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Der Papst reizt

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Die Alternative Liste Österreichs (ALÖ), bei der Nationalratswahl mit 1,36 Stimmprozenten mandats-, aber nicht sprachlos geblieben, organisiert für die Zeit des Papstbesuches in Österreich einen Sonderzug nach Rom, um zusammen mit der dortigen Radikalen Partei alternativ zu feiern: „Rom ohne Papst“.

Marxisten sind allerorts von Jan Pawel II gereizt.

Die Papstbegeisterung in einem Land wie Polen, das seit bald 40 Jahren mit marxistischer Ideologie bombardiert (und mit marxistischen Produktionsweisen ruiniert) wird, ist eine so peinliche Blamage des Marxismus/Leni- nismus, daß die Rumpelstilzchen- Reaktionen seiner Trabanten im In- und Ausland eher Mitleid als Zorn erregen sollten.

In der kommunistischen „Volksstimme“ empörte sich Werner Pirker zuerst einmal darüber, daß der Papst in Polen „erstmals auch .Solidarität predigte, wo er doch anderswo nur von Nächstenliebe redet“.

Tausend marxistische Autoren haben der Kirche in der Vergangenheit vorgeworfen, sie scheue den Begriff „Solidarität“ und übertünche mit der unverbindlicheren „Nächstenliebe“ ihr Festhalten am jeweiligen Gesellschaftssystem.

Jetzt endlich sagt ein Papst „Solidarität“ — und tritt den Militärmachthabern eines marxistischen Regimes, das bis zur totalen ideellen und materiellen Nacktheit abgewirtschaftet hat, mit einem Hausvokabel kräftig auf die Zehen!

Schließlich mußte in derselben „Volksstimme“ auch noch ZK- Sekretär Erwin Scharf, der schon im Plenum des KPÖ-Zentralko- mitees den Papstbesuch in Polen zu analysieren gehabt hatte, herb in die Saiten greifen. Dem Warschauer Kirchenminister Lopat- ka warf er vor, offenbar nicht kapiert zu haben, daß der Polen- Pontifex seine Landsleute „zum

Kampf gegen diese Gesellschaftsordnung und gegen diesen Staat ermutigt“ habe.

Noch mehr aber erregten positive Kommentare „bestimmter österreichischer Sozialdemokraten“ den einstigen SPÖ- und nunmehrigen KPÖ-Zentralsekretär Erwin Scharf. Sein einziger Trost sind „auch viele Sozialisten in Österreich, die diese Orientierung nicht goutieren und an diesen Solidarisierungen für den Papst und für die reaktionären Kräfte in Polen nicht teilnehmen“.

Nun, da darf er sich wenigstens auch über die Sozialistische Jugend freuen, die laut „Freiheit“ (6/1983) derzeit Aufkleber ver-

teilt, auf denen neben dem SJ- Emblem zu lesen ist: „Stell’ dir vor, der Papst kommt nach Wien und keiner geht hin!“

Das ist bekanntlich eine Abwandlung des Mottos „Stell’ dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ und paßt damit assoziativ in die Argumentation des zitierten „Volksstimme“-Artikels, in dem es auch hieß, der Antikommunismus sei „das Haupthindernis für einen effektiveren Kampf für den Frieden“.

Wahrscheinlich belästigen und verhaften die Regime in Moskau, Prag und Ostberlin seit Wochen Anhänger von Friedensbewegungen im Namen des Antikommunismus. Stell’ dir vor, es verbreitet einer solchen Unsinn und niemand glaubt ihm

Man bekommt es in Österreich freilich auch noch deutlicher zu hören und zu sehen, wen dieser Papst nervös macht. In der „tribūne“, einer (Selbstdefinition) „Zeitschrift von Sozialisten für Sozialisten“, liest man (im Juni- Heft) zum bevorstehenden Papstbesuch in Wien:

„Je nach Lust und Laune kann man in das Geschehen eingreifen

(mitsingen, büßen, spontan jubeln, Papst küssen, Halleluja rufen, essen und trinken u. dgl.) oder rechtzeitig vor sorgen, Wien verlassen, Radio und Fernseher nicht einschalten.“ Und weiter:

„Wem dieses Spektakel überhaupt zuwider ist, der kann ja auch aus der Kirche austreten. Ganz einfach aufs zuständige Magistrat (Bezirksverwaltungsbehörde) gehen, Taufschein und Meldezettel mitnehmen und den Austritt erklären… Also ans Werk! Der Papstbesuch soll für jedermann ein Denkanstoß sein.“

Einen Aufruf zum Kirchenaustritt hat es immerhin seit Jahrzehnten in keinem Organ des demokratischen Sozialismus in Österreich mehr gegeben — auch wenn hier rasch anzumerken ist, daß die linkslinke „tribūne“ den Spitzen der SPÖ auch nicht gerade freundlich kommt (oder willkommen ist).

Immerhin: Kommunistisch ist die „tribūne“ nicht, sonst könnte sie sich gleich mit der „Wiener Hochschulzeitung“ der „Marxistischen Gruppe“ fusionieren, wo am 20. Juni ein Offener Brief an die Dekane der naturwissenschaftlichen und medizinischen Fakultäten mit der Aufforderung erschien, „die verbleibenden Wochen zu nutzen, Ihre Studenten zu einer Demonstration gegen den Papstbesuch unter Ihrer Leitung anzuhalten, auch wenn der Prüfungsbetrieb darunter leidet… “.

Begründung: Naturwissen schafter könnten doch nicht tatenlos zusehen, wie der Papst in Mariazell ein „hölzernes Bild“ anbetet, „steht der Holzkopf doch für Wahrheiten, die einem menschlichen bloß einfallen, wenn er Logik mit Logos verwechselt“.

Logo. Nach einem solch unwiderleglichen Logismus ist zu hoffen, daß der kirchlichen Logistik Johannes Paul II. noch lange zur Verfügung steht. Keiner macht Marxisten aller Schattierungen so nervös wie er.

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