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Der „Luxus Privatschule

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Schulgeld für Privatschulen ist privater Luxus: auf diesen knappen Nenner brachte der Berufungssenat VII der Finanzlandesdirektion für Wien, NJederöster-reich und Burgenland die Begründung für seine Abweisung einer Beschwerde gegen einen Einkommensteuerbescheid.

Der Wiener Journalist Helmuth Waldert hatte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1984 beim Finanzamt insgesamt 29.000 Schilling an Schulkosten für seine beiden Kinder, die die Rudolf Steiner-Schule in Wien-Mauer besuchen, als „außerge-

wohnliche Belastung“ gemäß Paragraph 34 Einkommensteuergesetz steuermindernd geltend gemacht. Aber er biß mit seinem Antrag bei allen Instanzen der Finanzbehörde auf Granit. Jetzt hat sich Waldert mit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gewandt.

Das Ehepaar Waldert sieht durch die Entscheidung der Finanz seine verfassungsmäßig garantierten Elternrechte verletzt. Denn nicht nur der Artikel 26 der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen spreche den Eltern das Recht zu, die Art der ihren Kindern zuteil werdenden Bildung zu bestimmen, sondern vor allem auch Artikel 2 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, die ja in Österreich Verfassungsrang hat.

Laut dieser Konvention hat der Staat „bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Uberzeugungen sicherzustellen“. Und weil eben das österreichische Schulsystem keinen Schultyp anbietet, der den Prinzipien der anthroposophi-schen Pädagogik Rudolf Steiners entspricht, müsse er seiner weltanschaulichen Uberzeugung nach auf den privaten Schulsektor ausweichen, argumentiert Waldert.

Aus dieser Weltanschauung dürfe aber entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz keine wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähig* keit gegenüber den anderen Steuerpflichtigen, die ihre Kinder in die kostenlose öffentliche Schule schicken, erwachsen.

Wenn die Verfassungsrichter die Entscheidung der Finanzbehörde nicht aufheben, dann wird aus dem Recht, das Angebot des öffentlichen Schulsektors in Anspruch nehmen zu können, plötzlich eine Pflicht — was wiederum dem Prinzip der „freien Schul-wahl“ entgegenläuft.

So gesehen geht's in diesem'

Streitfall nicht bloß darum, einen neuen Posten in die Liste der steuerlichen Absetzbeträge hineinzu-reklamieren (schon heute darf man ja alles mögliche — vom Auto bis zu den Begräbniskosten — für mittellose Verwandte steuerlich geltend machen). Es geht vielmehr darum, was dem Staat das Recht der Eltern wert ist, ihren Kindern, eine Erziehung nach ihren Uberzeugungen zu ermöglichen.

Betroffen sind derzeit in Österreich rund 110.000 Schüler an Privatschulen, etwa die Hälfte davon besucht katholische Privatschulen. Zumindest verbal werden diese Schulen als „unverzichtbarer Bestandteil in unserem Schulsystem“ (Sektionschef Leo Leitner vom Unterrichtsministerium in der FURCHE-Serie „Privatschule gesucht?“, Nummer 18 bis 24/1985) bewertet.

Immerhin zahlt der Staat den gesamten Lehrer-Personalaufwand der konfessionellen Privatschulen. Aber allein die Schulerhalter (zumeist Orden und Diözesen) und Eltern kostet das „Privatschulvergnügen“ der knapp 58.000 Schüler an katholischen Privatschulen noch über 725 Millionen Schilling pro Jahr. Und knapp mehr als die Hälfte davon müssen die Eltern durch ihre Schulgeldbeiträge berappen.

Die Rudolf Steiner-Schulen leben überhaupt fast zur Gänze von Elternbeiträgen.

Die Eltern von Privatschülern werden somit doppelt zur Kasse gebeten: Einmal finanzieren sie mit ihren Steuern das öffentliche Schulwesen und zum andern müssen sie für den Privatschulbesuch ihrer Kinder Schulgeld bezahlen.

Aber auch der Staat profitiert von den Privatschulen. Würden alle diese Schulen zusperren, dann müßten an ihrer Stelle öffentliche Schulen geschaffen werden. Nach vorsichtigen Schätzungen würde dies den Staatshaushalt zusätzlich mindestens acht Milliarden Schilling kosten.

So gesehen greift die Argumentation des Berufungssenats der Finanzlandesdirektion im „Steuerfall Waldert“ in jedem Fall zu kurz, wenn sie dem Schulgeld für Privatschulen die .Außergewöhnlichkeit“ der finanziellen Belastung für die betroffenen Eltern abspricht, weil es sich dabei um Aufwendungen handle, „die sich als Folge eines Verhaltens darstellen“, zu dem sich die Eltern „aus freien Stücken“ entschlossen haben.

Vielmehr besteht für Eltern nach geltendem Recht geradezu eine sittliche Verpflichtung, für eine Erziehung und Ausbildung der Kinder entsprechend ihren weltanschaulichen Vorstellungen Vorsorge zu tragen. Die Verfassungsrichter können jetzt dafür sorgen, daß den Eltern dabei nicht länger finanzielle Prügel vor die Füße geworfen werden.

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