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Der Messias und Moneten

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Durch Grundstücks- und Objekttransaktionen geht der christliche Charakter von Jerusalems Altstadt verloren. Jüngstes Streit- objekt: Das Hospiz des hei- ligen Johannes.

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Durch Grundstücks- und Objekttransaktionen geht der christliche Charakter von Jerusalems Altstadt verloren. Jüngstes Streit- objekt: Das Hospiz des hei- ligen Johannes.

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„Sie wollen uns aus dem Heiligen Land vertreiben, doch wir bleiben hier!", schrieen vergangene Woche auf dem Muristanplatz vor der Grabeskirche in Jerusalem unge- fähr 200 aufgeregte Mönche und einige weitere Demonstranten, die sich diesem Zug angeschlossen hatten. Rund 150 jüdische Neuan- siedler, zumeist Schüler der Ateret Kohanim Talmudhochschule wa- ren zuvor in das frühere Hospiz des heiligen Johannes, das der grie- chisch-orthodoxen Kirche gehört, eingezogen. Sie hatten sich sozusa- gen im christlichen Viertel der Je- rusalemer Altstadt eingenistet. Die Demonstranten sahen hier eine erneute Bedrohung des christlichen Charakters des Viertels.

Diese Nachricht erregte die Ge- müter besonders am Karfreitag, als sich die Pilgerprozession auf der Via Dolorosa zur Grabeskirche bewegte. Vor dem Eingang zum Hospiz wachten israelische bewaff- nete Polizisten und Neuansiedler, um sich vor Übergriffen zu schüt- zen.

Der wahre Kampf jedoch wird dieserTage im Jerusalemer Bezirks- gericht ausgefochten. Es geht um die Frage, ob der für zehn Jahre unterzeichnete Mietvertrag Gültig- keit hat oder ob die neuen Mieter - 30 wie es bereits eine niedere In- stanz verfügt hatte - das Hospiz sofort verlassen müssen. Am 17. April bestätigte die Bezirksrichte- rin Ruth Or den Räumungsbefehl des Friedensgerichts. Die Richte- rin war nicht bereit, die jüdischen Neuansiedler im Hospiz zu belas- sen, bis ihre Appellation beim Obersten Gericht gehört wird.

Trotzdem kann sich die Räumung noch Tage hinziehen, bis die Voll- streckungsbehörde mit Hilfe der Polizei diesen Gerichtsbefehl aus- führt. Richterin Or hob in ihrem Urteil den durch die Neuansied- lung bereits angerichteten Scha- den hervor, wie beispielsweise die erbosten Demonstrationen und Proteste, die diese in der Altstadt hervorgerufen hatten.

Aber auch nach dem Gerichtsent- scheid werden die Anwälte der Mieter nicht so schnell nachgeben, denn wer 3,5 Millionen (oder wie behauptet wird sogar fünf Millio- nen) Dollar gezahlt hat, will entwe- der sein Geld oder den entspre- chenden Gegenwert erhalten.

Bei den neuen Mietern handelt es sich um eine Gruppe religiöser Juden, die im politisch rechtsaußen stehenden Lager angesiedelt sind und sich auf das Kommen des Messias vorbereiten. In dieser Grup- pe befinden sich auch ehemalige Verbrecher, die im Gefängnis zur Religion gefunden haben, sowie einige ultrarechte Intellektuelle und Finanziers. Sie heißt Ateret Koha- nim, die Krone der Priester. Die Mitglieder studieren jene Ri ten und Vorschriften, die zur Zeit des Tem- pels für den Kult galten, damit sie sofort beim Kommen des Messias den Tempel in Betrieb nehmen können. Sie haben bereits mehrere Wohnungen und Gebäude in der Altstadt gekauft und besiedelt, um beim Erscheinen des Messias an Ort und Stelle zu sein.

Etwa 50 Meter von der Grabes- kirche entfernt, am Muristanmarkt, befindet sich das Hospiz Mar Ju- chana, wie es auf arabisch genannt wird. Hier ist das Zentrum des Touristenbasars. Es riecht nach gegerbtem Kamelleder, aus dem in grober Handarbeit Handtaschen, bedruckte Brieftaschen, Geldbör- sen und vieles mehr gemacht wird.

Die Altstadt Jerusalems besteht aus vier Vierteln. Das größte ist das moslemische, danach kommt das christliche mit seinen 5.000 Ein- wohnern, dann das jüdische, wel- ches nach dem Sechstage-Krieg neu errichtet wurde, und schließlich das armenische, das sich noch Mitte dieses Jahrhunderts von den ande- ren völlig abkapselte und jeden Abend seine heute noch bestehen- den Tore verschloß.

In den letzten Jahren wanderten mehr und mehr Christen ab, teils ins Ausland, teils in die Jerusale- mer Prominentenviertel, und Mos- lems nahmen im christlichen Vier- tel deren Platz ein. Auch Läden der Christen wurden oft von Moslems übernommen. Juden kamen aller- dings kaum in das christliche Vier- tel, doch kauften sie Grund und Boden von christlichen Kirchen auf.

Bekanntlich verteilte das osma- nische Reich Grund an die christli- chen Konfessionen, um sich mit den europäischen Staaten besser zu stellen. Die griechisch-orthodoxe Kirche erhielt den größten Grund- besitz in Jerusalem und Umgebung. Dank der guten Beziehungen mit der jüdischen Bevölkerung und dank des Geldes, wurden die Bau- plätze von fast ganz Westjerusalem noch in der Zeit vor der Staats- gründung Israels 1948 von Juden gekauft. Nach der Eroberung der besetzten Gebiete 1967 wurden einige größere Transaktionen mit Juden durchgeführt. Doch die Ver- pachtung des Hospizes ist wegen seiner Nähe zur Grabeskirche auf- sehenerregend.

In den dreißiger Jahren bereits war das Hospiz des heiligen Johan- nes an die armenische Geldwechs- lerfamilie Matossian abgegeben worden. Das Hospiz wurde in Wohnungen aufgeteilt und zumeist an Moslems vermietet. Vor rund acht Jahren kam das derzeitige Familienoberhaupt Mardirus Ma- tossian zu der damals neugegrün- deten Ateret Kohanim, und bot das Hospiz zum Kauf an. Die Parteien wurden sich trotz des hohen Preises schnell einig. Der Vermieter ver- pflichtete sich, das Gebäude völlig leer zu übergeben. Er bekam zwei Millionen Dollars Akonto, und den Rest bei der Übergabe. Und dies geschah eben drei Tage vor Ostern.

Matpssian lud seine nächsten Freunde in das Kosta-Restaurant im christlichen Viertel ein, um sei- ne gelungene Transaktion mit Saus und Braus zu feiern. Noch in der- selben Nacht flog er in die Schweiz. Am anderen Tag, als die Transak- tion bekannt wurde, befand sich Matossian in Zürich und löste sei- nen Scheck ein.

So schnell wird er nicht mehr in das Heilige Land kommen. Zuviele wollen mit ihm abrechnen. Das Geld für dieses Geschäft kommt, nach nicht dementierten Gerüch- ten, wenigstens zum größten Teil, aus dem Budget des Wohnbaumi- nisteriums, an dessen Spitze der extreme Likudminister David Levy steht.

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