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Der Schilling im Wechselbad

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Österreichs Wirtschaft ist eng mit der deutschen ver- flochten. Welchen Um- tauschkurs die DDR be- kommt, ist daher auch für unsere weitere Entwicklung wesentlich.

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Österreichs Wirtschaft ist eng mit der deutschen ver- flochten. Welchen Um- tauschkurs die DDR be- kommt, ist daher auch für unsere weitere Entwicklung wesentlich.

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Spätestens im Sommer soll die D-Mark auch in der DDR gesetzli- ches Zahlungsmittel werden. Un- einigkeit besteht lediglich noch über den Modus der Umstellung. Werden Ost-Mark eins zu eins in D-Mark getauscht oder, wie die Deutsche Bundesbank vorgeschla- gen hat, zwei zu eins? Was wären die Folgen für unsere Wirtschaft?

Allgemein wird durch die zusätz- liche Kaufkraft, mit der die DDR- Bürger ausgestattet werden, ein Inflationsschub befürchtet. Ange- sichts der engen Verflechtung der österreichischen Wirtschaft mit der deutschen wären damit entspre- chende Preissteigerungen auch bei uns zu erwarten.

Klarerweise ist bei einer Umstel- lung eins zu eins die Inflationsge- fahr weitaus höher als bei einem niedrigeren Kurs, etwa zwei zu eins. Allerdings wird die Deutsche Bun- desbank unabhängig vom Um- tauschkurs darauf drängen, die Umstellung so zu gestalten, daß die Inflation unter Kontrolle gehalten werden kann: etwa durch eine zeit- lich befristete Sperrung der umge- tauschten Sparguthaben oder ei- nen partiellen Umtausch in Real- werte , wie Wohnungseigentum oder Anteile an verstaatlichten Betrie- ben. Außerdem ist angesichts der Unsicherheiten über die wirtschaft- liche Entwicklung der DDR nicht zu erwarten, daß sämtliche Erspar- nisse sofort in den Konsum fließen. Damit sollte die Inflation in der Bundesrepublik insgesamt weniger als befürchtet ansteigen, was für Österreich nur abgeschwächte Preisauftriebstendenzen erwarten läßt. Die Eindämmung der Infla- tion wird die Bundesbank jedoch veranlassen, den Geldumlauf knapp zu halten. Gleichzeitig wird die Nachfrage nach Finanzmitteln mar- kant ansteigen. Noch gibt es keine konkreten Vorstellungen über den Kapitalbedarf zum Umbau der DDR-Wirtschaft. Die Bundesregie- rung wird in jedem Fall zusätzliche Kredite aufnehmen müssen.

Auch die Unternehmen werden verstärkt in DDR-Projekte investie- ren und entsprechende Finanzmit- tel benötigen. Steigende Nachfrage bei gleichbleibendem Angebot bedeutet auch auf den Finanzmärk- ten steigende Preise, in diesem Fall steigende Zinsen. Und da angesichts der engen Bindung des Schilling an die D-Mark die österreichischen Zinssätze den deutschen folgen, ist auch ein Anziehen der heimischen Renditen zu erwarten. Zum Teil wurde diese Entwicklung durch den Zinsanstieg in den ersten Wochen dieses Jahres bereits vorweggenom- men.

Die hohen Zinsen werden die D-Mark stärken, mit ihr wird auch der Schilling aufwerten. Dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Exporteure auf den Weltmärkten verringert, gleich- zeitig werden Importe in Österreich relativ billiger. Die Handelsbilanz dürfte sich also tendenziell ver- schlechtern.

Allerdings bieten sich in Deutsch- land zusätzliche Exportchancen. Höhere Investitionen und Staats- ausgaben sorgen für zusätzliches Wirtschaftswachstum in der Bun- desrepublik. Diese konjunkturelle Belebung sollte auch der österrei- chischen Wirtschaft Dynamik ver- leihen, das BIP-Wachstum könnte sich um etwa einen halben Prozent- punkt beschleunigen.

Auch der Handel mit der DDR sollte Impulse erfahren. Die Bedeu- tung der DDR für den Außenhandel Österreichs ist zwar nicht mit jener der Bundesrepublik zu vergleichen, die heimische Exportwirtschaft hat aber doch eine beachtliche Markt- stellung dort. Abgesehen von der Bundesrepublik, die den innerdeut- schen Handel nicht in ihren Außen- handelsstatistiken erfaßt, ist Öster- reich der größte westliche Liefe- rant in die DDR. Ähnlich wie der Handel mit anderen Oststaaten weist der Export Österreichs einen hohen Anteil an Gütern mit höhe- rer Fertigungstiefe auf. Diese Marktposition sollte eine gute Aus- gangsposition für einen weiteren Ausbau der Exporte bilden.

Wahrscheinlich wäre für die österreichische Exportwirtschaft ein Umtausch zu einem niedrigeren Kurs als eins zu eins günstiger. Die durch eine eins-zu-eins-Umstellung besonders begünstigte Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern kommt der heimischen Produk- tions- und Exportstruktur nur wenig entgegen. (Siehe dazu auch die Erfahrungen mit den Einkäu- fen von Ungarn in Österreich in den vergangenen Jahren, die in der Leistungsbilanz mehr oder weni- ger ein reiner Durchlauferposten waren.) Einzig im Fremdenver- kehrsbereich, wo DDR-Bürger nach 40 Jahren Reiseverbot ebenfalls einen immensen Aufholbedarf haben - und Österreich immer noch ein Überangebot an einf achen/nied- rigpreisigen Fazilitäten -, könnte ein gewisses Potential vorhanden sein.

Andererseits wären die Export- aussichten im Bereich der Investi- tionsgüterproduktion, wo Öster- reich eine merklich bessere Wett- bewerbsposition hat, zumindest längerfristig bei einem niedrigeren Umtauschkurs weitaus günstiger. Wohl stünden den Betrieben in der DDR bei eins zu eins (nominell) höhere Beträge zur Verfügung, ihre Wettbewerbsfähigkeit wäre jedoch weitaus geringer. Bei einer Umstel- lung zwei zu eins wäre ihre Kosten- belastung im Vergleich zu westli- chen Konkurrenten weitaus gerin- ger und ihre Überlebensfähigkeit natürlich entscheidend besser. Dementsprechend aussichtsreicher erschienen damit Investitionen in diese Betriebe.

Langfristig ist die DDR ein über- aus interessanter Wirtschaftspart- ner: Wenn es gelingt, dort eine ähnlich starke Position aufzubau- en wie in der Bundesrepublik, würde das ein zusätzliches Export- volumen von 35 Milliarden Schil- ling bedeuten.

Der Autor ist volkswirtschaftlicher Experte in der Girozentrale.

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