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Der Papst bleibt ein „Römer“

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Der Papst bleibt ein Römer. Dieses überspitzte Resümee konnte man, ungeachtet der nationalen Abstammung künftiger Päpste, aus den Bestimmungen über die Papstwahl ziehen die Paul VI. mit seiner in der Vorwoche veröffentlichten Apostolischen Konstitution erlassen hat. „Wir bekräftigen das Prinzip“, heißt es wörtlich in dem Dokument, „nach dem die Wahl des römischen Papstes gemäß der alten Überlieferung in die Zuständigkeit der römischen Kirche fällt, das heißt, des Heiligen Kardinalskollegiums, welches diese dabei vertritt.“ Die Funktion des international zusammengesetzten Kardinals-kollegiums als einer Vertretung der Kirche von Rom erklärt sich aus der historischen Entwicklung des Kardi-nalats. Die Kardinäle waren zunächst Vorsteher römischer Kirchen, bis man später — und zwar eben im Hinblick auf die Papstwahl — auch auswärtige Kleriker in das Kardinalskollegium aufnahm. Nominell sind alle Kardinäle aber auch heute noch Priester der Kirche von Rom, denen auch ein römisches Gotteshaus als eine sogenannte „Titelkirche“ zugeteilt wird.

Jesuitenpater Tucci, der die Apostolische Konstitution auf einer Pressekonferenz im Vatikan vorstellte, unterstrich auch diesen römischen Charakter der Papstwahl. Nach Tuccis Darstellung war die enge Verbundenheit des Papstes mit der Kirche von Rom und im weiteren Sinne mit der Kirche des lateinischen Ritus ausschlaggebend dafür, daß Paul VI. das Recht der Papstwahl ausschließlich den Kardinälen vorbehielt. Das Beiziehen einer Vertretung des Weltepiskopats ohne Kardinalsrang hätte — meinte Tucci — zum Nachteil des Papstes als Bischof von Rom ausfallen müssen. Der Papst wäre auf diese Weise eher zu einem „Delegierten der Weltkirche“ geworden.

Diese Argumentation hat sicher manches für sich, doch sie wäre

überzeugender, wenn nicht Paul VI. selbst öffentlich eine mögliche Änderung des Papstwahl-Gremiums in Aussicht gestellt hätte. • Eine solche Änderung wird in der Kirche schon seit langem diskutiert. Die Vorschläge, die dabei gemacht werden, reichen von einer echten Bischofswahl durch Klerus und Laien von Rom über die Wahl durch die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen bis zur Wahl durch die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen und zur Wahl durch die nach dem Konzil eingeführte Bischofssynode. Paul VI. neigte offenbar einer weniger einschneidenden, aber doch substantiellen Reform des Konklaves zu. Er wollte am Recht der Kardinäle, den Papst zu wählen, festhalten, erwog jedoch eine Erweiterung des Wahlgremiums durch die Patriarchen der orientalischen katholischen Kirchen und durch die Mitglieder des 15köpfigen Rates der Bischofssynode. Er selbst machte den Kardinälen im Konsistorium vom März 1973 von diesen Überlegungen Mitteilung. Was eine Beiziehung der orientalischen Patriarchen zur Papstwahl betrifft, so stellt sich diese Frage deswegen, weil die katholischen Ostkirchen zum Teil die Ernennung ihres Patriarchen zum Kardinal nicht wünschen, da sie im Kardinalat eine ihnen fremde Tradition der lateinischen Kirche sehen. Die betreffenden katholischen Ostkirchen können nach dem bisherigen, nun bestätigten Modus in keiner Weise an der

Wahl des Papstes mitwirken, obwohl er auch ihr geistliches Oberhaupt ist. Bei seinen Ausführungen im Konsistorium von 1973 hatte Paul VI. auch nachdrücklich den internationalen Aspekt einer Papstwahl gegenüber dem römischen betont. „Wir stellen die Frage“, hatte Paul VI. wörtlich erklärt, „ob man nicht die Möglichkeit in Erwägung ziehen sollte, dem Kardinalskollegium für ~ ein so schweres Amt jene beizuordnen, die die Bischofssynode als Vertreter des Weltepiskopats gewählt hat: den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode.“

Der Papst hat diese Ankündigung sicher nicht aus einer Laune des Augenblicks heraus gemacht. Paul VI. ist seinem Naturell nach ein Mann, der alle seine Äußerungen und Handlungen gründlichst überlegt und abwägt, ehe er damit an die Öffentlichkeit tritt. In seiner damaligen Rede sprach er zwar nur von einer Möglichkeit, die in Erwägung gezogen werden solle, aber es war in Rom ein offenes Geheimnis, daß er sich sehr ernsthaft mit diesbezüglichen Plänen trug, jedoch das Kardinalskollegium nicht vor die vollendete Tatsache stellen wollte.

Die Entscheidung fiel nun doch anders aus. Nach jahrelangen Arbeiten Pauls VI. an einer Konklavereform — Arbeiten, die er sogar während seines Sommerurlaubes in Castel-gandolfo fortsetzte — blieb mehr oder weniger alles beim alten. Die Frage nach den Ursachen der Meinungsänderung Pauls VI. liegt nahe. Die Gründe, die Pater Tucci bei der Pressekonferenz für die Beibehaltung des bisherigen Modus anführte, sind dafür nicht gravierend genug. Eher könnte etwas an jenen Informationen dran sein, die wissen wollen, daß die diesbezüglichen Pläne, oder wenn man will: Erwägungen Pauls VI. bei einem Teil der römischen Kurie und auch bei manchen nichtrömischen Kardinälen auf starke Ablehnung stießen. Möglicherweise wollte Paul VI. eine so wichtige Reform nur im Einvernehmen mit seinen Mitarbeitern durchführen.

So bleibt es dabei: Der Bischof von Rom wird von Römern gewählt, auch wenn dieser „Römer“ aus Rio oder Manila kommen und vielleicht gelbe, braune oder schwarze Hautfarbe hat. PETER MUSYL

Der Sekretär des Kardinals, Binia, spricht von einer „verlorenen Generation“. 65 v. H. der 1,8 Millionen Einwohner sind jünger als 20 Jahre: Die Jungen verlassen die Schule, finden keinen Job und werden entweder müßig oder kriminell. Die Mädchen werden häufig „freie Frauen“ oder Nebenfrauen, was der Volksmund ironisch das „zweite Büro“ nennt. Nach dem Verbot der katholischen Jugendbewegung hat Binia die „Bilenge Ya Mwinda“ aufgebaut: kleine charismatische Gruppen; in denen sich Schüler, Studenten, Arbeiter und ehemalige Straßenräuber treffen. „Wir benutzen die Initiations-

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