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Der Mönch aus Ampleforth

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Das Interregnum in der katholischen Kirche Großbritanniens, das wesentlich länger als erwartet gedauert hat, ist beendet. Nach erstaunlich langem Zögern hat der Vatikan den Namen des Mannes verkündet, der die Nachfolge des im November letzten Jahres verstorbenen Kardinals Heenan antreten wird: es ist der Right Reverend George Basil Hume, der 52jährige Abt des nordenglischen Benediktinerklosters von Ampleforth, dem Englands führende katholische Privatschule unterstellt ist. : I U-ji'ii

Die Ernennung eines in weitesten Kreisen der britischen Öffentlichkeit nahezu unbekannten Benediktiner-mönchs zum Erzbischof von West-minster — seine Erhebung .zuni Kardinal wird noch in diesem Jahr erwartet — hat in katholischen' Kreisen wie eine Bombe eingeschlagen,' ebenso aber auch in den stillen Alltag des Abtes Hume. „Ich war überrascht, erschüttert und unglücklich“, gab Englands neuer Oberhirte zu, „aber im Geiste des Gehorsams hatte ich mich zu fügen. Ein Mönch hat keine Wahl, er tut, was ihm aufgetragen wird — meine persönlichen Gedanken dabei sind irrelevant.“

Abgesehen von seiner Jugendlichkeit, stellt Abt Humes Ernennung mehrere Präzedenzfälle in der Geschichte der katholischen Hierarchie Großbritanniens auf. Hume entstammt einer religiösen Mischehe: sein Vater, der verstorbene Herzspezialist Sir William Hume, war Angli-kaner, seine Mutter eine aus Frankreich stammende Katholikin. Der in Newcastle geborene George Hume — den Namen Basil nahm er erst bei

seinem Eintritt ins Kloster an — besuchte die Internatsschule von Ampleforth, deren Direktor er später wurde, und studierte dann schon als Benediktinermönch Geschichte in Oxford, später dann Theologie. Er ist damit der erste katholische britische Erzbischof, der nicht im English College in Rom studiert hat, der traditionellen Bildungsstätte für die Elite des britischen Klerus. Darüber hinausist der 1950 zum Priester geweihte Hunie der erste Mönch, der seit tder offiziellen Anerkennung der katholischen Kirche in England (vor über 120 Jahren) zum Erzbischof von Westminster gemacht wurde.

“Nach' Alter, Veranlagung, und Erfahrung scheint also. George Basil

Humes Wahl zum Oberhirten einer mit allen möglichen Schwierigkeiten ringenden religiösen Minderheit auf den ersten Blick nicht ganz leicht verständlich zu sein. Der Abt von Ampleforth ist in kirchlichen Kreisen zwar als hervorragender und hochgebildeter Erzieher bekannt, kaum aber als brillanter Theologe oder Administrator. Er ist ein begeisterter Amateursportler, Besucher von Cricket- und Fußballspielen, hat einen ausgeprägten Sinn für Humor und verfügt über „Weisheit und Urteilskraft, zusammen mit großer Aufgeschlossenheit für ökumenische Fragen“, wie kein Geringerer als Dr. Coggan erklärte, der anglikanische'Erzbischof von Canterbury und ein .guter persönlicher Freund von Abt Hume. Aber ist all das genug, um das ohnehin leicht angeschlagene Schiff des britischen Katholizismus mit sicherer Hand durch diese stürmischen Zeiten steuern zu können? Wenn auch der Vatikan selbst durch sein ungewöhnlich langes Zuwarten erkennen ließ, daß er sich zu dieser überraschenden Ernennung mit einigem Zögern entschlossen hatte. Dem Vernehmen nach soll einer der stärksten Fürsprecher Humes der apostolische Nuntius in Großbritannien, Erzbischof Bruno Heim, - gewesen sein; .'der Humes Namen,, als ersten auf die Liste der Kandidaten setzte, die er nach Rom sandte. Und da dieser Nuntius ein besonders enger Mitarbeiter des vorigen Papstes war, sprach der Leitartikler der Londoner „Times“ von einer „Tat im Geiste Johannes des XXIII.“, durch die mit der Ernennung eines Mönchs zum Erzbischof „eher der spirituelle als

der institutionalisierte Charakter der Kirche“ betont werden sollte. Im englischen Klerus wird die Wahl Humes auch als ganz bewußter und gezielter Schock angesehen, den der Vatikan der englischen Kirche verabreichen wollte, weil man in Rom offenbar der Ansicht ist, daß der hiesige Katholizismus auf* Grund seiner Insularität hinter dein katholischen Denken im restlichen Europa ein wenig zurückgeblieben sei.

Insulares Denken, wenn es überhaupt jemals seine Sache war, hat der neue Erzbischof von Westminster sicherlich längst überwunden. Seit seiner Wahl zum Abt Von Ampleforth im Jahre 1963 ist er erstaunlich viel gereist, darunter mehrmals nach Rom, aber auch nach vielen anderen europäischen Städten, wo er oft den Vorsitz bei den Sitzungen einer internationalen Benediktiner-Kommission für monastische Theologie innehatte. Er unternahm | auch mehrere Besuche in den USA, wo er vor einigen Jahren ein neues Benediktinerkloster einweihte. In: England selbst hat er in den letzten Jahren besonders aktiv an der Verbesserung des Einvernehmens zwischen dem anglikanischen Klerus und seinen katholischen Mönchen gearbeitet

Bei einer Pressekonferenz in London, nach seiner Ernennung, antwortete der große, schlanke und weißhaarige neue Erzbischof auf die vielfältigen Fragen der Journalisten mit Sicherheit und einer, schlichten Würde, die ihm sehr schnell die Sympathien aller gewann. Zu den natürlich bald aufgeworfenen Themen Sexualität und Geburtenkontrolle sagte der Erzbischof unter anderem, er wisse um die Tatsache, daß es in Großbritannien eine, ;permissive Gesellschaft gebe, doch sei er nicht bereit, diese Gesellschaft deshalb zu verdammen.

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