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Der Reformator aus der „Gänsestadt"

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„Die Asche des verbrannten Hus haben sie sorgsam gesammelt und in den Rhein geschüttet, damit auch nicht ein Stäublein übrig bliebe von diesem Mann. Manche meinen", heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, „es sei deshalb geschehen, damit die Vögel die Asche nicht als eine Reliquie nach Böhmen führten." Jan Hus - Ketzer für die einen, Märtyrer und Nationalheld für die anderen.

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„Die Asche des verbrannten Hus haben sie sorgsam gesammelt und in den Rhein geschüttet, damit auch nicht ein Stäublein übrig bliebe von diesem Mann. Manche meinen", heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, „es sei deshalb geschehen, damit die Vögel die Asche nicht als eine Reliquie nach Böhmen führten." Jan Hus - Ketzer für die einen, Märtyrer und Nationalheld für die anderen.

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Der wegen Ketzerei angeklagte tschechische Reformator Jan Hus hat am 10. Juni 1415 aus einem Konstanzer Gefängnis einen letzten Brief (Auszug) an seine böhmische Gemeinde gerichtet: „Getreue und gottliebe Herren und Frauen, reich und arm! Bitt euch und mahn, daß ihr Gott den Herrn sollt lieben, sein Wort preisen und gern hören und erfüllen. Bitt euch, daß ihr die Wahrheit Gottes, so ich euch aus Gottes Gesetz und den Reden der Heiligen geschrieben und gepredigt, sollt halten; bitt euch, daß, wenn einer von mir bei der Predigt oder verborgen etwas gegen die Wahrheit Gottes gehört oder so ich wo solches sollt geschrieben haben, er es nicht halte ... Hab euch diesen Brief geschrieben in Kerker und Fesseln, für den morgigen Tag der Verurteilung an den Tod erwartend volle Hoffnung in Gott hegend, daß ich vor der Wahrheit Gottes nimmer weich und die Irrtümer, deren falsche Zeugen mich bezichtigen, nicht abschwöre".

Jan Hus wurde zum Tode verurteilt und am 6. Juli 1415 in Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Nach dem Tode des Reformators fegte der Sturm der Hussitenkriege über Böhmen und wurde auch nach Österreich, Schlesien, Sachsen und Franken hineingetragen. Erst am 3. Juli 1436 wurde mit dem Vergleich von Iglau den kriegerischen Ereignissen ein Ende bereitet. Die Gleichberechtigung von Hussiten und Katholiken brachte allerdings erst der Religionsfriede von Kuttenberg (Kutna hora) von 1485.

Die ganze tragische Entwicklung im Leben des Jan Hus wird interessant und anschaulich im Geburtshaus des Reformators in Husinetz (Husinec) präsentiert. Hus wurde im Jahre 1369 als Sohn armer Bauern geboren. Der Ort Husinec (übersetzt: „Gänsestadt") hat seinen Namen von der nahegelegenen Burg Hus, die dem Reformator den Namen gab und deren Reste auch heute noch besichtigt werden können. Hus erhielt seine erste Ausbildung an der lateinischen

Schule von Prachatitz (Prachatice). Später zieht es ihn nach Prag, wo er als Student seinen Lebensunterhalt durch Kirchendienste finanziert. Im Jahre 1393 erlangt er den Titel eines Bakkalaureus an der artistischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag. Drei Jahre später wird er zum Magister der freien Künste promoviert. Ab dem Jahre 1398 hält er bereits Vorlesungen und setzt daneben das Studium der Theologie fort. Im Jahre 1400 wird Hus zum Priester geweiht, im Jahr darauf zum Prediger an der Bethlehemskapelle gewählt. Begeistert nimmt er die Schriften des Oxforder Theologen John Wiclif (1324-1384) auf und wird alsbald ein Verteidiger dessen religiös-sozialer Lehre und Eiferer gegen kirchliche Mißstände.

1402/3 wird er Rektor der Prager Universität und Führer der tschechischen Partei auf akademischen Boden. Er nimmt eine Reform des Kirchengesangs vor und bemüht sich um das geistliche Lied in der Landessprache. Hus setzte ein Dekret durch, daß den Tschechen die Stimmenmehrheit an der Universität sicherte (Kutten-berger Dekret des König Wenzel IV. vom 18. Jänner 1409).

Inzwischen hatte sich Hus einen mächtigen Feind im Prager Erzbischof Sbinko (Zbynek Zajic von Hasenburg) geschaffen: dieser ließ 1411 die Bücher Wiclifs verbrennen und verhängt über Hus den Bann. Dieser wurde noch verschärft, nachdem Hus öffentlich gegen die Ablaßbulle von Johannes XXIII. aufgetreten ist.

Als Hus in Prag die Verhaftung droht, begibt er sich auf eine Burg bei Tabor, wo ihm der tschechische Adelige Johannes von Usti Gastfreundschaft anbot. In seinem Exil schreibt er in tschechischer Sprache seine christliche Ethik (O poz näni cesty prave k spaseni) und über die Simonie (O svatokup ectvi). Seine berühmteste Abhandlung „De eccle-sia", die ohne seine Anwesenheit 1413 in der Bethlehemskapelle verlesen wird, wird gleichzeitig seine Anklageschrift in Konstanz.

Das Geburtshaus in Husinec beherbergt eine ausgezeichnet gemachte Dauerausstellung mit vielen Originalstücken aus dem Leben des große Reformators. Eine deutsche Tonbandführung erleichtert das Studium der vielen Dokumente in tschechischer Sprache. Das jetzige Aussehen hat das Haus seit dem Jahre 1965, als auch das mittelalterliche Nebenhaus dazu erworben wurde, das Eingang, Kassa und Teile der Dokumentation beinhaltet.

Der Ort Husinec ist etwa so alt wie das Hus-Haus selbst und bietet neben

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