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Der Sinn des Lebens

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Jeder Mensch hat die Tendenz, Angst und Ungewißheit zu beseitigen, indem er allem Handeln und schließlich dem ganzen Leben einen Sinn zu verleihen versucht. Davon kann aber nur die Rede sein, wenn Zielsetzungen vorgenommen werden; solche setzen ein bewußt handelndes Wesen voraus, eine planende Intelligenz. Die Frage nach Sinn, Wert, Ziel, Zweck oder Bestimmung des Menschen ist eine teleologische Wozufrage in Analogie zur Frage nach dem Zweck menschlicher Produkte. Um über einen „objektiven" Zweck, ein außerhalb des menschlichen Lebens liegendes Ziel etwas aussagen zu können, müßte der Mensch sein Leben verlassen können oder ein Wissen über die Absichten eines vorausgesetzten Schöpfers besitzen. Der endgültige Daseinssinn, das Endziel, der Endzweck des Lebens könnte mithin nur von einer über dem Leben des einzelnen stehenden Instanz gesetzt sein. Ein außerhalb des individuellen Lebens liegender, vorgegebener, überindividueller, welttranszendenter Lebenssinn könnte außerhalb von Raum und Zeit, oder aber in das Einzelleben übergreifenden, innerweltlichen Geschehnissen gefunden werden. Man könnte aber auch versucht sein, ans Ende der Kette von Zwekken unseres Handelns einen abschließenden „Selbstzweck" zu setzen, der selbst nicht mehr als Mittel für anderes gedacht werden könnte. Da jedoch der Begriff „Zweck" relativ ist in Hinsicht auf ein zwecksetzendes Subjekt, ist der Ausdruck sinnleer und hebt sich selbst auf.

Nun ist aber die Frage nach einem Lebenssinn existentiell für jeden einzelnen Menschen von höchster Bedeutung und läßt sich nicht dadurch beseitigen, daß man sie zu einem Pseudoproblem erklärt. Zeigt eine genauere Analyse, daß die Fragestellung unklar oder gar semantisch unzulässig ist* so muß zunächst versucht werden, sie zu präzisieren. Sollte sich dann herausstellen, daß die Frage wissenschaftlich in keiner Weise beantwortet werden kann, so ist doch mit der Klärung der Problematik einiges geleistet, selbst wenn das Ergebnis einer solchen Untersuchung nur wäre, daß die Beantwortung der Sinnfrage und die Entscheidung der Sinngebung dem einzelnen überantwortet und privatisiert werden müßte.

Das werden sich jene Hütteldorfer Hooligans gedacht haben, die ein Transparent über den Zaun des Ha-nappistadions gehängt haben, auf dem grün auf weiß zu lesen war: SK Rapid - der Sinn des Lebens. Übrigens hat der Sinn des Lebens gegen den Kremser Sportklub 0:1 verloren. Leben ist Leiden.

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