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Der Papst war im Bilde

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Johannes Paul II. wollte in den Seelen der Ungarn Frieden stiften oder zumindest zur Stärkung der dazu notwendigen Voraussetzungen beitragen. Gleich nach seiner Ankunft ließ er durchblicken wieweit er im Bilde war „Freiheit allein vermag die Probleme des Landes nicht zu lösen", meinte er und unterließ fortan jedes überschwengliche Lob, das hierzulande von jedem höheren katholischen Besucher erwartet wird. Immerhin leben hier weit über 35 Prozent Protestanten, die für „papstische" Sprüche genauso wenig übrig haben wie die Juden, die nach dem Abklingen des ruhmlosen „sozialistischen" Systems immer mehr ihre Identität entdecken.

Die christlich-nationale Koalition hat mit einem erstaunlichen Sinn für Takt und Politik noch rechtzeitig darauf verzichtet, diesen Besuch zum „Setzen von Akzenten" zum Anlaß zu nehmen. Es war dafür der liberale Staatspräsident Ärpäd Gönzc, der nach einem halbstündigen Gespräch mit dem Papst seine Begeisterung nicht zügeln konnte. „Zwei alte Männer, beide katholisch, einst beide im Widerstand, beide Drama-Autoren und beide sehr, sehr müde. Ich glaube schon, daß er ein Heiliger ist". So ungefähr sah ihn auch das Volk. Erlebt wurde da ein Papst als Mensch, dem Karol Wojtyla durchaus gerecht wurde; ein Image das ehrlich und überzeugend wirkte weil sich seine Heiligkeit mit ihm voll und ganz identifizieren konnte.

Die Ungarn die seit Jahrhunderten gewohnt sind Bischöfe und Prälaten zu erleben, die hinter dem Kommunionsgitter womöglich auch noch in Altarshöhe zu erstarren pflegen, waren für dieses Bild dankbar. Da nützte auch recht wenig, daß die eigenen Oberhirten die allerdings höchstens als Übersetzer spontaner Johannes Paul-Äußerungen zu Wort kamen, sich in eigener Schwulstig-keit wie üblich auch diesmal übertrafen. Die Menge, und es ist auf einmal gar nicht mehr so eigenartig, schien dies zu überhören. Sie hing am Bild, das müde und katholisch war.

Der hohe Kostenaufwand des Besuches vor allem aber manche zwischen privaten Fernsehgesellschaften und dem Organisationsstab der Bischofskonferenz entstandenen Verträge haben freilich Kritik aufkommen lassen und nicht nur bei Anti-Klerikalen. Der Geist der Vergangenheit, als Staatsgelder mit beiden Händen vergeben wurden, doch freilich stets so, daß sich jeder Beteiligte davon das Seinige holen konnte, ist noch recht lebendig.

Wenn die Ungamreise Joahnnes Pauls nur „bewegend" für die Magyaren war, so war sie gewiß schon ein Erfolg. Die Frage, wie weit dies zur Erneuerung der moralischen Autorität der Bischofskonferenz beiträgt, ist aber berechtigt; einstige enge Mitarbeiter des berüchtigten staatlichen Kirchenamtes in dieser Körperschaft zeigten sich während des Besuches äußerst angespannt. Dem eigentlichen Gastge-, ber, Kardinal Paskai, wurde außer bei den Hochämtern so gut wie keine Möglichkeit gegeben, in der Nähe seiner Heiligkeit zu glänzen. Ähnlich erging es dem Unierten Bischof Keresztes, obwohl er einer der Hauptorganisatoren der Visite war. Die mitgereisten Angehörigen der Kurie blieben diskret. Seine Heiligkeit sei genau im Bilde. Die Ungarn werden Johannes Paul, der sich von ihnen am 20. August, dem Tag der Reichsgründung, mit einer Messe am Budapester Heldenplatz verabschiedete,sicherlich vermissen.

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