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Der Präsident als „Missionar"

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Frankreichs sozialistischer Präsident hat für seine Außenpolitik den gaullistischen Stil übernommen. Daher überwiegt der Eindruck der Kontinuität, wenn auch die diplomatischen Methoden eine gewisse Unerfah-renheit erkennen lassen und mitunter etwas sprunghaft sind. Außerdem ist es nicht ganz einfach, in einer veränderten Welt mit einem Abstand von rund zwei Jahrzehnten ein Vorbild nachzuahmen.

Am deutlichsten ist der weltpolitische Ehrgeiz Francois Mitter-

rands, der sich nicht hur auf Frankreichs Größe beruft, sondern auch auf seine von der großen Revolution 1789 abgeleitete Missionsidee im ständigen Ringen um Freiheit und Menschenrechte auf allen Kontinenten.

Natürlich genügt es nicht, ein weltweites Mitspracherecht anzumelden, um auf dem internationalen Schachbrett ernst genommen zu werden. Es bedarf auch eines angemessenen Potentials, das im Gegensatz zu Mitterrand Charles de Gaulle wenigstens teilweise und nur in einigen Regionen der Welt durch sein persönliches Prestige ergänzen konnte.

Außerdem lassen sich die internationalen Realitäten, die nationalen Interessen und die Verteidigung der Menschenrechte nicht immer auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Diese Erfahrung mußte bereits der ehemalige amerikanische Präsident Jimmy Carter machen. Mitterrand befindet sich in einer noch schwächeren Ausgangsposition.

Unveränderte Schwerpunkte der französischen Außenpolitik bleiben Europa, die atlantische Allianz und Afrika. Nach einigen Kontakten mit London und Rom erkannte Paris sehr schnell, daß eine enge deutsch-französische Zusammenarbeit das unentbehrliche Fundament der europäischen Einheit ist und bleibt.

Seine geringe persönliche Sympathie für den völlig unromantischen und in seinem Wesen wenig sozialistischen deutschen Bundeskanzler hinderte den französischen Präsidenten nicht daran, ihn fast zu umwerben sowie seinen Ministern die Anweisung zu erteilen, das deutsch-französische Verhältnis zu pflegen und im Rahmen des Möglichen noch weiter zu vertiefen. In einer schwierigen Lage kann Frankreich auf die deutsche Rückendeckung nicht verzichten. Dies wurde in der jüngsten europäischen Währungskrise besonders deutlich.

Seine Gegenleistung ist eine betont pro-atlantische und überraschend anti-sowjetische Einstellung. Daß sich Mitterrand im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht nur in der diplomatischen Kulisse, sondern öffentlich und deutlich für die Stationierung der neuen amerikanischen Raketen auf europäischem Territorium einsetzt, ist für Helmut Schmidt äußerst wertvoll im Augenblick, indem er für diese NATO-Nachrü-stung in seiner eigenen Partei auf erhebliche Widerstände Stößt. Er vermag sich nunmehr Mitterrands als sozialistischem Kronzeugen zu bedienen.

Fürsprecher Mitterrand

Für die Ost- und Sicherheitspolitik gibt es andererseits zwischen Paris und Washington nicht die geringsten Meinungsverschiedenheiten. Die schon bisher vorhanden gewesene enge militärische Koordinierung mit der NATO wird jetzt nicht mehr geheimgehalten, sondern mit der sowjetischen Bedrohung gerechtfertigt, ohne daß deswegen Frankreich auf seine Sonderstellung in der atlantischen Allianz verzichtet, noch auf seine atomare Entscheidungsfreiheit als Wahrzeichen seiner hoch eingeschätzten nationalen Unabhängigkeit.

Es gehört allerdings zu den Unbekannten des neuen Regimes, weshalb Mitterrand persönlich die sowjetische Politik mit größtem Mißtrauen beobachtet und im politischen Bereich das französisch-sowjetische Verhältnis praktisch eingefroren hat. Mit dieser harten Haltung weicht er von de Gaulle und Giscard d’Estaing ab.

Dagegen stützt er das weltpolitische Prestige seines Landes ebenso wie seine Vorgänger auf das schwarze Afrika, wobei nach einigem Zögern die Beziehungen zu den französischsprachigen Ländern eindeutig privilegiert bleiben, schon weil Frankreich finanziell nicht in der Lage ist, die anderen Staaten des Kontinents -von symbolischen Gesten abgesehen - über die Entwicklungshilfe stärker zu binden.

Dessen ungeachtet fühlt sich Mitterrand als westlicher Fürsprecher für die Dritte Welt, mit dem eifrigen Bestreben, dem von Giscard d’Estaing eingeleiteten Nord-Süd-Dialog einen neuen Elan zu geben.

In diesem Zusammenhang will sich die französische Diplomatie zur Ergänzung ihrer afrikanischen Gefolgschaft in der Dritten Welt auf drei Pfeiler stützen -nämlich Algerien, Indien und Mexiko. Sie hegt die Hoffnung, mit diesen Ländern, die ihrer Uberzeugung nach in ihrer) geographischen Zonen einen starken Einfluß besitzen, zu einem engeren Verhältnis zu gelangen.

Die Widersprüche der französischen Außenpolitik ergeben sich hauptsächlich aus der Verkettung des bereits von Giscard d’Estaing nicht gerade erfolgreich vertretenen Mondialismus mit dein sozialistischen Menschenrechtsideal. Deswegen glaubt Paris trotz aller bisherigen Fehlschläge wieder an die Möglichkeit einer Mittlerrolle in Nahost.

Laufende Interventionen

Nicht zuletzt fühlen sich die Regierung und die sie tragende Sozialistische Partei verpflichtet, laufend zu allen Ereignissen in der Welt offiziell Stellung zu nehmen; eine Methode, die auf die Dauer ein reichliches Maß an Verärgerung auslösen muß.

Die beiden ersten Nachfolger de Gaulies, Pompidou und Giscard d’Estaing, erkannten mehr oder weniger schnell die Notwendigkeit, ihren außenpolitischen Ehr-r geiz einigermaßen dem nationalen Potential anzupassen. Auch Mitterrand dürfte sich diesem Zwang nicht entziehen können, umso weniger, als seine finanzielle und wirtschaftliche Abhängigkeit von den Arabern größer geworden ist.

Denn im Gegensatz zu Giscard d’Estaing muß er deren Vertrauen erst gewinnen - was schwieriger ist, als zu bewahren. Frankreichs außenpolitische Bewegungsfreiheit ist demnach weit kleiner, als seine Verantwortlichen wahrhaben möchten.

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