellt. Genau dasselbe Wahlergebnis wie 1970 (20 Mandate im Landtag für die SPÖ, 12 Sitze für die ÖVP und 4 für die Freiheitlichen), das hatte sich wohl die Volkspartei am wenigsten erwartet. Denn die SPÖ hat wohl ein sehr unruhiges Leben hinter sich, besonders in den letzten drei Jahren. Die Probleme mit der slowenischen Minderheit, den sogenannten „Ortstafelkonflikt“, ebenso den Sturz des langjährigen Landeshauptmannes und Kreisky-„Königsmachers“ Sima durch seinen vormaligen Landesparteisekretär Wagner. Schließlich die erst vor kurzem gefallenen Äußerungen des nunmehrigen Landeshauptmannes Wagner über seine eigene Vergangenheit bei der Hitlerjugend.

Nicht zuletzt fühlte sich die ÖVP in Kärnten relativ sicher, weil ihr noch immer das Ergebnis der Klagenfurter Gemeinderatswahl frisch im Gedächtnis ist, wo es durch eine Absprache mit der FPÖ möglich war, den ehemaligen Nationalratsabgeordneten Guggenberger auf den Bürgermeisteraessel zu hieven, wo er sich seither großer Beliebtheit erfreut.

„Bacher, der Macher“, wie sich Landesparteiobmann Herbert Bacher auf Plakaten, in denen er hemdsärmelig für sich und seine ÖVP warb, nennen ließ, und sein kleines Team hatten versucht, populäre Wirtschaftspolitik in den Wahlkampf zu tragen. Die „Aufholmilliarde“ war der zentrale Slogan. Und gerade hier scheint es der SPÖ ein leichtes gewesen zu sein, die Argumentation mit Gegenargumenten aufzuweichen. Die konjunkturelle Abschwungsphase und die allerorten hörbaren Sparappelle kamen ihr dabei zugute. So konnte die ÖVP mit ihrer schon vor längerer Zeit konzipierten Aussage bei der Bevölkerung nicht so recht Fuß fassen.

Daß daher die Suche nach den

Schuldigen — trotz aller möglichen gegenteiligen Beteuerungen innerhalb der ÖVP — bereits eingesetzt hat, wird letzten Endes niemanden verwundern. Mehr oder minder unverhohlen spricht man in der Volkspartei bereits davon, daß „Bacher, der Macher“ abgelöst werden soll und im selben Atemzug wird der Name des noch relativ jungen Landesrates Knafl als Nachfolger genannt. Analysiert man den Wahlausgang in Kärnten zahlenmäßig, so ergibt sich folgendes Bild: die SPÖ erhielt diesmal 51,4 Prozent der gültigen Stimmen, was gegenüber der Landtagswahl von 1970 eniien Verlust von 1,7 Prozent bedeutet. Die ÖVP erhielt 32,4 Prozent, sie konnte also ihre Stellung im wesentlichen halten, der Verlust gegenüber 1970 betrug lediglich 0,1 Prozent. Die Freiheitlichen schließlich bekamen am vorigen Sonntag 11,8 Prozent der Stimmen, was einem Verlust gegenüber den letzten Landtagswahlen von 0,3 Prozent entspricht.

In der Bundesparteileitung der ÖVP in der Wiener Kämtnerstraße wurden verschiedene Betrachtungen zum Wahlausgang angestellt. Wie verlautet, konnte festgestellt werden, daß in Kärnten so etwas wie ein Nord-Süd-Gefälle für die Sozialisten besteht. Haben aber landes- pollitische Erscheinungien den Wahlausgang wirklich allein bestimmt — etwa das Mdnderheitenproblem? Oder ist in Kärnten der Aufwärtstrend der ÖVP endgültig gebrochen worden? Denn seit 1972 war bei den Zwischenwahlen ein ständiger Trend nach oben festzustellen gewesen: 1972 ein Plus von 2,3 Prozent, 1973 ein Zuwachs von 2,4 Prozent und 1974 gar ein Gewinn von 4,3 Prozent.

Oder gibt es so etwas wie einen „Landeshauptleute-Bonus“, einen Platzvorteil des Landeshauptmannes vor seinem politischen Gegner? In denjenigen Bundesländern, in denen die ÖVP den Landeshauptmann stellt, und das sind immerhin sechs, hat dies die SPÖ — nicht immer ohne einen Unterton des Vorwurfs — immer wieder behauptet. Und es könnte etwas Wahres dran sein. In Wien, dem Burgenland und in Kärnten hat die SPÖ nämlich respektabel abgeschndtten, in den Ländern mit ÖVP-Landeshauptleuten jeweils die Volkspartei.

Die Lehren, die die ÖVP aus dem Kärntner Ergebnis ziehen wird? Wohl nicht allzuviele. Für die politische Propaganda der Bundespartei- letung lautet die Devise eher: möglichst rasch in die Offensive gehen und die Sozialisten in der Bundes- polrtiik attackieren. Schon stehen andere Wahlgänge bevor, die sich Sicher besser für eine Positivwerbung auswerten lassen: die Handelskammerwahlen im April, deren Ausgang für den ÖVP-Wirtiscbaftsbund wohl unbestritten ist, und die Tiroler Landtagswahl Anfang Junii, wo die Volkspartei auch kaum um ihre Bastionen bangen muß.

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