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Der Libanon beginnt bei Null

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Elias Hrawi (67), der im November 1989 zum Präsidenten des Libanon gewählt wurde, wird im Lande ironisch als „Vizepräsident” bezeichnet. Die wahren Machthaber sitzen in Syrien. Trotzdem ist Hrawi relativ beliebt. Die christliche Opposition hält sich dem Aufbau des Landes zuliebe zurück. Die Libanesen sind völlig mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen beschäftigt.

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Elias Hrawi (67), der im November 1989 zum Präsidenten des Libanon gewählt wurde, wird im Lande ironisch als „Vizepräsident” bezeichnet. Die wahren Machthaber sitzen in Syrien. Trotzdem ist Hrawi relativ beliebt. Die christliche Opposition hält sich dem Aufbau des Landes zuliebe zurück. Die Libanesen sind völlig mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen beschäftigt.

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„Wir sind daran, den Libanon wieder aufzubauen - und dabei müssen wir bei Null anfangen”, erklärt Präsident Hrawi der FURCHE. Nach 17jährigem Bürgerkrieg fehlt es an allem. „Man kann mit modernen Bomben eine Stadt in ein paar Sekunden zerstören, aber um sie wieder aufzubauen, braucht man Jahre.” Die Libanesen wünschen sich heute nicht nur ein Land, wie es 1975 ausgesehen hat, sondern wie es 1993 hätte aussehen können.

600.000 Libanesen hat der Krieg ins Ausland vertrieben, die wegen der von Israel im Südlibanon beanspruchten „Sicherheitszone” Vertriebenen und die Flüchtlinge aus dem Gebirge, Schuf und Aley, nicht mitgezählt, berichtet Libanonc Präsident. „Es mangelt uns an Geld, um ihre Rückkehr zu unterstützen, um ihnen zu helfen, ihre Häuser wieder aufzubauen. Trotzdem beginnen manche Flüchtlinge zurückzukehren. Die Caritas hat fürs erste 350.000 Dollar zur Verfügung gestellt.”

Premierminister Rafik Hariri, ein vermögender Moslem, hat aus eigener Tasche zwei Millionen Dollar in einen Fonds bezahlt, damit die Christen in die Berge zurückkehren können. „Ich hoffe”, so Hrawi zur FURCHE, „daß unser Appell an die wohlhabenden Libanesen zur Aufstockung dieses Fonds auf Gehör stoßen wird.”

Klage über die UNO

Was die Rückkehr der von Israel besetzten „Sicherheitszone” im Südlibanon unter libanesische Hoheitsgewalt betrifft, fordert Hrawi die Erfüllung der UNO-Sicherheitsrats-resolution 425, die den Rückzug Israels verlangt. Bitter beklagt sich Hrawi über den Sicherheitsrat, der für den Libanon kein Ohr habe. „Ich finde das mehr als ungerecht. Israel nimmt sich das Recht, 415 Palästinenser rauszuwerfen. Und Israel wagt es, uns Libanesen zu sagen, wir hätten kein menschliches Empfinden! Und sie, haben sie das vielleicht? Wenn sich schon Sanktionen gegen solche Leute aufdrängen, dann soll Israel doch in Cisjordanien oder im Gazastreifen das tun, aber warum schickt es diese Menschen uns? Der Libanon nimmt niemanden mehr auf, er hat seine Tore geschlossen.”

Die Anwesenheit der syrischen Armee - 40.000 Soldaten liegen zwischen Beirut und der Bekaa-Ebene -hält Libanons Staatspräsident für manche Gebiete noch nötig. „Immer wenn wir sie irgendwo nicht mehr brauchen, rede ich mit dem syrischen Präsidenten Hafez El-Assad. Er fragt dann, ob wir bereit sind, und unsere Armee löst die seine ab, wie hier in Beirut. Ich brauche nicht mehr Soldaten, als ich habe, aber ich muß noch etwas Material erwerben können, damit ich die Stellung halten kann. Dann werde ich Präsident Assad danken können.” Gegenwärtig bestehe eine „gewisse Sicherheit”, eine „gewisse Zuversicht” im Lande, betont Hrawi, der darauf hinweist, daß die Milizen und ihre Konfessionsgebundenheit im Verschwinden seien.

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