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Der neue Konsument

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Der Streit um den 8. Dezember und den allweihnachtlichen Konsumrausch sollte nicht den Blick für langfristige Umwälzungen im Konsumentenverhalten verdunkeln.

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Der Streit um den 8. Dezember und den allweihnachtlichen Konsumrausch sollte nicht den Blick für langfristige Umwälzungen im Konsumentenverhalten verdunkeln.

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Zwischen der Konsumfeindlichkeit, die die Alten den Jungen vorwerfen und dem von der Jugend heftig kritisierten Tanz ums goldene Kalb bahnt sich ein Mittelweg an, der Weihnachten als Anstoß zu einem Hochfest des

Konsums vielleicht wirklich bald verändern könnte.

„Etwas zu kaufen, etwas genießen ist heute etwas anderes als früher", schreibt Josef Riedl, Marketingabteilungsleiter der Creditanstalt: „Es hat nicht mehr den unschuldigen Stellenwert und die Unbeschwertheit wie vor zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren, als der Glaube an den Fortschritt noch nahezu ungebrochen war. Mit anderen Worten, der Konsument von heute ist zwar informierter, kritischer und selbstbewußter, er ist aber auch unsicher geworden, ob die bisherige Richtung für die weitere Entwicklung stimmt. Vor allem Wegwerf -und Verschwendungsmentalität werden zunehmend von anderen Wertvorstellungen abgelöst."

Von welchen nun?

Zunächst einige Fakten und Zahlen aus der Konsumstatistik des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO). Um deren Aussagekraft zu erhöhen, wurden die Zahlen real auf Preisbasis 1976 herangezogen.

Zwischen 1964 und 1983 ist der Anteil der Nahrungsmittel und Getränke am Gesamtkonsum von 35,4 auf 25,5 Prozent am stärksten von allen Gruppen gesunken.

Besonders stark gestiegen sind dafür „Verkehr und Nachrichten" von 9,6 auf 15,8 Prozent und „Unterhaltung, Erholung, Urlaub" von 8,3 auf 11,5 Prozent. Geringfügig erhöht haben sich „Einrichtung und Hausrat" von 6,9 auf 8,2 Prozent und „Wohnungsnutzung, Mieten, Instandsetzung", 9,0 auf 10,8 Prozent.

Zweierlei läßt sich aus dieser Statistik entnehmen.

Da der Konsum, wenn es nicht gerade Belastungspakete oder Steuererleichterungen gibt, eher stagniert, heuer wird ein Minus von einem Prozent real erwartet, liefern sich die einzelnen Gruppen einen Verdrängungswettbewerb, der immer mehr zugunsten von Reisen, Wohnen und Sport ausgeht.

Wer verzehrt heute noch am Weihnachtstag die obligate Weihnachtsgans? Von Karottensaft und Müsli sind wir zwar noch weit entfernt, aber bis zu Fisch und Gemüse haben wir es schon gebracht.

Hochwertig, gesund, originell im Design, speziell in der Art, energiesparend und umweltfreundlich — dies sind die Eigenschaften, die die Produkte für den neuen Konsumenten mitzubringen haben.

Wer in der letzten Woche das Gedränge Tausender vorwiegend junger Besucher im Wiener Messepalast anläßlich der „Hobby-Elektronik" beobachtet hat, kann sich vorstellen, wo sichere neue Marktlücken zu .finden sind.

Leider sind aber auch gerade diese Konsumgüter besonders importlastig. Es ist kein gutes Zeichen für das inländische Angebot, wenn das Handelsbilanzdefizit sofort steigt, sobald sich auch nur ein leichter Konjunkturschimmer am Horizont zeigt.

Zwischen Jänner und September 1984 wurden für rund 13,4 Milliarden Schilling Bekleidung, für weitere 13,1 Milliarden Schilling Textilien, für 12,9 Milliarden Schilling PKW und für 6,2 Milliarden Schilling Büro- und EDV-Maschinen (Computer sind als Gruppe nicht extra ausgewiesen) importiert. Gemüse und Früchte sowie Kaffee, Tee, Kakao machen zusammen ebenfalls 9,3 Milliarden Schilling aus.

Hier wäre für heimische Erzeuger noch einiges zu holen. Es wird zweifellos noch einige Zeit dauern, der neue Konsument wird sich vor allem durch die Ablöse von der Nachkriegsgeneration zum kritischen Verbraucher ergeben.

Allerdings sollte man die Dynamik nicht unterschätzen — Marketingfachmann Redl zitiert eine Fessel-Umfrage von Juli/August dieses Jahres, wonach 57 Prozent der Befragten den Umweltschutz als ihre größte Sorge bezeichneten und die Arbeitsplätze vom Spitzenplatz verdrängten.

Eines ist damit klar, wer Umwelt vor Arbeitsplätze reiht, ist ein anderer Konsument als jener, der Weihnachtsgans liebt, sich am Einkaufssamstag ins Getümmel stürzt und im Sommer nach Caor-le fährt...

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