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Digital In Arbeit

Der Mock ist Pumperlgsund

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Die Große Koalition arbeitet - allen Unkenrufen zum Trotz. Ein enger Mitarbeiter des Vizekanzlers sagt nun, wie sein Chef die Startschwierigkeiten gemeistert hat.

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Die Große Koalition arbeitet - allen Unkenrufen zum Trotz. Ein enger Mitarbeiter des Vizekanzlers sagt nun, wie sein Chef die Startschwierigkeiten gemeistert hat.

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100 Tage sind im Leben einer italienischen Regierung bereits eine relativ lange Arbeitszeit. Für Österreich sind sie zumindest ein Markstein. Und eines darf man dabei schon feststellen: Für das, was in 17 (sozialistischen) Regierungsjahren angerichtet wurde, hat die neue große Koalition innerhalb von 100 Tagen eigentlich eine sehr beachtliche Aufräumar- beit geleistet.

Wenngleich es in einer Regierungspartnerschaft zugegebenermaßen etwas schwierig ist, sich ständig und öffentlich auf die Schulter zu klopfen, so würde der ÖVP eine bessere Selbstdarstellung guttun.

Nun hat es in den vergangenen 200 Tagen in der ÖVP viele (auch unnötige) Diskussionen gegeben, die einer besseren Selbstdarstellung im Wege standen, trotzdem gibt es auch noch in der ÖVP- Fraktion einiges zu verbessern. Zum Beispiel in puncto Öffentlichkeitsarbeit.

Alois Mock — und er weiß dies aus eigener Erfahrung als Kabinettschef von Bundeskanzler Josef Klaus und Unterrichtsminister von 1969 bis 1970 - hat schon vor Jahren immer die Ansicht vertreten, daß die seinerzeitige ÖVP-Alleinregierung zwar eine gute Politik, aber eine schlechte

PR-Arbeit betrieben habe.

Die Effizienz der Öffentlichkeitsarbeit in der ÖVP-Regie- rungsfraktion ist auch 1987 noch wesentlich steigerungsfähig. Denn wie sieht es derzeit aus? Der Vizekanzler wird aus Distanz von der Partei betreut. Nur der Außenminister hat einen beamteten Pressereferenten. Eigene Pressebetreuer gibt es nur noch beim Landwirtschaftsminister, beim Wissenschaftsminister und bei der Umweltministerin.

Weder der Kanzleramtsminister noch der Finanzstaatssekretär haben in ihrer Umgebung einen PR-Profi, und der Wirtschaftsminister ist stolz darauf, sich diese Arbeit selbst zu machen. Aber vielleicht ist das ein Gebiet, auf dem man eben erst nach den ersten 100 Tagen gewisse Schlüsse zieht.

Uber die Wahlnacht ist bereits mehr als genug geschrieben wor den. Nur eines sei hier schon hinzugefügt: Die Leichtfertigkeit, mit der manche Ärzte Ferndiagnosen gegeben haben, wirft auf die hiesige Ärzteschaft kein sie berühmendes Licht. Und wie sich dann solche Ferndiagnosen durch ein halbes Jah&als immer wiederkehrendes Gerücht in bürgerlichen Gesprächszirkeln halten, zeigt, auf welcher „gesunden“ Basis der hiesige Gesellschaftstratsch steht.

Dabei darf der Autor eines für sich beanspruchen: Er gehört neben dem Hausarzt zu jenen ganz wenigen, die auch noch den ärztlichen Durchuntersuchungsbefund des Patienten gesehen haben. Und der Autor kann daher mit reinem Gewissen sagen: Alois Mock ist pumperlgsund. Daß er mitunter überarbeitet und müde wirkt, das % liegt in seinem Arbeitsstil begrün- * det. Er zerreißt sich eben. Für die Partei und jetzt für Österreich.

Trotzdem brach über die Medien eine Führungsdiskussion los. Durchaus kein unerwartetes Ereignis, wenn man die Seelenstruktur der ÖVP kennt. Und durchaus etwas Erwartungsgemäßes, weil man ja schließlich auch Dampf (über den 23. November 1986) ablas- sen mußte.

Es war freilich auch eine Zeit, in der man Parteifreunde von richtigen Freunden unterscheiden konnte. Hätte man damals unter Parteifreunden eine Wette veranstaltet, wie lange Alois Mock noch die Geschicke der ÖVP bestimmt, es wäre wohl eine Mehrheit herausgekommen, daß er den Jahreswechsel nicht überleben würde.

Mock freilich bewies im wahrsten und besten Sinne des Wortes Stehvermögen. Und er hatte sich dafür auch seine persönliche Philosophie zurechtgelegt.

Natürlich könnte man alles an den Nagel hängen und das tun, was in einer bürgerlichen Partei Tradition hat, nämlich den Hut nehmen. Allerdings, eine solche Reaktion hätte auch zur Folge gehabt, daß sich die Partei in einem geradezu selbstzerfleischenden Prozeß auf die Suche nach einem Nachfolger macht.

Im Grunde genommen wäre es ein typisch bürgerliches Verhalten gewesen. Bruno Pittermann hat das einmal so formuliert: Verliert einer in der SPÖ, dann wird er gestützt. Verliert einer in der ÖVP, dann wird er gestürzt. Mit diesem „Gesetz der Serie“ brach Mock. Es gab in diesen schweren Tagen und Wochen freilich nur wenige, die wirklich zu ihm gestanden sind.

Noch einmal gibt es zwischen ÖVP und SPÖ eine heikle Phase: Mock hat es darauf angelegt, eine Parität bei der Zahl der Regierungsmitglieder zu verlangen.

Das Pokerspiel hat begonnen. Und die ÖVP beweist Nerven. Am nächsten Tag gibt es den Durchbruch. Die SPÖ bietet acht Regierungsmitglieder für jede der beiden Großparteien.

Daß der Justizminister in unerreichbare Ferne gerückt ist, schmerzt Generalsekretär Michael Graff. Der Kanzleramtsminister kann ihn nicht reizen, er fährt aus dem Bundeskanzleramt, wo er an den Verhandlungen teilgenommen hat, in die Partei zurück. Und dort bleibt sein Hauptarbeitssitz.

Der Kern der ÖVP-Regierungs- mannschaft stand sehr schnell fest. Offen blieb die Besetzung des neugeschaffenen Ministeriums für Umwelt, Jugend und Familie sowie das Wissenschaftsministerium.

Marga Hubinek wurde bis zuletzt bedrängt, vom Parlament ins Ministerium zu übersiedeln, sie hatte aber so gewichtige persönliche Gründe, daß man sie nicht umstimmen konnte. Die in Aussicht genommenen Politikerfinnen) aus den Bundesländern sagten ab. Jede(r) von ihnen hat noch eine weitere Karriere auf Landesebene vor sich und zog es daher vor, dem heißen Pflaster in Wien abzusagen.

Auch das ist nämlich eine Realität, wenn gelegentlich davon gesprochen wird, daß die ÖVP-Re- gierungsmannschaft zu ostlastig sei. Aus dem Westen tim sich eben manche Politiker schwerer, nach Wien zu übersiedeln. Damit war der Weg frei für Marilies Flemming und Hans Tuppy.

Der Autor ist Bundespressesprecher der OVP. Der Beitrag ist ein Auszug eines längeren Artikels in den soeben erschienenen „Österreichischen Monatsheften“ , 3/1987.

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