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Digital In Arbeit

Der Mensch im Mittelpunkt

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In unserer Welt der Manager und Macher hat man immer mehr den Eindruck, daß der einzelne Arbeitnehmer immer weniger zählt. Bedeutung hat weitgehend nur mehr der “Erfolg“, der Profit. Der Arbeitnehmer wird zu einem Kostenfaktor, der einfach ausgeschaltet - also entlassen - wird, wenn er sich nicht mehr rechnet. Keine Frage: Dies ist kein Weg in eine menschenwürdige Gesellschaft. Dagegen gilt es sich zu stellen, das ist eine vornehmliche Aufgabe aller Arbeitnehmervertretungen.

Daß hier die Grenzen nicht zu eng gezogen werden dürfen, das zeigt der Entwurf des Sozialhirtenbriefes der österreichischen Bischöfe “Sinnvoll arbeiten - solidarisch leben“. Er ist ein wichtiger Beitrag in der derzeitigen Situation und in der zukünftigen Entwicklung. Gerade in einer Zeit, wo dem sozialen Rückschritt ins 19. Jahrhundert vielfach das Wort geredet wird, in einer Zeit, in der soziale Errungenschaften zunehmend als Altlasten betrachtet werden und mit Sozialschmarotzerkampagnen der Einstieg in die Zwei-Drittel-Gesellschaft vorbereitet wird.

Es wird für alle, die die Interessen der arbeitenden Menschen vertreten, notwendig sein, einen neuformulierten Arbeitsbegriff zu diskutieren - und dann für die praktische Arbeit daraus die Konsequenzen zu ziehen. Dabei sind auf mittlere Frist alle Fragen der Erwerbsarbeit stärker in den Vordergrund zu stellen. Die Erwerbsarbeit im traditionellen Sinn wird nach wie vor die Grundlage für das Einkommen und damit für die Existenzsicherung sein.

Daher ist die Sicherung der Vollbeschäftigung von zentraler Bedeutung. Für die staatliche Politik muß alsp die Schaffung von Möglichkeiten zur Erwerbsarbeit vorrangiges Ziel sein. Es ist eine gesellschaftliche Frage. Sie darf nicht individualisiert, also auf den einzelnen abgeschoben werden.

Doch es geht dabei nicht allein um die Schaffung irgendeiner Erwerbsarbeit. Für die Menschen ist mehr zu fordern. Da geht es zunächst um die Gestaltung dieser Arbeit. Dann ist da die Frage des damit verbundenen Einkommens. Es soll ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Von zunehmender Bedeutung ist die Frage nach der Gesundheit. Eine aktuelle Gewerkschaftsforderung lautet daher “Arbeit darf nicht krank machen“. Zu diskutieren sind die Menschenwürde am Arbeitsplatz oder die Möglichkeiten zur Mitbestimmung.

Nehmen wir einige Punkte aus dem Entwurf des Sozialhirtenbriefes, die eine besondere Zustimmung der Arbeitnehmervertretung finden. So etwa die Kritik an der Flexibilisierung. Dahinter verbirgt sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die totale Anpassung der arbeitenden Menschen an die betrieblichen Rentabilitätsspekulationen. So wird in vielen Fällen nur ein Sozialabbau kaschiert.

Aktuelles Beispiel ist die derzeitige Auseinandersetzung um die Ladensch lußzeiten, von der die Handelsangestellten besonders hart betroffen sind. Aber auch die Arbeitnehmer in der Industrie sind betroffen. Um die Maschinen besser zu nutzen, wird der Wiedereinführung der Sonn- und Feiertagsarbeit sowie einem Ausbau des Schichtbetriebes das Wort geredet.

Die Arbeitnehmervertretungen sind der Meinung, daß die sozialen Dienste und die Sozialleistungen ständig den sich ändernden Verhältnissen angepaßt werden müssen. Das kann und darf aber nicht heißen, daß der Sozialstaat abgebaut wird. Ändern kann und darf nur im Sinne von Verbessern und Ausbauen in verschiedensten Bereichen verstanden werden.

Eine wesentliche Frage für die Zukunft wird es auch sein, der Entwicklung zum Zwei-Drittel-Staat entgegenzuwirken. Dazu sind eine Reihe von Maßnahmen notwendig. Das beginnt mit der aktiven Arbeitsmarktpolitik des Staates, um eine Vollbeschäftigung zu erreichen, doch es sind noch weitere Schritte wichtig: eine Qualifikationsoffensive, die Reform der Berufsschule, die Einführung der Gesamtschule, der Ausbau der sozialen Dienste im öffentlichen Bereich, eine Arbeitszeitverkürzung, usw.

Das Recht auf Arbeit hat auch für die Frau zu gelten. Sie darf nicht als “Ersatzarmee“ für zufällig freiwerdende Arbeitsmarktkapazitäten dienen. Vor allem im Interesse der Frauen ist eine Mindestlohnvereinbarung so rasch wie möglich durchzusetzen. Auf mittlere Sicht müssen die Chancen der Frauen durch eine bessere Berufsqualifikation verbessert werden.

Um es nochmals hervorzuheben, der Schritt, den die Kirche mit dem Entwurf ihres Sozialhirtenbriefes gegangen ist, ist ein äußerst wichtiger. Er ist ein Beitrag, die Zukunft für die arbeitenden Menschen in diesem Lande menschenwürdiger und gerechter zu gestalten.

Information der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich

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