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Der nächste Krisenherd
Im Nahen Osten starrt man fasziniert auf das sich in der beinahe menschenleeren westlichen Wüste zwischen Ägypten und Libyen, dem sogenannten „Land der Toten“, abspielende Schauspiel Libyens Diktator Moammer el Gaddafi ist noch immer der glühendste Bewunderer des toten „Rais“ Gamal Abdel Nasser und hegte vor nicht allzu langer Zeit noch ernsthafte Unionspläne mit Ägypten.
Nun verlegte Ägypten Fallschirmjäger-, Panzer- und Infanterieverbände in das ägyptisch-libysche Grenzgebiet. Über die Stärke der Einheiten ließ das Armeeoberkommando nichts verlauten, doch handelt es sich nach nahöstlichen Geheimdienstinformationen bereits um die zweite derartige Truppenverschiebung binnen eines Monats. Präsident Mohammed Anwar es Sadat bekräftigte mit dieser Demonstration der Macht seine Entschlossenheit, den ständig zunehmenden Provokationen aus dem Nachbarland notfalls mit Gewalt zu begegnen.
Im Libanon sind die beiden ungleichen Expartner noch immer Verbündete. Libyen beliefert Palästina-Guerrilleros und Linksextremisten mit Waffen, Munition und Geld, und die libyschen Einheiten in der „Panarabischen Friedensstreitmacht“ der Arabischen Liga unterstützen ebenso wie die Ägypter aktiv die muselmanischen Linkskräfte im Bürgerkriegsgebiet. Ägypten ergriff im Libanon-Konflikt aktiv die Partei der Terroristen.
Im eigenen Land beklagt sich die ägyptische Regierung jedoch seit längerem über die Feindschaft des Libyers. Präsident es Sadat erklärte ihn mehrfach öffentlich für verrückt und irrenhausreif. Schließlich forderte er in einer Rede das libysche Volk sogar zur Revolution auf. Obwohl es Sadat die „Palästinensische Befreiungsorganisation“ neuerdings
selbst aktiv fördert, wies er öffentlich darauf hin, daß das Libyen el Gaddafis ein Schlupfwinkel international gesuchter anarchistischer Verbrecher sei und sogar dem Weltfeind „Carlos“ alias Iljitsch Ramirez Sanchez Asyl gewähre. In Libyen unterhält man zudem mehrere Ausbildungslager für die Anhänger des Weltterrorismus. Was es Sadat tut, darf sein Intirnfednd el Gaddafi also noch lange nicht tun. Diese Entwick-
lung ist ein weiterer Beweis für die Unberechenbarkeit arabischer Bündnisse und Feindschaften und illustriert aufs trefflichste das Sprichwort: „Arabische Ehen werden rasch geschlossen und noch rascher gelöst.“
Für die in Kairo wie in der sudanesischen Hauptstadt Khartum verbreitete Behauptung, Libyen habe sich aktiv an dem kürzlich mit unerhörtem Blutzoll niedergeschlagenen Putschversuch gegen den Khar-tuimer Diktator Dschaafar en Numei-ri beteiligt, fehlt zwar bis jetzt jeglicher Beweis. Doch Terroristenhäuptling el Gaddafi entlarvte sich erst kürzlich in einem Interview mit dem wegen seiner Sympathien für die Terroristen bekannten libanesischen Journalisten Adel Elias für das
deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ selbst als nicht gerade perfekten Lügner. Er verurteilte den internationalen Anarchoterrorismus, behauptete, „Carlos“ nicht zu kennen und bestritt jede direkte Verbindung zu den linksextremistischen Banditen. Die jüngsten Bombenanschläge in ganz Ägypten bewiesen jedoch das genaue Gegenteil. Sicher ist inzwischen, daß der Libyer dabei die Hände im Spiel hatte. Seit län-
gerem sorgen libysche Agenten für ständige Unruhe unter den ägyptischen Beduinenstämmen im beiderseitigen Grenzgebiet. Ein gefaßter Attentäter verwies mit seinen Aussagen nach der Festnahme eindeutig auf libysche Auftraggeber. Der Kairoer Geheimdienst „Mochabärat“ verfügt im übrigen über genaue Einzelheiten über libysche Ausbildungslager für Terroristen im Grenzgebiet. Möglicherweise werden sie Ziel eines ägyptischen Überraschungsangriffes sein. Man hält aber auch einen Krieg nicht für ausgeschlossen. Zu ihm komme es, wie man in Kairo hörte, aber bestimmt nicht vor der Gipfelkonferenz der Blockfreien in Colombo. Und dort könnte es im letzten Augenblick auch wieder zu einer Versöhnung kommen.
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