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Der Schurke im Stück war immer der Bund

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Man hat Föderalismus-Diskussionen schon auf alle Arten geführt. In den meisten Fällen haben gescheite Leute mehr oder minder theoretische Betrachtungen über den Zustand des Föderalismus in Österreich angestellt. Herausgekommen ist in aller Regel die Forderung, der Bund möge doch endlich einen Teil seiner Kompetenzen an die Länder abtreten.

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Man hat Föderalismus-Diskussionen schon auf alle Arten geführt. In den meisten Fällen haben gescheite Leute mehr oder minder theoretische Betrachtungen über den Zustand des Föderalismus in Österreich angestellt. Herausgekommen ist in aller Regel die Forderung, der Bund möge doch endlich einen Teil seiner Kompetenzen an die Länder abtreten.

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Diese Forderung wurde einmal leiser, einmal lauter erhoben, je nachdem, ob ein schwarzer oder roter Bundeskanzler in Wien regierte. Die Rollenverteilung aber blieb immer die gleiche: Der Schurke im Stück war immer der Bund, die Länder gefielen sich in der Rolle des volksnahen Helden, die Gemeinden kamen -wenn überhaupt - nur sehr am Rande vor.

Ein Publikumsreißer war das Stück nie, die Österreicher haben offensichtlich handfestere Sorgen. Und soweit ihnen das Thema überhaupt geläufig ist, verstehen sie darunter meist dasselbe wie der verstorbene steirische Landeshauptmann Krai-ner, der vom Föderalismus selten anders , als vom „Förderalismus" sprach.

Dieser „Förderahsmus" funktioniert auch. Jedenfalls kenne ich keinen Landeshauptmann eines österreichischen Bundeslandes, der mit einem berechtigten Anliegen seines Landes nach Wien fährt und dort nicht bekommt, was er will. Natürlich dauert das manchmal länger, als es die Betroffenen gerne sehen, und nicht selten müssen die Länder auch „mitfinanzieren", aber generell läßt sich doch mit Fug und Recht behaupten, daß jedes Land vom Bund bekommt, was es braucht.

Natürlich drängt sich die Frage auf, warum die Länder als Ganzes so wenig Erfolg haben mit ihren Forderungen, wenn jedes Land für sich „seine"

„... so autoritär regiert der Bund den Ländern nun auch wieder nicht hinein,..."

Forderungen beim Bund durchbringt.

Woran liegt es, daß die Landes-, hauptleute mit ihren eigenen Forderungen durchkommen und mit ihrem gemeinsamen Forderungsprogramm nicht (oder noch nicht)?

Dafür gibt es mehrere Gründe, und die wichtigsten hegen in den Ländern selbst:

1. Das Forderungsprogramm der Bundesländer aus dem Jahr 1976 -und nur von diesem ist hier die Rede - ist entweder nicht populär, oder die Länder haben es nicht verstanden, es zu popularisieren.

Selbst wenn man es wollte, kann man den Mitbürgern die Forderung nach Übertragung von Kompetenzen von Wiener Ministerialräten etwa an

Bregenzer Hofräte nicht als volksnahe Verwaltung „verkaufen". Und so autoritär regiert der Bund den Ländern nun auch wieder nicht hinein, daß mit der viel beklagten Bevormundung der Länder durch den Bund große Stimmung gemacht werden könnte.

2. Das Forderungsprogramm 1976 ist genau genommen kein Forderungsprogramm der Bundesländer,

„Wenn man Forderungen an den Bund richtet, dann sollten sie mit der politischen Praxis im eigenen Bundesland nicht im Widerspruch stehen."

sondern eines der Landesamtsdirektoren. Nichts gegen die Landesamtsdirektoren, aber der Umstand, daß dieses Forderungsprogramm vor seiner Beschlußfassung durch die Landeshauptleute-Konferenz in keinem einzigen Landtag besprochen oder gar beschlossen wurde, erklärt, warum dieses Forderungsprogramm auch in den Ländern keine besondere politische Relevanz erlangt hat 3. Jeder weiß, daß die „Landesfür-

sten" mit den vielfältigsten Sorgen ihrer Landeskinder bis über den Kopf eingedeckt sind. Das erklärt, warum die Landeshauptleute nur schwer Zeit finden, ihr gemeinsames Forderungsprogramm gegenüber dem Bund wirkungsvoll zu vertreten. Die Landeshauptleute treffen sich in der Regel zweimal im Jahr, einmal im Frühjahr, einmal im Herbst Dazwischen muß alles mühsam zwischen den neun Landesregierungen koordiniert werden.

Der Bund hingegen spricht mit einer Stimme, und dies das ganze Jahr. Und hinter ihm steht ein mächtiger und eingespielter Apparat. Die Länder aber haben es bis heute nicht einmal zu einem gemeinsamen Haus in Wien gebracht - zu einem Haus der Bundesländer, wie ich das schon vor sieben Jahren gefordert habe, geschweige denn zu dem dazugehörenden Stab von erstklassigen Beratern.

Das ist mit ein Grund, daß seit 1978 abwechselnd Bund und Länder ihre Bereitschaft bekunden, über das Länder-Forderungsprogramm zu verhandeln, es aber bis heute nicht zu substantiellen Gesprächen über die gegenseitigen Wünsche gekommen ist.

4. Manchen Forderungen des For-derungsprogrammes 1976 fehlt es überdies an der nötigen Glaubwürdigkeit, auch das muß man einmal offen sagen. Wenn man Forderungen an den Bund richtet, dann sollten sie mit der politischen Praxis im eigenen Bundesland wenigstens nicht in Widerspruch stehen. Nur zwei Beispiele aus Vorarlberg:

• Der Bundeskanzler hat vor Jahren den Ländern angeboten, die Finanzierung ihrer Spitäler selbst zu übernehmen. Der Vorarlberger Landeshauptmann war der erste, der eine eigene Landes-Spitalssteuer ablehnte, dessenungeachtet aber vom Bund

die Übertragung der Steuerhoheit fordert.

• Und was sollen zusätzlich Gesetzgebungskompetenzen, wenn man nicht einmal imstande ist, diejenigen wahrzunehmen, die man schon hat? So hat es beispielsweise über acht Jahre gedauert, bis die Vorarlberger Landesregierung ein einfaches Ausführungsgesetz zum Starkstromwegegesetz vorgelegt hat Zuvor hatte derTJund schon mit einer Ersatzvornahme durch den Nationalrat drohen müssen.

Jemand hat einmal gesagt, Föderalist sei nicht, wer hinter der Zeit herhinkt und, anstatt den harten Gegebenheiten ins Auge zu sehen, romantisierenden Vorstellungen nachhängt. Ich halte das für ein gutes Wort, wenn ich an viele Diskussionen denke, die über den Föderalismus in Österreich geführt werden.

Vielleicht war es deshalb auch ganz gut einmal nicht über den Bund lamentiert und statt dessen die eigene Länderposition ein wenig selbstkritisch revidiert zu haben.

Der Autor ist Klubobmann der Sozialistischen Fraktion des Vorarlberger Landtages.

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