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Der Letzte und der Erste

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Jedes Jahr ein Buch! Das ist das „Soll", welches sich Heinrich Drimmel nach seinem totalen Rückzug vom öffentlichen Leben und von jeder gesellschaftlichen Kommunikation gesetzt hat. Im vergangenen Jahr hat er es „übererfüllt". Das dem Verlag pünktlichst übergebene Manuskript erwies sich als so umfangreich, daß sich das Haus Amalthea zu einer Teilung entschließen mußte.

Der Zweite Band, welcher dem Leben und der Zeit Kaiser Franz I. von 1815 bis zu seinem Tod gewidmet sein wird, kann die interessierten Leser daher erst heuer erreichen.

, Dieser Zweiteilung des Manuskripts scheint auch der vom Verfasser ursprünglich vorgesehene Titel „Der Letzte und der Erste" (nämlich der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und der Erste Kaiser von Österreich) zum Opfer gefallen zu sein. Schade. Er schien dem Rezensenten wirklich suggestiv und nicht nur der Person Kaiser Franz angemessen, sondern auch der historischen Weichenstellung, welche sich unter seiner Herrschaft dadurch für die weitere Geschichte unserer Heimat vollzog, entsprechend.

Um was es Heinrich Drimmel wirklich ging, war nicht nur eine Ehrenrettung des von der liberalen Geschichtsschreibung und ihren Nachbetern wenig gerecht behandelnden Herrschers, sondern auch vor allem um eine Rehabilitierung des sogenannten „Fran-zisceischen Zeitalters". Damit sind wir wieder bei Drimmels „Hausthema" angelangt: der wortreichen und wortgewaltigen Verteidigung des „konservativen Prinzips" gegen alle revolutionären Herausforderer - oder was man eben dafür hält.

Dafür bieten natürlich die Ereignisse der Französischen Revolution und die in ihrem Gefolge stattgefundenen Feldzüge Napoleons gegen die Mächte des alten Europas einen exemplarischen Anschauungsunterricht. Der Autor weiß ihn zur Unterstützung seiner Thesen klug zu nützen. Leider überzieht er auch diesmal gelegentlich wieder seine Argumentationskette in der Verteidigung der „gerechten Sache" und verfällt in sein altes Schwarz-Weiß-Schema, das keine ausgewogene Betrachtung zuläßt.

Besonders scharf hat es diesmal der Autor auf die Freimaurer. Ihre Logen waren nach seinem Urteil „zwar nicht Ort der Konspiration, dafür aber Mittelpunkt des geistigen Klimas der Revolution in Nordamerika und Frankreich im 18. Jahrhundert". Weiter im Text: „Die bedeutendsten Macher dieser Revolution wurden moralisch und politisch bei der Arbeit in den Logen für ihre Taten herangebildet."

Wenn auch die Aktivitäten und die Geisteswelt der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts kaum mit jenen der heutigen in unseren Breiten eher „Pennalien für Kommer-zialräte" gleichenden Vereinigungen des gleichen Namens zu tun haben dürften, so verfällt Drimmel bei diesem Thema in eine wenig sympathische „Ketzer-riecherei", die selbst vor „Sippenhaftung" nicht zurückschreckt.

Genau diese Maßlosigkeit in der Polemik ist es aber, welche den Leser am Konservativismus Drimmels zweifeln und die Frage offen läßt, ob er letzten Endes doch geistesgeschichtlich nicht eher den von ihm ansonsten verbal abgelehnten Reaktionären zuzurechnen ist...

Ein paar weitere kritische Fußnoten:

„Pere Lachiase" (S. 140) statt „Pere Lachaise" mag auf Konto des Druckfehlerteufels gehen. Der Tag des hl. Aloisius ist jedoch nicht der 21. Juli, wie Drimmel mehrmals schreibt, sondern der 21. Juni. Der Ort in Oberitalien, wo nach dem 1. Koalitionskrieg Friede geschlossen wurde, heißt nicht „Campo Formido" (S. 187, 188, 193, 215, 215). Es steht in allen Geschichtsbüchern richtig als „Campo Formio" verzeichnet.

Daß Frankreich erst 1945 wieder den gleichen Einfluß im deutschen Raum wie 1806 erreicht hat (S. 250), klingt selbst in französischen Ohren zu schön, um wahr zu sein...

Genug der Vorbehalte. Von diesen abgesehen hat den Rezensenten —Hand auf Herz—seit den Memoiren des Verfassers „Die Häuser meines Lebens" noch keines der Drimmelbücher so angesprochen, wie das vorliegende. Es kann in einer der Geschichte nicht gerade holden Zeit mithelfen, das Interesse für die Befassung mit der Historie zu mehren und die Achtung vor allen Epochen österreichischer Geschichte stärken.

Gerade deshalb und nicht aus kleinlichem Kritikastertum und pseudoprofessionaler Besserwisserei werden die oben angeführten „Ungereimtheiten" bedauert.

KAISER FRANZ. Ein Wiener übersteht Napoleon. Von Heinrich Drimmel. Amalthea Verlag, Wien 1981. 487 Seiten, Ln., öS 198,-

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