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Der mediale Karrierelift

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Franz Kreuzers Mutation vom ORF-Informationsintendanten zum Minister ist alles andere als ein Zufall. Sie ist Symbol für den Wandel des demokratischen Systems.

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Franz Kreuzers Mutation vom ORF-Informationsintendanten zum Minister ist alles andere als ein Zufall. Sie ist Symbol für den Wandel des demokratischen Systems.

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Der Aufstieg, der Franz Kreuzer Anfang dieser Woche gelang, erhielt die Etikette „Sensation“. Vom ORF-Informationsintendanten zum Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz, aus einer Führungsposition im Medienbereich in die lichten Höhen der Politik.

Dabei war Kreuzer, ehemaliger Chefredakteur des sozialistischen Parteiorgans AZ, schon im Sommer dieses Jahres für Ministerwürden im Gespräch. Da allerdings für das Wissenschaftsministerium.

Daß Kreuzer den Schritt in die hohe Politik schaffte, wird von nicht wenigen Insidern als Bestätigung ihrer Kritik gewertet, denn für sie war er schon bisher der „heimliche Informationsminister“, der meist sehr leise, manchmal aber doch unübersehbar die Gewichte bei der innenpolitischen Berichterstattung einseitig verteilte.

So bremste er die Berichterstattung über die „Lucona“-Affäre des Gratz-Freundes Udo Proksch, während die angebliche Bestechung des ÖVP-Wahlkampfma-nagers Heribert Steinbauer durch eine Werbeagentur sofort über den Bildschirm lief.

Doch auf dieser individuellen Ebene läßt sich die Mutation Kreuzers vom Journalisten zum Minister nicht erklären. Der Wechsel in die Politik ist vielmehr Symbol für einen Wandel des demokratischen Systems Österreichs, auf den in der politikwissenschaftlichen Diskussion der letzten Zeit wiederholt hingewiesen wurde.

„Demokratierituale“ lautet etwa der von Fritz Plasser, Peter A. Ulram und Manfried Welan im Verlag Böhlau vor wenigen Wochen herausgegebene Sammelband, in dem Fritz Plasser den Tod der „alten Politik“ und den „Triumph der politischen Technostruktur“ beschreibt: „Politik in demokratischen Fernsehgesellschaften wird tendenziell Produkt einer reziproken Arbeitsteilung zwischen den politischen Institutionen und der Institution Fernsehen.“

Die traditionellen Parteistrukturen, die traditionellen Formen, wie Politik gemacht wird, werden zunehmend bedeutungsloser, die Kommunikation zwischen Journalisten und Politikern wird zum wesentlichen Faktor in der Politik.

Wenn es der Politik immer weniger gelingt, anstehende Probleme zu lösen, sie diese unter Umständen gar nicht sieht, dann ist es notwendig, politische Kompetenz und Leistungsfähigkeit anders zu signalisieren.

Dazu sind aber die Medien notwendig, die es etwa erlauben, „Ankündigungspolitik“ zu betreiben. Nicht die Durchsetzung von politischen Entscheidungen wird thematisiert, sondern die Ankündigung wird zum Gradmesser für politische Kompetenz hochstilisiert.

Der ÖVP-Grund- und Meinungsforscher Plasser entwirft in seiner Analyse ein erschreckendes Zukunftsbild: „Der steigende symbolische .Politikbedarf' des politisch-administrativen Systems und die zunehmend engere strukturelle Arbeitsteilung führen zu einer tendenziellen .Verschmelzung' der beiden Subsysteme. Am Ende dieses Entwicklungsprozesses steht ein komplexes politisch-technokratisches .Supersystem', in dem sich die Rollen zwischen Akteuren und Kontrolloren verwischen und eine professionelle Macht- und Medienelite demokratische Herrschaft täglich aufs neue inszeniert.“

Auch wenn Kreuzer für den Ministerposten nicht erste Wahl war, Sinowatz in der Wiener SPÖ vom Gesundheitsstadtrat Alois Stacher abwärts nach einem Arzt suchte und auch andere Kandidaten im Gespräch waren, die traditionelle Parteikarrieren hinter sich hatten, so fiel die Wahl alles andere als zufällig auf den Medienexperten.

Der Kommunikationswissenschafter Eugen Semrau stellt in den „Demokratieritualen“ zum Wandel der Auswahlkriterien in der elektronischen Demokratie fest: „Die veränderten Anforderungen an die Politik lassen bei der Auswahl der Kandidaten, aber auch bei der Formulierung politischer Ziele Aspekte der Um-setzbarkeit und des .Verkaufs' in den Vordergrund treten. Telege-nität ersetzt vielfach sachliche Kompetenz, Glaubwürdigkeit wird wichtiger als richtiges Argumentieren, Aussehen wichtiger als Wissen und Sachverstand.“

Auf Kreuzer treffen diese neuen „politischen“ Kriterien im hohen Ausmaß zu und signalisieren überdies die Skepsis von Parteieliten gegenüber Kandidaten aus der Parteihierarchie. Kreuzer ist somit der bisher spektakulärste, aber sicher nicht der letzte Fall in einer Reihe von Personalentscheidungen im Sinne der „neuen Politik“.

Der von Bundeskanzler Fred Sinowatz in die Politik geholte jetzige Wiener Bürgermeister und Ex-ORF-Mann Helmut Zilk ist Indiz dafür, ebenso daß sich der Salzburger Landeshauptmann Wüfried Haslauer den ORF-Journalisten Arno Gasteiger als Landesrat holte. In der ÖVP tummelt sich überdies schon seit langem eine Riege erfolgreicher ExJournalisten: Helga Rabl-Stad-ler, Jörg Mauthe, Alfred Worm, Kurt Bergmann und Heribert Steinbauer.

So gesehen ist es ein durchsichtiges Mäntelchen, wenn Sinowatz die Wahl Kreuzers mit dessen Engagement für die „soziale Umwelt“ begründet.

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