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Der Sanierer Van Gogh

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Museen sollen Kunstwerke verkaufen“, prangt auf der Titelseite der FURCHE (36/1987). Und im Blattinneren wird dieser Vorschlag zur Lösung der österreichischen Museumskrise, den der Zürcher Wirtschaftswissenschaftler Bruno Frey in Alpbach präsentiert hat, näher ausgeführt.

Frey denkt in erster Linie an Bilder aus dem Depot, womit auch der Vorteil verbunden wäre, daß sie der Öffentlichkeit zugänglich würden. Nun wäre es gewiß erfreulich, wenn etwa Kunsthistorisches Museum und österreichische Galerie ihre Depots öffneten.

Dazu gäbe es aber bessere Möglichkeiten als ihren Verkauf: etwa die Ausleihe an Landesmuseen oder die Einrichtung einer Galerie in einem der renovierten Schlösser wie Schloßhof.

Gewiß ruht in den Depots auch manches, was man ohne schlechtes Gewissen weggeben könnte. Nur zu glauben, daß man damit jene spektakulären Preise erzielen könnte, wie die fünfhundert Millionen Schilling für Vincent van Goghs Sonnenblumen, ist lächerlich.

Dafür würde wohl nicht einmal die gesamte Sekundärgalerie des Kunsthistorischen Museums ausreichen — eine nicht glückliche Bezeichnung für eine auch nicht sehr glückliche Einrichtung, aber immerhin ein öffentliches Museum, dessen Gesamtverlust für Wien bedauerlich wäre.

Das Beispiel dieser Sekundärgalerie zeigt zugleich, daß auch mit dem von Frey vorgeschlagenen Verkauf von weniger wichtigen Bildern aus der öffentlich zugänglichen Sammlung keine großartigen Gewinne erzielbar wären.

Ernster ist freilich das Problem: was ist „weniger wichtig“? In Depots und Sekundärgalerien sammeln sich Bilder, die gerade nicht auf der Welle des Zeitgeschmak-kes liegen. Nur ändert sich dieser bekanntlich,' und früher aus Sammlungen eliminierte Breu-ghels, El Grecos, Arcimboldos, de la Tours... sind aus heutiger Sicht schmerzhafte Verluste.

Spektakuläre Preise könnten nur ein paar Dutzend Meisterwerke aus österreichischem Bundesbesitz erzielen. Potente Käufer würden sich dafür allerdings nicht in Österreich, sondern bestenfalls in der Schweiz oder der Bundesrepublik Deutschland, am ehesten in den USA und in Japan finden.

So läuft der Vorschlag auf einen Ausverkauf des nationalen Kulturgutes hinaus, an dessen langfristigem Ende glänzend renovierte Häuser ohne entsprechendem Inhalt stünden.

So reich, daß man dem achselzuckend zuschauen könnte, ist Österreich aber gerade an Werken der Bildenden Kunst heute nicht mehr. In den letzten hundert Jahren ließ man aus Wien so viele Bilder abwandern, daß man damit ein Museum füllen könnte, das im Rang dem Kunsthistorischen Museum kaum nachstünde.

Im übrigen würde der Verkauf eines Bildes derzeit gar nicht dem Museum selbst zugute kommen, sondern in das allgemeine Budget fließen. Das weiß auch Frey und kritisiert es zu Recht.

Daß den Museen mehr Selbständigkeit gegenüber der Staatsverwaltung einzuräumen ist, dürfte aber heute in Österreich allgemein anerkannt sein, und man kann nur hoffen, daß an entsprechenden Konzepten im Wissenschaftsministerium intensiv gearbeitet wird.

Aber: auch die größte denkbare Selbständigkeit - etwa die Zuer-kennung der Rechtspersönlichkeit — beruht auf einem staatlichen Akt, maximal einem Gesetz, das abänderbar ist. Wirtschaftlich und ideell bleiben die Büder Eigentum des Staates oder, wenn man so will, der Nation.

Wer könnte es, wenn das Tabu einmal durchbrochen ist, einem Fmanzminister verargen, mit dem Bilderverkauf nicht nur die Museen selbst, sondern auch andere defizitäre Einrichtungen zu sanieren? Wer wagte es, sich da-gegenzustemmen, wenn damit Arbeitsplätze gesichert werden könnten?

Freilich: im Endeffekt wäre der Schaden nicht nur ein ideeller, sondern auch ein wirtschaftlicher. Die großen Galerien, auf die allein Freys Vorschlag paßt, prägen das Bild Österreichs als Kulturstaat, mehr noch im Ausland als im Inland selbst, und haben Wien zu einem Magneten des Städtetourismus gemacht.

Der Imageverlust, den Wien dadurch erleiden würde, daß es seine Kulturgüter „verscherbelt“, wäre immens und gewiß auch in der Fremdenverkehrsbilanz meßbar.

Frey sieht die größte Gefahr seines Vorschlages darin, daß der Staat seine schon bisher gewährten (gewiß zu spärlichen) Subventionen noch mehr vermindern könnte. Es ist für ihn allerdings „nicht einzusehen, warum die Subventionen für diese laufenden Aufwendungen vermindert werden sollten“.

Es ist auch nicht einzusehen, daß sich der Staat der selbstverständlichen und in aller Welt anerkannten Pflicht eines Kulturstaates entzieht, seine Kulturgüter den künftigen Generationen zu erhalten.

Der Autor, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Wien, ist Mitglied des Vorstandes des Vereins der Museumsfreunde.

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