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Der Regierung fehlt ein ordnungspolitisches Konzept

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Das Spitalsproblem ist nun zur Gänze in den Fleischwolf der Tagespolitik geraten. Die Regierungspartei, die sich jetzt lautstark über die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Opposition beklagt, trägt allerdings selbst die Hauptschuld daran: Sie wollte es sich anfangs allzu bequem machen, indem sie die Gebietskörperschaften „autorisierte“, durch neue Steuern und Abgaben die Defizite zu decken und damit den Schwarzen Peter der unpopulären Maßnahmen in der Hand zu behalten.

Nunmehr versuchen Repräsentanten der Regierungspartei, durch „lautes Denken“ die Sensibilität der Bevölkerung gegenüber den diversen Möglichkeiten neuer Belastungen zu testen. Statt nach einem präzisen ordnungspolitischen Konzept vorzugehen, wird opportunistisch herumprobiert. Hier zeigt sich die falsche Einstellung der Regierung, die glaubt, ohne Ordnungspolitik auszukommen, ja diese durch Gesellschaftspolitik substituieren zu können.

Ordnungspolitik erfordert klar definierte Prinzipien und Zielsetzungen, freilich nicht solche, welche sich an irgendwelchen hypothetischen sozialen Utopien orientieren, sondern solche, welche problemadäquat sind und konkrete Lösungsmöglichkeiten anbieten. Derartige Prinzipien sind im Hinblick auf die Gesundheitspolitik im generellen und die Spitalssanierung im speziellen unter anderem folgende:

• Effektivität: Wenn es auch außer Zweifel steht, daß die Spitäler mehr Geld brauchen, so dispensiert sie dies noch lange nicht von der Verpflichtung, rationeller und effektiver - durch bessere Planung und Organisation, nicht jedoch durch Verschlechterung der Leistungen für den Patienten - zu arbeiten. Hier ist nach einhelliger Meinung der Experten noch viel zu tun. Ein praktikables Konzept des Gesundheitsministeriums steht allerdings noch aus.

Prinzipiell müßte hier vom pseudosozialen Kostendeckungsprinzip abgegangen werden, welches de facto unsozial ist: Wenn gutes Wirtschaften den Spitälern nur eine Reduktion ihrer Zuschüsse bringt, während sie sich anderseits darauf verlassen können, daß noch so überflüssige Defizite von irgend jemandem abgedeckt werden, fehlt es an einer plausiblen Motivierung für echte Reformmaßnahmen. Richtig hingegen wäre es, die Zuschüsse nach objektiven Kriterien (ohne Fixierung auf die momentane finanzielle Situation der einzelnen Krankenanstalt) zu gewähren.

Erst wenn Maßnahmen zu einer höheren Effektivität in die Wege geleitet sind, sollte die Dotierung erhöht werden. Experten fürchten mit Recht, daß die Erschließung neuer finanzieller Ressourcen vor effizienten Reorganisationsmaßnahmen nur zur Stabilisierung des aktuellen unbefriedigenden Zustands führt.

• Selbstbehalt: Gegen den Vorschlag des Finanzministers (finanzielle Beteiligung auch der sozialversicherten Patienten an den Spitalskosten mit Hilfe eines Taggeldes) werden mit Recht soziale Bedenken angemeldet. Auf der anderen Seite läßt sich nicht von der

Hand weisen, daß die Verweildauer in den österreichischen Spitälern extrem lang ist, wobei sie - wie statistisch festgestellt wurde - bei Unselbständigen, welche mit keinen größeren finanziellen Einbußen infolge ihrer Krankheit zu rechnen haben, erheblich länger ist als bei Selbständigen. Eine doch nicht ganz von der Hand zu weisende Uber- strapazierung der Spitäler könnte also durch einen Selbstbehalt doch stark verringert werden, wobei mit Hilfe einer gewissen Staffelung der Taggelder nach dem Einkommen der Patienten und durch Zahlungsbefreiung für schwer und chronisch Kranke soziale Härten vermieden werden könnten.

• Verursacherprinzip: Starke Emotionen löste die Kanzleridee einer Au- tosondersteuer aus: Sie ist nicht pauschal, jedoch in der vorgeschlagenen Form, abzulehnen. Eine gewisse Allergie gegenüber solchen Propositionen ist dem Österreicher freilich nicht zu verargen. Er erinnert sich nur zu gut an den seinerzeit mit viel Trara eingeführten „Gesundheitsschilling“ auf Tabakwaren, welcher teilweise von der Tabakregie und teilweise vom allgemeinen Budget „inhaliert“ wurde, während das Gesundheitswesen leer ausging. Daß eine Autosteuer, in welcher Form auch immer, zweckgebunden sein müßte, ist daher die erste Voraussetzung.

Allerdings ist die Besteuerung von Neuwagen, mit welcher man gleichzeitig die Autoimporte reduzieren möchte, eine opportunistische und letzten Endes nicht zielführende Idee. Ordnungspolitisch gesehen entspricht eine Autosondersteuer dem Verursacherprinzip.

Man darf aber das Verursacherprinzip nicht einseitig anwenden, sondern sollte es durchaus auch für andere Risikogruppen einführen, sei es in Form von Zuschlägen, sei es auf eine andere, jeweils problemspezifische Manier: dies sollte sich auf Alkohol und Tabakwaren ebenso beziehen wie auf besonders unfallsgefährdete Sportarten - vom Drachenfliegen bis zum Schifahren - erstrecken.

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