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Der Sprung

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Vor vielen Jahren trafen der einstige ÖAAB-Obmann Alfred Maleta und der nun auch schon ehemalige FCG-Obmann und ÖGB-Vizepräsi-dent Erwin Altenburger eine Vereinbarung: Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter solle sich um die wirtschaftlichen Probleme, der ÖAAB dagegen um die politischen Interessen der ÖVP-nahen Arbeitnehmer kümmern. Da Wirtschaft und Politik nicht erst seit 1975 eine Einheit bilden, konnte dieser Pakt nicht halten, auch wenn sein Geist in diversen Festreden immer wieder beschworen wurde. Der ÖAAB bemühte sich um das Interesse und damit um die Mitgliedschaft von Christlichen Gewerkschaftern, die Fraktion kapselte sich dagegen vom politischen Geschehen weitgehend ab. Ein eminent wichtiges Hoffnungsgebiet der Volkspartei, die Arbeitnehmer, geriet damit immer mehr in den Schatten interner bündischer und fraktioneller Auseinandersetzungen.

Maletas Nachfolger, Alois Mock, wollte Klarheit schaffen, wo personeller Hader und vertretungspolitische Unzulänglichkeiten regieren. Er setzte dabei auf seinen Generalsekretär Ing. Johann Gassner.- Gewerkschaftsmitglied seit gut 20 Jahren, als präsumtiven Nachfolger Erwin Altenburgers. Dieser wieder setzte auf Wedenig, den er später fallen ließ, und entschied sich schließlich für den Zentralsekretär der Privatangestelltengewerkschaft, Hans Klingler. Nach einem mit vielen Zwistigkeiten angereicherten Wahlkampf entschied sich die Fraktion Christlicher Gewerkschafter für Johann Gassner als Nachfolger Altenburgers im ÖGB.

In der Woche des 8. ÖGB-Bundes-kongresses sprach schließlich Benya zum erstenmal davon, daß der ÖGB nicht jeden Vizepräsidentenkandidaten der Fraktion Christlicher Gewerkschafter tolerieren werde; auf gar keinen Fall aber einen Mann, der zu geringe gewerkschaftliche und zu große politische Erfahrungen habe .Dieser Satz war eindeutig gegen Johann Gassner gerichtet und verrät, auch dann, wenn man Spaltversuche beim politischen Gegner als legitimes Instrument anzuerkennen bereit ist, nicht jenes Maß an demokratischer Fairneß, das man bei Anton Benya so oft und so gerne finden konnte. Benya freilich glaubte, daß sich die FCG schließlich doch auf einen Kandidaten für das ÖGB-Präsidiuxn festlegen werde, der den Sozialisten genehm wäre. Doch genau das geschah auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung nicht, durfte auch gar nicht geschehen, wollte sich die Fraktion Christlicher Gewerkschafter als Gegenpol zur sozialistischen Arbeitnehmervertretung nicht selbst aufgeben. Aber die Fronten innerhalb der ÖVP-Arbeitnehmer bleiben starr — hier der ÖAAB — dort die FCG.

In dieser Situation glaubte Benya, es sich nicht leisten zu können, eine unüberlegte Drohung zurückzunehmen. Er blieb hart, und damit war für seine Vasallen der Kurs bestimmt. Bei der Wahl ins ÖGB-Präsidium fiel Johann Gassner mit 73 Stimmen durch, hundert sozialistische Gewerkschaftsfunktionäre votierten sogar —.„zum Spaß“ wie man zugab — für Hans Klingler. Damit war mit einer 30 jährigen Tradition gebrochen. Im ÖGB-Präsi-dium sind für die nächsten vier Jahre nur Sozialisten vertreten. War die Überparteilichkeit des österreichischen Gewerkschaftsbundes schon bisher eine Leerformel, so ist sie nun auch personell außer Kraft gesetzt.

ÖAAB-Obmann Alois Mock wird In den nächsten Monaten alle Hände voll zu tun haben, um die Verhältnisse in der Fraktion Christlicher Gewerkschafter, ' gemeinsam mit dem neuen FCG-Obmann Johann Gassner, zu bereinigen. Man wird ihm dazu mehr Erfolg wünschen, als ihm in den letzten Jahren Jahren beschieden war. Die sozialistischen Gewerkschafter aber werden sich fragen müssen, ob es politisch klug ist, einen Einheitsgewerkschaftsbund als Richtungsgewerkschaft zu führen. Das geschah schon in den letzten Jahrzehnten, obwohl nur wenig mehr als die Hälfte der österreichischen Arbeitnehmer bei Arbeiterkammerwahlen die sozialistische Fraktion . wählen (und im ÖGB gibt es keine Urwahlen). Das Wort von Josef Taus — übrigens ein langgedienter Gewerkschafter —, man müsse die Sozialisten in Österreich auf das für die Demokratie erträgliche Maß reduzieren, die Richtigkeit dieses Wortes, wurde am 8. ÖGB-Bundeskongreß erschrek-kend deutlich bewiesen. Wäre es an diesem Kongreß nur um personelle Fragen gegangen, so könnte man nunmehr wieder zur politischen Tagesordnung übergehen. Doch es ging um mehr: um den Vertretungsanspruch des Gewerkschaftsbundes, um das Verhältnis seiner Funktionäre zu demokratischen Wahlen und deren Ergebnissen, schließlich um die behauptete Überparteilichkeit des ÖGB, der doch die eine Säule der Sozialpartnerschaft in Österreich ist. Und diese eine Säule zeigt nach dem 8. ÖGB-Bundeskongreß sehr tiefe Sprünge.

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