6866201-1978_04_09.jpg
Digital In Arbeit

Der Minderheit beim Bewahren ihrer Eigenart helfen

Werbung
Werbung
Werbung

Gerade der Vorwurf aus Kreisen der deutschen Bevölkerungsmehrheit Kärntens, die Kirche hätte sich aus dem Nationalitätenstreit in diesem Lande herauszuhalten gehabt, denn es handle sich um politische Probleme, unterstreicht die Notwendigkeit der Befassung mit diesen menschenverfeindenden Schwierigkeiten durch eine Kirche, die sich allen zwischenmenschlichen Nöten pflichtgemäß zuzuwenden hat. „Kirche für den Menschen“ hieß vor nicht langem ein erstaunlicher kirchlicher Slogan (dessen Erstaunlichkeit wegen ich auch das Fremdwort wähle), erstaunlich deswegen, weil es ja gar keine andere Kirche als eine solche für Menschen geben kann. Aber für Vergeßliche oder Unwissende, in- und außerhalb der eigenen Reihen, ist es nützlich, das Selbstverständlichste immer wieder zu wiederholen.

Die Kärntner Synode hatte sich eingehend mit den nationalen innarkirch-lichen Problemen beschäftigt. Der österreichische Synodale Vorgang zeigte sich glücklich und dankbar für die beispielhaften, zukunftsweisenden Arbeitsergebnisse der Kirche in Kärnten. In seiner zweiten Sitzungsperiode 1973 ging der österreichische Synodale Vorgang auf das Grundsätzliche der Minderheitenfrage ein und stellte weit über den innerkirchlichen Bereich hinausweisende Leitsätze auf, so etwa den Aufruf an die Mehrheit, nicht etwa bloß die Minderheit zu tolerieren, sondern ihr bei der Bewahrung ihrer ethnischen Eigenart zu helfen.

In dem „Fünfjahresbericht über den Stand der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Kirche in Österreich“, den die österreichischen Bischöfe anläßlich ihres jüngsten Ad-limina-Besu-ches in die Hände des Papstes legten, konnte daher ein Bericht zur Minderheitenfrage in Kärnten nicht fehlen. Er bildet einen besonders herausgehobenen Teil des Gesamtberichtes, beschränkt sich aber trotz einiger grundsätzlicher Hinweise auf das Verhältnis der Kirche zur Politik doch vornehmlich auf die innerkirchliche Lage. Aufschlußreich sind vor allem das Kapitel 2 „Problematik aus der Sicht der slowenischen Volksgruppen“ und das Kapitel 3 „Problematik aus der Sicht der deutschen Katholiken“. Im Kapitel kommt zum Ausdruck, daß für die Kirche die sprachliche Struktur der Pfarre, die in den Familien gesprochene Sprache für die Liturgie, die Seelsorge und die Zusammensetzung des Pfarrgemeinderates maßgeblich sein müssen. An anderer Stelle des Berichtes wird darauf verwiesen, daß hier das sprachliche Problem auf die Schwierigkeiten auftreffe, die in den genannten kirchlichen Bereichen auch national einheitlichen Pfarren und Diözesen zu schaffen machen.

Das 3. Kapitel bemüht sich um die Frage der „nationalen Selbstinterpretation des Menschen“ und verweist hiebei auf die Lage jener vielen Kärntner, die ihre Zugehörigkeit zur slowenischen Volksgruppe „abgestreift“ haben. Dürfen solche, in ihrem Selbstverständnis in Unsicherheit Geratene und damit auch in ihrem seelischen Befinden Bedrohte „ohne Rücksicht auf ihr Muttervolk“ auch über ihre Kinder entscheiden? Das ist ganz offenkundig eine Frage, die streitverfangen ist. Anscheinend sind jene unsicher Gewordenen die hauptsächlichsten Problemerreger in der kirchlichen Arbeit geworden, auch in den Pfarrgemeinderäten.

„Kirche für alle, vor allem aber für die Bedrohten“ ist daher der Titel und das Thema des 4. Kapitels. So wenden sich die Diözesan-, die Dekanats- und die Pfarrbemühungen besonders den sich bedrückt fühlenden Minderheitsangehörigen wie den aus dem objektiv stets schwierigen Minderheitenschicksal „Hinausdrängenden“ zu -ohne den pastoralen Auftrag den ob ihrer Zahl nicht etwa schon seelisch gefestigten Mehrheitsangehörigen gegenüber aus dem Auge zu lassen - weil eben die Angehörigen der Minderheit und die „Menschen zwischen den Volksgruppen“ schon durch die objektiven Umstände und nicht erst durch allfällige Dummheits- oder Bosheitsakte von Widersachern in ihrem menschlichen Befinden Bedrohte sind. Aber die Berichterstatter wissen es: „Will man - und man muß es wollen - beiden Anforderungen genügen,dann muß man unweigerlich mit den nationalen Extremgruppen beider Seiten in Konflikt kommen, und so steht die Kirche in Kärnten gleichzeitig als .größter Germanisator' und als .einseitiger Förderer nationalslowenischer Interessen' unter einem doppelten Angriff.“

Trotz dieser Angriffe sind paritätische Vermittlungsinstanzen in den Dekanaten, ein diözesaner Koordinationsausschuß, ein slowenischer Pastoralausschuß und eine offizielle Vertretung der slowenischen Volksgruppe beim Ordinariat, die Publikationsreihe „Gemeinsames Kärnten -Skupna Koros'ka“ und verschiedene andere personale und informative Bemühungen bemüht, auf dem in der Kärntner Synode und durch den österreichischen Synodalen Vorgang gewiesenen Weg mutig voranzuschreiten.

Mit Recht benennt der Bericht auch seine Verfasser. Es sind dies Dr. Valentin Inzko von der slowenischen und Dr. Ernst Waldstein von der deutschen Seite. Nicht nur die Kirche, auch alle rechtlich und politisch sauber denkenden Österreicher sind diesen gemeinsamen Vorsitzenden des diözesa-nen Deutsch-Slowenischen Koordinationsausschusses zu Dank verpflichtet.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung