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Der „Quantensprung“ fehlt

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Bis vor kurzem war das öf f ent -liehe Interesse an österreichischen Investitionen im Ausland ziemlich gering. Im Vordergrund ständen die Investitionen ausländischer Unternehmer in Österreich, die ihrem Umfang nach weit größer sind. Das plötzlich erwachte Interesse läßt sich auf die starke Zunahme internationaler Investitionen weltweit, sie expandierten in den achtziger Jahren rascher als Weltproduktion und Welthandel, sowie auf die angekündigte Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes in unmittelbarer Zukunft zurückführen. Bieten doch Investi-* tionen die Möglichkeit für Unter-

nphmer aus einem Nichtmitglieds-land, sich in den Binnenmarkt einzukaufen. Auch die zunehmende Öffnung der sozialistischen Länder für ausländisches Kapital hat für Österreich besondere Bedeutung.

In den zahlreichen Kommentaren von Politikern wie Vertretern der Wirtschaft zu diesem Thema werden einhellig die im internationalen Vergleich geringen Auslandsinvestitionen österreichischer Unternehmer beklagt und nicht ohne Grund: Von 17 OECD-Ländern hat Österreich den geringsten Anteil an den Auslandsinvestitionen der OECD insgesamt und auch im Vergleich zum österreichischen Bruttoinlandsprodukt ist ihr Anteil äußerst gering. Die Gründe dafür liegen zum Teil in der Vergangenheit, zum Teil in bestehenden Mentalitätsbarrieren des durchschnittlichen österreichischen Unternehmers. So haben zweifellos das Fehlen von Kolonien, die Zersplitterung des an sich großen österreichisch-ungarischen Binnenmarktes, der Verlust von „Auslandstöchtern“ durch die beiden Weltkriege und schließlich, nach dem Zweiten Weltkrieg, die ungünstigen Voraussetzungen für die Eigenkapitalbildung und die Restriktionen im Kapitalverkehr das Entstehen großer, finanzkräftiger, multinationaler (privater)

Konzerne in Österreich behindert. Die jüngste Liberalisierung des Kapitalverkehrs, Teilaspekte der Steuerreform, Förderungs- und Informationsprogramme der Bundeswirtschaftskammer sowie verbesserte Dienstleistungen der Banken beziehungsweise spezielle Garantien für Auslandsinvestitionen sollen dieses Defizit neuerdings verringern helfen. Die Entscheidung, im Ausland zu investieren, muß jedoch letztlich von den Unternehmern selbst getroffen werden. In diesem Zusammenhang ist die programmatische Erklärung der ÖIAG, bis 1992 20 Prozent ihres Konzernumsatzes in ausländischen Produktionsstätten zu erwirtschaften, erwähnenswert.

Auf die Frage, warum Unternehmer im Ausland investieren, gibt es viele Antworten, die sich jedoch auf einige Grundmotive zurückführen lassen:

• Eroberung und Sicherung von Absatzmärkten (inklusive dieÜber-windung von tarifarischen und nichttarifarischen Handelshemmnissen),

• kostengünstigere Produktion,

• Technologieverwertung und Technologietransfer.

Durch den verstärkten internationalen Konkurrenzkampf und den raschen, zum Teil sehr kostenintensiven technischen Wandel haben diese Motive in den achtziger Jahren an Bedeutung gewonnen, sodaß weltweit immer mehr, auch mittlere und kleinere Unternehmen, die Internationalisierung ihrer Produktion in Erwägung ziehen beziehungsweise ziehen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben.

In Österreich ist, von niedrigem Niveau ausgehend, auch tatsächlich ein gewisser „Aufholprozeß“ feststellbar: Der Anteil der österreichischen Auslandsinvestitionen an den gesamten Auslandsinvestitionen der OECD ist von 0,1 Pro-

zent in den sechziger Jahren auf 0,2 Prozent in den siebziger Jahren und 0,3 Prozent in den achtziger Jahren gestiegen. Die durchschnittliche Wachstumsrate der österreichischen Auslandsinvestitionen in der Periode 1961 bis 1988 war 22 Prozent. Im gleichen Zeitraum wuchsen die österreichischen Exporte jährlich um zehn Prozent und die ausländischen Investitionen in Österreich um elf Prozent. Am Nominalkapital gemessen betrugen die österreichischen Investitionen im Ausland 1986:8,3 Milliarden Schilling, das gesamte Eigenkapital im Ausland 16,7 Milliarden Schilling. In ausländischen Unternehmen mit österreichischer Beteiligung waren rund 80.000 Personen beschäftigt. Österreich ist damit noch sehr weit von den traditionell stark im Ausland vertretenen kleinen europäischen Industrieländern wie der Schweiz und den Niederlanden entfernt. Das Wachstum österreichischer Investitionen im Ausland ist außerdem nicht mit dem Aufholprozeß Schwedens seit den siebziger Jahren oder der raschen Expansion finnischer Auslandsinvestitionen in den achtziger Jahren vergleichbar (siehe Seite 9).

Die Struktur der österreichischen Auslandsinvestitionen bestätigt die Rolle Österreichs als junger internationaler Investor:

• starke Konzentration der Investitionen auf nahe Märkte,

• hoher Anteil von Vertriebsniederlassungen,

• geringe Diversifikation durch Auslandsinvestitionen,

• starke Konzentration der Investitionstätigkeit im Aus- im$T land auf einige wmnStegto&en

wenige Unter- Investitionen planen.

nehmen, vorwie-

gend in Branchen, die allgemein als besonders „internationalisierungs-fähig“ gelten.

Im Nachbarland Bundesrepublik sind 30 Prozent und in der Schweiz 17 Prozent der österreichischen Auslandsinvestitionen konzentriert; der Anteil der skandinavischen EFTA-Länder ist hingegen weniger als ein Prozent. Im gesamten EG-Raum befinden sich knapp 50 Prozent der österreichischen Auslandsinvestitionen. Das wichtigste Zielland in Übersee sind die USA. Die österreichischen Investitionen in den USA haben jedoch im Gegensatz zum internationalen Trend in den achtziger Jahren nur mäßig zugenommen. Die Investitionen in den Entwicklungsländern sind relativ gering und stagnieren mit Ausnahme Südostasiens. Die bis 1980 vernachlässigbaren Investitionen im RGW-Raum zeigen starke Zuwächse, ihr Anteil ist mit rund einem Prozent jedoch nach wie vor klein. Rund drei Viertel der österreichischen Beteiligungen im Ausland sind Nichtindustrieunter-nehmen, mehr als die Hälfte davon Handelsunternehmen.

Erst seit Mitte der achtziger Jahre ist eine schwache Neigung zu vermehrten Investitionen in Produktionsunternehmen feststellbar.

Neben dem Handel sind die wichtigsten Branchen, in denen österreichische Unternehmen und Private im Ausland investieren, die Metall- und Fahrzeugindustrie, die

Erdöl- und Chemieindustrie und die Sparte Banken und Finanzierungsgesellschaften. In diesem Bereich sind die direkt und indirekt verstaatlichten Unternehmen besonders stark vertreten und die Unternehmensgröße liegt weit über dem Durchschnitt.

Moderne Entwicklungen werden nur sehr zögernd mitgemacht:

• keine ausgeprägte Zunahme der Internationalisierung im tertiären Bereich,

• keine nachweisbare Tendenz zu „neuen Investitionsformen“ (Kooperationsverträge, Managementverträge, erweiterte Lizenzverträge et cetera),

• nach wie vor schwaches Engagement in neuen „Hoffnungsmärkten“, zum Beispiel Südostasien,

• Investitionen in den USA auf sehr schmaler Basis,

• noch relativ geringe Bedeutung von Fusionen und Akquisitionen als Unternehmensstrategie.

Bis 1986, neuere Daten sind nicht verfügbar, konnte auch keine signifikante Erhöhung der Investitionen in den EG-Raum als Antwort auf die programmatische Erklärung der EG zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes bis 1992 festgestellt werden.Von den Unternehmervertretern wird allerdings erst für das Jahr 1988 ein „Quantensprung“ bei den österreichischen Auslandsinvestitionen behauptet, der sich auch auf die Struktur der Investitionen positiv auswirken könnte.

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Österreichischen Institut für Internationale Politik in Laxenburg.

Ein detaillierter Beitrag von Waltraut Urban zu diesem Thema erschien in den „Wirtschafts-analysen“, 2. Quartal 1989der Ersten österreichischen Spar-Casse - Bank unter dem Titel „Österreichische Auslandsinvestitionen - Rückblick und Ausblick “.

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