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Der Schock in den Knochen

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So etwas darf nie mehr passieren." Noch immer sitzt der kleinen jüdisehen Gemeinde in Bratislava der Schock in den Knochen.

Anfang September wurde der Preßburger Oberrabiner, Baruch Myers,von zwei Jugendlichen unter „Juden raus"-Rufen niedergeschlagen. „Niemand hat uns gewarnt, daß dort ein Nest von Skinheads ist."

Daß in der Slowakei der Antisemitismus blüht, glaubt Pavol Me-stan, der Leiter des jüngst eröffneten Jüdischen Museums in Bratislava, nicht. „Das war eine Gruppe Skinheads, das ist nicht die Slowakei." Ein mulmiges Gefühl hat er seit der Attacke gegen den Oberrabiner trotzdem. „Wir dürfen das nicht unterschätzen."

Seit der Unabhängigkeit wird die Slowakei wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt, erinnert man sich im In- und Ausland an den „Staat von Hitlers Gnaden" und dessen Präsidenten, den katholischen Priester Jozef Tiso. Während dessen Amtszeit wurde von etwa 90.000 slowakischen Juden der größte Teil in Nazilager abtransportiert, 70.000 kehrten nicht mehr zurück. Beim Prozeß gegen Tiso, der mit dem Todesurteil endete, spielte seine Judenpolitik nur eine untergerordnete Rolle.

Einen Dialog über dieses dunkle Kapitel der gemeinsamen Geschichte gibt es zwischen der sehr kleinen Judengemeinschaft und den Katholiken in der Slowakei nicht. Die Beziehungen seien nicht besonders entwickelt, meint dazu der Bischof von Nitra, Kardinal Jan Korec. Er bedauere, was passiert sei. „Es geschah etwas, was niemals in unserer Geschichte hätte geschehen sollen", sagte er unlängst österreichischen Journalisten. Allerdings plädiert Korec in der Frage der Beurteilung der Tiso-Zeit für einen „offenen und ehrlichen Umgang mit der Ver-angenheit". Dazu gehört für den ardinal, daß es in den sechs Jahren der Tiso-Herrschaft „keine einzige Hinrichtung" gegeben habe. Zudem habe „Tiso kein einziges Todesurteil unterschrieben". Auch Adolf Hitler hat persönlich kein Todesurteil unterzeichnet.

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