6979297-1986_05_07.jpg
Digital In Arbeit

Der neue Tag bricht an

Werbung
Werbung
Werbung

Der Verständigungsdraht zur Jugend scheint im kommunistischen Jugoslawien nicht mehr so zu funktionieren wie zu Titos Lebzeiten. Mit Titos Abgang von der politischen Szene verschwand allmählich der Partisanenmythos, der dem Regime jahrzehntelang als Herrschaftslegitimation, aber auch als Heilmittel zur Uberbrückung sozialer Spannungen und regionaler Unterschiede gedient hatte. Das ideologische Vakuum macht sich heute insbesondere in den Reihen der Jugend bemerkbar.

Die arbeitslosen Jugendlichen fühlen sich von der herrschenden

KP und der Gewerkschaft betrogen und suchen nach neuen Inhalten.

Von den Studenten, die neu an die Fakultäten kommen, sind nur noch 4 bis 5 Prozent bereit, in die Kommunistische Partei einzutreten. Auf die Frage, wer ihnen als Vorbild wertvoll erscheint, antworteten die meisten Jugendlichen: der Papst Johannes Paul II. und die Mutter Teresa.

Als zusätzlicher Faktor kommt noch die schwere Wirtschaftskrise hinzu, die bereits den Alltag der arbeitenden Menschen (Inflation, Teuerungswelle) empfindlich beeinträchtigt.

In Zagreb kam es vor kurzem zu massiven Protesten der Studenten: wegen Preiserhöhungen in der Studentenmensa traten etwa 1000 bis 1500 Studenten im Studentenheim „Stjepan Radic" in den Streik. Um das Eingreifen der Polizei zu verhindern, sangen die Studenten kommunistische Kampflieder wie „Genosse Tito,

wir schwören dir" und „Der neue Tag bricht an". In Wirklichkeit war der Studentenstreik eindeutig ein Ausdruck des Unmuts mit der Hochschulpolitik der KP. Als immer mehr Menschen dazukamen, reagierte die Zagreber Parteiführung blitzschnell: der Direktor der Studentenmensa, Mirko Zderic, wurde sofort abgesetzt, die Preise im Studentenrestaurant hinuntergeschraubt.

Das Zagreber Polit-Magazin „Danas" (Heute) witterte indessen schon „konterrevolutionäre Elemente" am Werk: ein „harter Kern" von etwa 60 Studenten, so „Danas", habe dem Studentenprotest einen „politischen (nationalistischen?) Charakter" aufzuzwingen versucht. Ob und inwieweit das stimmt, mag dahingestellt sein, die übertriebene Wachsamkeit der Parteizeitung ist jedenfalls nicht ganz unberechtigt: Das Studentenhaus „Stjepan Radic" war bereits 1971, als die liberale kroatische Parteiführung unter Savka Dabcevic und Miko Tripale abgesetzt wurde, der Ausgangspunkt des größten Studentenstreiks in der Nachkriegsgeschichte Jugoslawiens. Vor fünf Jahren hatte die nationalistische albanische Revolte in der ^Kosovo-Hauptstadt Priätina ebenfalls mit Demonstrationen in der Studentenmensa begonnen.

Neuerdings wird aus den Reihen um den KP-Ideologen Stipe Suvar massive Kritik an der Zagreber Studentenschaft geübt, weil das Studentenradio ein Gespräch mit dem slowenischen regimekritischen Journalisten Sta-nic (siehe FURCHE 50/1985) ausgestrahlt hatte, in dem, so Suvar, die Sowjetunion „beleidigt" worden sei.

Auch in anderen Republikzentren scheint der Draht zur Jugend gestört zu sein. Um eine offene Konfrontation zu vermeiden, versucht die Partei in Slowenien den Jugendzeitschriften in ihrer Systemkritik weitgehend freie Hand zu lassen. Das slowenische Jugendorgan „Mladina" (Jugend) nützte das aus, und schrieb, die Nominierung des jugoslawischen Ministerpräsidenten Branko Mi-kulic sei keineswegs ein Beitrag zur weiteren „Demokratisierung" des Landes.

Unter Mikulics Präsidentschaft, erinnerte „Mladina", habe in Sarajevo der Prozeß gegen 13 muslimische Laienaktivisten stattgefunden, dessen Beweisführung in hohem Maße zweifelhaft gewesen sei.

Zur Beschlagnahme der „Mladina" kam es nicht, angesichts der Wirtschaftskrise ist die KP bestrebt, einer Konfrontation mit der Jugend aus dem Weg zu gehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung