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Der Osttiroler Emotionsstaudamm

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Bis vor kurzem galten sie als Helden des österreichischen Wiederaufbaues, heute sind sie die Buh-Männer der Nation: Die Manager der E-Wirtschaft sind verunsichert.

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Bis vor kurzem galten sie als Helden des österreichischen Wiederaufbaues, heute sind sie die Buh-Männer der Nation: Die Manager der E-Wirtschaft sind verunsichert.

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Strom-Leiter sind Materialien, in denen sich elektrische Ladungen bewegen können.

Strom-Leider sind Manager und führende Funktionäre der Elektrizitätswirtschaft, in denen sich nach und nach Emotionen aufgestaut haben: Bei der Jahrestagung des Verbandes der Elektrizitätswerke Österreichs in der Osttiroler Dolomitenstadt Lienz vom 24. bis 26. April barst der Damm.

Früher kaum ernsthafter Kritik ausgesetzt, sehen sie sich seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre umzingelt: von Umweltschützern und Kraftwerksgegnern, vom ge-barungskontrollierenden Rechnungshof und - besonders von den Medien und ihren Journalisten.

„Energie und Politik" war die Podiums-Publikumsdiskussion am 26. April zwar überschrieben, doch die Politik stand im Hintergrund: 75 Minuten dauerte es in der zweistündigen Diskussion, bis beiläufig das Thema Hainburg angesprochen wurde. Ex-Landeshauptmann Erwin Wenzl, Generaldirektor der Oberösterreichischen Kraftwerke AG, konnte nur gegen den Widerstand des Diskussionsleiters Jens Tschebull das Arbeitsplatz-Argument ins Treffen führen, wie auch die SPÖ-Energiesprecher Kurt

Heindl und der ÖVP-Lokalabge-ordnete Hubert Huber, gleichzeitig auch Bürgermeister von Lienz, atypische Stellungnahmen abgaben. Heindl sprach sich gegen Volksabstimmungen über Kraftwerksbauten aus, Huber rückte die regionalpolitische Bedeutung solcher Vorhaben in den Vordergrund.

Uber drei Viertel der Diskussionszeit erregte die Elektrizitäts-Manager ein ganz anderes Problem: die Berichterstattung der Medien, „die Hätz gegen die E-Wirtschaft", wie das aus dem Publikum kam. Walter Fremuth, Präsident des Verbandes, faßte das Unbehagen im Lienzer Stadtsaal bündig zusammen: Der Wandel der Elektrizitäts-Erzeuger „vom Symbol des Wiederaufbaues zum Buh-Mann der Nation".

Damit wurde versäumt, das Spannungsfeld Politik - Energie auszuleuchten. Und Spannungen gibt es, auch wenn Staatssekretär Erich Schmidt auf eine diesbezügliche FURCHE-Frage alle Zielkonflikte für ausgetragen hält.

Kaum sprach er's, wurde er ungewollt von Fremuth widerlegt: in Sachen Strompreis. Denn die E-Wirtschaft muß jetzt aus betriebswirtschaftlichen Erfordernissen heraus eine Erhöhung anpeilen (mindestens um zwölf Prozent), während das Nein von Bundeskanzler Fred Sinowatz auf politischen Überlegungen beruht.

Es gibt sie, diese Zielkonflikte, und sie entzweiten und entzweien Parteien: Zwentendorf, das Osttiroler Kraftwerk Dorfertal (Stichwort: Umbalfälle) und natürlich Hainburg haben quer durch die Parteien zu Lagerbildungen geführt.

Aber die Konflikte werden nicht ausgetragen, sondern verdrängt, überspielt: Die Volkspartei hat dies zuletzt skurril vorgeführt.

Auch in Lienz ging's nach dem Motto: Ja — grundsätzlich, wie das so schön heißt — zum Ausbau der Wasserkraft, aber keine Festlegung im konkreten Fall. Vizekanzler Norbert Steger überbot sich dabei wieder einmal selbst:

Er werde zum konkreten Lokal-Thema Dorfertal schon auch Stellung nehmen, machte er die Delegierten zum Verbandstag bei der Begrüßung neugierig - doch dann verließ er Rednerpult und Tagung ohne Klarstellung.

Die Schlußfolgerung: Die Politik läßt die Energiewirtschaft im Stich - und damit im Regen stehen.

Immerhin ist die Elektrizitätswirtschaft gesetzlich verpflichtet, die gesicherte Versorgung mit elektrischer Energie — noch dazu kostengünstig - zu gewährleisten. Heute kommt der Auftrag nach größtmöglicher Schonung der Umwelt noch dazu.

Grundsätzlich ist auch der Strom die sauberste Energie, vor allem, wenn er aus Wasserkraft gewonnen wird: Wasserkraft ist emissionslos, erneuerbar. Und die Wasserkraft steht überragend an erster Stelle heimischer Energieressourcen.

Allerdings: Der Anteil der Elektrizität an der gesamten Energiebilanz liegt in Österreich lediglich bei nicht ganz 20 Prozent. 70 Prozent der anderen Energieträger müssen importiert werden.

Andererseits: Von der elektrischen Energie werden rund 70 Prozent aus Wasserkraft gewonnen, 30 Prozent in thermischen Anlagen.

Unter der Voraussetzung, daß die Energiepolitik eine Verringerung der Auslandsabhängigkeit ohne Atomstrom anstrebt, daß sie zudem Erdöl, Erdgas und Kohle aus Gründen der Zahlungsbilanz und des Umweltschutzes durch elektrische Energie aus heimischen Quellen ersetzen will, müssen unerschlossene Wasserkräfte genutzt werden, selbst wenn bereits Energiesparen als Bestandteil des Energieversorgungssystems einbezogen wird.

Denn: Tatsächlich ist der Energieverbrauch insgesamt seit dem Ölschock 1973 zurückgegangen, aber der Stromverbrauch ist in diesem Zeitraum, zudem effektiver genutzt, um fast 30 Prozent angestiegen.

Was soll die E-Wirtschaft jetzt weiter planen? An der Politik liegt es, das Ziel vorzugeben.

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