6921860-1981_47_14.jpg
Digital In Arbeit

Der Leib als der Angelpunkt des Heils

19451960198020002020

Am 22. November feiert die Diözesansportge- meinschaft Oberösterreich ihr 30-Jahre-Jubi- läum. Andere Diözesen haben ähnliche Organisationen eingerichtet. Ein guter Grund, einmal über die Frage Kirche und Sport Überlegungen anzustellen.

19451960198020002020

Am 22. November feiert die Diözesansportge- meinschaft Oberösterreich ihr 30-Jahre-Jubi- läum. Andere Diözesen haben ähnliche Organisationen eingerichtet. Ein guter Grund, einmal über die Frage Kirche und Sport Überlegungen anzustellen.

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt kaum eine Weltanschauung, die den menschlichen Leib so ernst nimmt wie das Christentum. „Gott hat den Menschen gemacht und hat ihn aus einem geistigen und einem materiellen Element zu einer Einheit gefügt. Christus hat einen Leib angenommen, ist voller Mensch geworden und hat uns als solcher erlöst, sodaß Tertul- lian einmal in einem großen Wort sagen konnte: caro cardo salutis — Das Fleisch ist der Angelpunkt, der Wendepunkt des Heiles,“ sagte Erzbischof Franz Ja- chym bei einem Sportsymposium der Christlichen Sportakademie Wien.

Die Verbindung von Religion und Sport ist nicht neu. An der Wiege der Leibes-

Übungen stand der Kult, und der Wiedererwecker der Olympischen Spiele, Pierre de Coubertin, sagt: „Das erste und wesentliche Merkmal des alten wie des modernen Olympismus ist es, eine Religion zu sein.“ Sokrates hat im JPhai- don“ auf dem Höhepunkt des Gesprächs über die Unsterblichkeit der Seele die Leibesübungen als die ausgezeichnete Möglichkeit erwähnt, den Körper gegen seine Trägheit und Begierden durch die Seele zu beherrschen und ihm mit der ganzen Härte des Willens die größten Leistungen ab- zufordem. Körperkultur und Sport können nur auf den Grundlagen ethischmoralischer Prinzipien sinnvoll betrieben werden. Sofern das sportliche Tun aus dieser ethischen Verantwortlichkeit entlassen

wird, kommt es zu Degenerationserscheinungen des Sports.

Die antiken olympischen Spiele waren Spiele zu Ehren der Gottheiten, es waren kultische Spiele. Die Sportstätten waren rings um die Kultstätten angeordnet. Allmählich aber ging diese ursprüngliche Zielsetzung verloren. Man kämpfte nicht mehr zur Ehre eines Gottes, sondern mehr und mehr, um materielle Vorteile zu erzielen.

So gingen die Spiele an ihrer rein diesseitsbezogenen Zielsetzung zugrunde.

1. Neue Einstellung zum Leib aus moraltheologischer Sicht: In den ältesten Lehrbüchern der Moraltheologie kommt der Sport mehr oder minder nur im Traktat über das Fünfte Gebot vor — in der Frage nämlich, wie weit der Mensch im

sportlichen Wagnis sein Leben aufs Spiel setzt (Joseph Maisbach, „Die katholische Moraltheologie“, 9. Auflage, Münster 1960/61).

Die neuere Literatur hingegen zeigt eine zunehmend positive Einstellung der Moraltheologen zu Fragen des menschlichen Leibes und der Körperkultur. Diese neue Sicht vom Leib ist sicher Ausgangspunkt für eine breitere Behandlung von Sport und Leibesübungen in der Moraltheologie, Ethik und Aszetik. ♦

Dazu Bernhard Häring in seinem großen Werk der Moraltheologie („Das Gesetz Christi“): „Die christliche Einstellung zum Leib hält die spannungsvolle Mitte zwischen spirituali- stisch-dualistischer Leibfeindlichkeit und materiali- stisch-vitalistischer Leibvergötterung, zwischen ei

nem naiven Optimismus, der von Erbsünde nichts weiß und einem finsteren Pessimismus, der im Leibe nichts von der Schöpfungsund Erlösungsherrlichkeit sieht.“

2. Der Sport ist auch ein gesellschaftliches Phänomen geworden: Der Einfluß des Sports auf andere gesellschaftliche Daseinsbereiche — Politik, Familie, Arbeitswelt, Freizeitbereiche, Kirche — ist unbestritten. Die Kirche will eine Kirche des Volkes sein und muß sich daher um die Interessen des Volkes kümmern, um Zugang zu den Menschen zu finden.

Uber den Sport gibt es zweifelsohne Zugang zur Jugend und zu Erwachsenen. Es gibt eine Vielzahl von Institutionen, die den Sport aus christlicher Weltanschauung zu interpretieren und mit christlichem Gedankengut zu durchdringen versuchen.

Ein eigenes Sekretariat für „Sport und Seelsorge“ besteht im Haus des österreichischen Sports in Wien.

Am 26. Juni 1945 wurde die österreichische Turn- und Sportunion gegründet. Obwohl als impolitischer Verein konzipiert, liegt dieser Vereinigung christliches Gedankengut zugrunde.

Auch die Katholische Jugend hat den Einbau der Leibesübungen in ihr ganzheitliches Erziehungsprogramm vorgenommen. Um eine bessere Durchgliederung zu erreichen, wurden die heute sehr aktiven Diö- zesansportgemeinschaften ins Leben gerufen. Priester- und Sch westems portwo-

(Foto Klomfar)

eben werden jährlich erfolgreich durchgeführt. Es gibt regelmäßige Turnstunden für den Klerus in Uni- versitätstumanstalten.

Um die Zusammenarbeit zwischen Kirche und den Sportverbänden zu intensivieren, wurde in Wien auch ein eigener Arbeitskreis „Sport und Seelsorge“ konstituiert und eine Kontaktstelle „Sport und Seelsorge“ errichtet.

Eine Neubesinnung der Kirche auf eine mögliche Wertrealisierung durch den Sport findet statt: „Wir sprechen den Leib, an, die Seele wird antworten“, (Rudolf Hagelstange). In demselben Sinne formulierten die Turnemeuerer ihr Programm: „Der Ansatzpunkt der Leibesübungen ist der Leib, das Ziel der ganze Mensch“ (Karl Gaulhofer).

In der neueren Literatur findet man vielfach die Auffassung von der „Wertneutralität“ des Sports. Ein guter Sportler ist nicht a priori ein guter Mensch, ein guter Christ. Tatsache aber ist, daß der Sport als Einzeloder Mannschaftssport die Möglichkeit bietet, ethische, moralische und soziale Werte zu realisieren.

Die Sportausübung bietet praktische Möglichkeiten zur Einübung von moralischen Verhaltensweisen. Nach Heinrich Pestalozzi hängen Körperbildung und sittliche Erziehung sehr eng zusammen. Gewisse Sportzweige verlangen von ihrer Struktur her bestimmte humanitäre . Verhaltensweisen.

So ist „Fairness“ ein zentrales Erfordernis aller

Mannschaftssportarten. Aber auch Ritterlichkeit, Kooperation, Disziplin, Einsatzbereitschaft, die Fähigkeit des Verzichtens, des Verlierens, Willensschulung, Selbstüberwindung, Selbstverleugnung, V erant- wortung für den Partner, Verantwortung für den Gegner, Achtung des Gegners — dies alles sind Kategorien, die die Basis im Sport und auch im religiösen Leben bilden.

Sicherlich können solche Fähigkeiten und Verhaltensweisen auch außerhalb von Religion und Sport auf- treten. Es ist ja nicht die erste Aufgabe des Sports, ethische Ziele zu verwirklichen, aber im Sport werden solche Fähigkeiten vielfach gefordert. Ob allerdings der Transfer von der sportlichen Ebene in den Alltag vollzogen wird, hängt wiederum von der Person des Sporttreibenden ab.

Die Verfasserin unterrichtet an der Pädagogischen Akademie der Diözese Graz-Seckau.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung